Let`s Go!
20 Millionen Deutsche tun es. Wandern ist ein Wirtschaftsfaktor: 11 Milliarden Euro spülte der Trend im vergangenen Jahr in die Kassen der Wanderbranche. Wandern hält fit. Wandern kann (fast) jeder.
Wandern hat ein frisches Image. Keine betuliche Aktivität von in die Jahre gekommenen Zweibeinern, keine Spazierstockromantik, keine Gamsbarthüte. Jeder will wandern: Familien, junge Frauen, Manager, Sinnsucher. Die Outdoor-Branche ist bestens vorbereitet und hält für jede Herausforderung die richtige Ausrüstung parat. Wer außerdem (für alle Fälle) den gesunden Menschenverstand mit in den Rucksack packt wird Spaß ohne Ende haben.
Gut gerüstet
Der Rothaarsteig, einer von zig gut erschlossenen Wanderwegen in Deutschland soll es sein. Was benötigt man wirklich für eine 4- Tage Wanderung im Mai? Mein Begleiter ist bestens im Thema und schickt mir die Ausrüstungsliste. Für die Tour: Ein Paar Trekking- oder leichte Bergschuhe, Trekkingsocken, Funktionshemd, Fleecepulli, Unterwäsche, Bade-
hose, Sonnenbrille, Taschenmesser, Erste Hilfe inkl. Blasenpflaster, Landkarte, Regenschirm, Kamera, Waschzeug, Getränkeflasche, Müsliriegel (als Notproviant). Für abends: Schlappen, Jeans, Freizeithemd, eventuell noch ein leichter Pulli. Im 30-Liter Rucksack bleibt noch Platz...
Das Thema Socken sollte man nicht unterschätzen. Bloß nicht zu eng, dass hindert die Blutzirkulation. Auf die Zehenkappe achten! Der Ristprotektor sorgt für gleichmäßigen Druck am Schienenbein. Eine Qualitäts-Wandersocke hat einen höheren Anteil an Merinowolle – für ausgeglichenes Temperaturmanagement. Dämpfung und Polsterung müssen auf die vielen tausend Stop-and-Go-Bewegungen abgestimmt sein.
Der Weg ist das Ziel
15 Uhr – let`s Go! Durch das wunderschöne Uentroptal, hinauf auf den 756 m-hohen Härdler. Den Rothaarkamm nach Osten folgend gelangen wir gegen 18 Uhr in den Schäferhof. Der Wirt begrüßt uns mit Handschlag. Sein Haus pflegt einen modernen, aber regionaltypischen Stil. Ausruhen, duschen, umziehen. Ein Hauch Vaseline auf die geplagten Zehen. Morgen liegen 24 Kilometer und 800 Höhenmeter vor uns. Der Blick in den Weinkeller darf nicht zu lange dauern …
Im morgendlichen Gegenlicht schimmert die Ortschaft Schanze. Fast zum Greifen nah. Doch dazwischen das Latroptal, ausgedehnte Buchenwälder und die im Januar 2007 vom Orkan Kyrill gezogenen, brutal-breiten Schneisen. Ich schaue auf mein Handy und bin beruhigt. Kein Empfang. Abends im Gasthof entscheide ich mich für Wildschweinleber.
Auch am folgenden Morgen weckt uns ein blauer Himmel. Zum Frühstück langen wir tüchtig zu. Der Wirt reicht uns ein Tütchen. Zwei Brotscheiben mit Käse für unterwegs, das muss reichen. Der leichtfüßige Wandersmann vom Nebentisch lässt sein Gepäck zur nächsten Unterkunft fahren. Auch das ist möglich. Wir satteln unsere Rucksäcke und schmunzeln....
Natur pur
Murmelnde Bäche, zerklüftete Felsen, satte Wiesen, bizarre Natur. In der Ferne das schrille Geräusch von Motorsägen - Waldarbeiter. Wir steigen aus 841 m Höhe in weitläufigen Serpentinen langsam ab. Spätestens hier erweist sich, was ein gutes Schuhwerk kann.
Plötzlich unterbricht das Trommeln von Tierhufen unser Geschwätz. Aus dem Unterholz, nur ein Steinwurf entfernt, donnert eine Herde Wildschweine über die Wiese in den rettenden Wald. Meine Kamera kann nur noch ihre Schatten festhalten. Schade.... Auf dem Parkplatz des von uns vorab gebuchten Sporthotels stehen auffallend viele Fahrzeuge mit NL-Kennzeichen. Die Holländer erkunden Berg und Tal gern mit Rennrad oder Mountain-Bike. Am folgenden Tag gegen 14 Uhr endet unsere Rundtour. Erschöpft aber glücklich fahre ich heim.
In unserer schnelllebigen Zeit ist Wandern ein sinnstiftendes Kontrastprogramm. Es liefert Rückbesinnung und bringt uns mental nach vorn. Outdor-Magazine, Erfahrungsberichte, Wanderbücher und die Internetseiten der Wandervereine informieren, machen Appetit. Das passende Ziel muss jeder für sich selbst finden.
Kontrastprogramm