Lösungen für komplexe Schalungsaufgaben
33. Seminar Schalung & RüstungDas Seminar Schalung & Rüstung, veranstaltet von der Akademie der Hochschule Biberach, vereint mit den drei Professoren Alexander Glock, Martin Schubert und Matthias Bahr die Studiengänge Bauingenieurwesen und Projektmanagement.
Den Teilnehmern aus der Praxis wurden Vorträge geboten, die sich im Spannungsfeld zwischen Forschung und Praxis bewegten und sowohl die Planung als auch die Ausführung von Projekten schilderten. Dabei war nicht nur die Technik von Bedeutung, sondern auch der Mensch, der auf der einen Seite die Technik handhaben muss, auf der anderen Seite in Groß- oder Mittelstandsunternehmen Technikentscheidungen tref-
fen und kommunizieren muss. Operative Detaillösungen wurden daher genauso diskutiert wie strategische Fragestellungen.
Eine wichtige Rolle spielte das Material und das Innenleben von Bauteilen. Neben Standardfällen kamen auch technische Sonderlösungen zur Sprache. Auch die Ästhetik von Tragkonstruktionen spielte eine Rolle. Nicht zuletzt behandelten die Vorträge auch logistische Herausforderungen oderjuristische Fragestellungen.
Cityringen Metro til Nordhavn, Kopenhagen
Über dieses Infrastrukturprojekt „Cityringen Metro til Nordhavn in Kopenhagen“ berichtete Dipl.-Ing.(FH) Jochen Stoß (Meva Schalungs-Systeme GmbH). Die U-Bahn-Linie schließt das Entwicklungsgebiet des alten Nordhafens an das U-Bahn-Netz der Stadt an. Die architektonische Gestaltung der im Tunnel in offener Bauweise hergestellten Station beinhaltete keine besonderen Anforderungen an das Fugen- und Ankerbild, bzw. die Betonoberfläche. Ungewöhnliche war die Ausführung der Arbeitsfugen zwischen Außenwänden und Decken an der Oberkante der Decke.
Der statische Nachweis waren Standard- Nachweise nach EN 12812 mit der Besonderheit, dass das „Dänische Handbook“ für Betonarbeiten erhebliche schärfe Sicherheitsbeiwerte fordert, die bei Erfüllung zu nicht unerheblichen Mehrkosten bei der Ausführung der Bauteile führen. Das Traggerüst ist gegenüber DIN EN 12812 nur zu 70 % ausgenutzt – H20/Holzträger sind gegenüber der deutschen Auslegung europäischer Normen nur zu ca. 60 % ausgenutzt. Ein Vorteil ist, dass in Dänemark der Schalungslieferant von Beginn an in die Planung und in die statisch relevanten Punkte einbezogen werden.
Die Außenwände der 121 m langen und 18,20 m breiten Metro Station „Nordhavn Station“ wurden bis 7,80 m einhäuptig mit STB450 + Startec-Wandschalung und die Innenwände doppelhäuptig geschalt. Die Decken wurden mit dem Traggerüst MEP und Meva Flex, lichte Höhe 2 – 11,67 m, max. d = 90cm ausgeführt.
Der 144 m lange und 15 m breite Tunnel (Höhe 6,60 m) bestand aus 12 Bautakten. Die Außenwände wurden einhäuptig mit STB450 (4,74 m) und Startec liegend (2 x 2,40m) und die Innenwände doppelhäuptig ausgeführt. Eine Besonderheit war die Abstützung der Decken-Stirnabschalung, max. Stärke der Decke 90cm, max. Neigung ca. 6 %. Die Aufnahme des gesamten Deckenschubes erfolgte über STB-450 zur Einleitung der Kräfte in die Bodenplatte.
Orientkaj Station, Kopenhagen
Das 230 m lange Viadukt und die Orientkaj Station sind auf 7 V-förmigen Stützpfeilern aufgelagert. Dazu gehört ein Aufzugskern, 2 Treppenläufe und ein rundes Technikgebäude, direkt unter den Fahrbahnen. Die architektonische Gestaltung in Sichtbeton erforderte ein gleichmäßiges Fugen- und Ankerbild mit einer Betonoberfläche in Holzstruktur.
Eine Besonderheit war die Betonage der Querbalken über den V-Stützen, die Fahrbahnplatte und der Obergurt (aufgehende Randbalken) in einem Arbeitsgang. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Spannglieder in Längsrichtung im aufgehenden Randbalken und in Querrichtung im Querbalken verlaufen. Das hatte Einfluss auf die Ankereinteilung. Die Untersicht der Fahrbahnen ist ebenfalls gevoutet in Sichtbeton ausgeführt. Für die Bauarbeiten wurden gemeinsame Ziele formuliert. Zur Vermeidung von Unfällen, die in der Vergangenheit aufgetreten sind, werden die Prozesse bei der Planung, Berechnung, Aufbau und Kontrolle des Traggerüstes beschrieben. Die Verantwortlichkeiten und die beteiligten Personen und Firmen werden klar benannt. Die Kommunikationsprozesse werden mit Hilfe eines Kommunikationsplanes beschrieben. Diese Abläufe bzw. Aufgaben, sind anhand von 13 Tabellen bzw. Formblättern in einem Handbuch festgelegt und erfasst.
Moselschleuse, Trier
Alle Mosel-Schleusen werden durch eine zweite Schleusenkammer ertüchtigt. Beim LV der Schleuse Trier war ein Großteil der Positionen mit Montageleistungen ausgeschrieben. Viele aufwändige, komplexe Positionen erforderten eine detaillierte Kalkulation und statische Voruntersuchung mit genauer Sichtung der 210 Angebotspläne. Dipl.-Ing. Frank Hach und Thomas Mehl (Peri GmbH) berichteten von der Baustelle.
Das Projekt erforderte eine Zerlegung in Bauteile und Schalungssysteme:
Regelblöcke: ein- und zweihäuptige Trägerwandschalung, Rahmenschalung, Tunnelschalwagen, Klettertechnik,
Ober- und Unterhaupt: ein- und zweihäuptige Trägerwandschalung, Klettertechnik, großvolumige Aussparungskörper,
Einlaufbauwerk: ein- und zweihäuptige Trägerwandschalung, geneigte Sohlenschalung,
Auslaufbauwerk: ein- und zweihäuptige Trägerwandschalung, geneigte Sohlenschalung, Säulenschalung.
Auf der 2,10 m hohen Sohle baut sich der 1. Höhentakt auf aus 5,10 m hohen Wänden (d = 5,0 m, einhäuptig). Der 2 Höhentakt besteht aus 7,65 m hohen Wänden (d = 2,0 m, zweihäuptig).
Das Einlaufbauwerk und Oberhaupt mit Darstellung der Betonierblöcke wurde in 3-D modelliert. Die Volumenknaggenkästen wurden werkseitig montiert und zu transportablen Einheiten zusammengestellt. Zwischen Oberhaupt und Auslaufbauwerk waren für das Drehtor zahlreiche Aussparungen und Abschalungen vorzunehmen. Hier konnte Peri dem Bauherrn konstruktive Vorschläge unterbreiten, welche die Zahl der Aussparungen reduzierte.
Omniturm, Frankfurt
Den „Omni – das Hochhaus mit der spiralförmigen Verschiebung der Etagen“ stellten Dipl.-Ing. Stefan Daubner (Deutsche Doka Schalungstechnik GmbH) und Martin Seifert (Adolf Lupp GmbH) vor. Die Gründung ist eine kombinierte Pfahl- und Plattengründung. Die Bodenplatte ist aus Beton C50/60 und hat weltweit die erste Bewehrung aus hochfestem Bewehrungsstahl SAS 670. Da die Baugrube von Hochhäusern eingerahmt ist und somit keine Rückverankerung in angrenzende Grundstücke möglich war, musste sie mit 10 m breiten umlaufenden Ringen im 2. und 4. UG ausgesteift werden. In der 7,45 m hohen Eingangslobby wurden Schleuderbetonstützen aus hochfestem Beton C140 mit hochfester Bewehrung eingesetzt. Als Deckenschalsystem wurde Staxo 40 und 100 in Kombination mit H20 Flex Schalung eingesetzt. Die Ortbeton-Flachdecken sind 35–40 cm stark mit Spannlitzen versehen. Pro Geschoss werden 18 Fertigteilstützen teilweise schräg stehend verbaut.
In den Geschossen 12 bis 22 werden die Decken in zwei Richtungen spiralförmig versetzt zum vorherigen Geschoss. Daraus resultierend sprang die Fassade bis über 30° vor und zurück. Die Bauzeit pro senkrechtem Geschoss sollte laut Plan 3–4 Tage dauern, für die versetzten Geschosse wurden 7 Tage benötigt. Für den Bau der versetzten Geschosse war es erforderlich, schräg zu verstellende Schutzschilde zu entwickeln. Sie sind während des Umsetzvorganges neig- und schwenkbar in alle Richtungen bis zu 20,8°. Damit werden höchste Anforderungen an die Arbeitssicherheit erfüllt.
Bavaria Towers, München
Ungewöhnliche Systemlösung für geneigte Deckenflächen In großen Höhen“ war das Thema von Dipl.-Ing. Michael Biergann und Markus Geiß (Hünnebeck Deutschland GmbH). Das Bauvorhaben besteht aus 4 Türmen in München. Die Besonderheit sind schräge Dachringe, ausgesteift durch Unterzüge, die u.a. die Reinigungsanlagen der Fassade aufnehmen sollen. Es kamen schräge Topax-Tische auf dem neuen GASS-Traggerüst zum Einsatz. Dafür mussten schräge Sonderköpfe entwickelt werden. Die Eckbereiche des Dachringes wurden rund ausgeführt. Die Seitenschalung für den Dachring mit Ablaufrinne wurde in 3D geplant und danach gefertigt.
Die Besonderheit im Bauablauf ergab sich aus der Unterteilung in Bauabschnitte und aus vorgegebenen Betonierrichtungen. Das brachte erhöhte Anforderungen an die Seitenschalung und die Absturzsicherung. Da das Traggerüst für den um 11° geneigten Deckentisch größtenteils freistand mussten die horizontalen Einwirkungen über das Traggerüst abgeleitet werden. Um beim Betonieren die horizontalen Kräfte auf das Traggerüst zu minimieren wurde von oben nach unten betoniert, was jedoch verstärkte Auswirkung auf die (untere) Stirn- bzw. Seitenschalung hatte.
Hauptbahnhof, Berlin
Ein architektonisches Highlight waren die „Filigranen Betonschalen am Hauptbahnhof Berlin“ vorgestellt von Dipl.-Ing. Christoph Paech (Schlaich Bergermann & Partner). Der neue Berliner Hauptbahnhof wird durch eine neue Straßenbahnlinie noch besser in das Berliner Nahverkehrsnetz integriert. Auf dem nördlichen Vorplatz des Hauptbahnhofes an der Invalidenstraße wird ein einheitliches gestalterisches Konzept verwirklicht, das auch die Treppenabgänge zur S- und U-Bahn einschließt. Aus einem Wettbewerb 2011 ging der Schalen-Entwurf von Schlaich Bergermann & Partner als Sieger hervor.
Das filigrane Schalentragwerk erforderte aufwändige anspruchsvolle statische Lösungen. Nicht einfach ist auch die Gründung des Bauwerks, weil es auf zwei unabhängigen Tunnelröhren steht, die statisch nicht miteinander verbunden werden durften. Die Schalen verlaufen gekrümmt über einen mittleren Kernbereich, wo die Schalenwirkung durch ausreichende Krümmung gewährleistet wird.
Bei den äußeren Bereichen mit geringer Krümmung erfolgt der Lastabtrag über Biegung. Im überwiegenden Teil des Querschnitts wurde normale Bewehrung eingebaut. In den Randbereichen, den Stützen gegenüberliegend, kam Edelstahlbewehrung zum Einsatz, weil die Schale hier nur 7,5 cm stark ist. Für eine normale Stahlbewehrung wäre keine ausreichende Überdeckungshöhe vorhanden gewesen.
Für die geplante filigrane Schalenkonstruktion wäre bei üblicher Ausführung das Gewicht zu hoch geworden. Man entschloss sich deshalb für den Einsatz von Leichtbeton. Dabei bedarf es ausreichender Erfahrung und Probeflächen. Trotz vorher hergestellter „Mock-ups“, waren am Ende umfangreiche Betonkosmetikarbeiten auszuführen. Auf der Oberseite der Schale wurde eine mehrschichtige Versiegelung aufgebracht.
Wirtschaftliche Holzschalwagen
Holzschalwagen können nicht Stahlschalwagen ersetzen, die lange Strecken im Tagestakt abarbeiten müssen. Auch die Bedienbarkeit mit hydraulisch angesteuerten Fahrwerken, Klappvorrichtungen und das Umschlagen der Pumpleitungen sind in technischer Sicht nicht mit Holzschalwagen vergleichbar. Die Firma Huber & Sohn GmbH bietet drei Varianten für den Einsatz von Holzschalwagen: die Bergmännische Bauweise, die Offene Bauweise mit Konterschalung und den Portalbereich mit Kragenschalung. Vorgestellt wurde das System von Günther Pilger (Abteilungsleiter Schalungsbau). Die Systeme bieten Wirtschaftlichkeit in Bezug auf kurze Montagezeiten, einfache Bedienung ohne viel Technik, leichtes Umsetzen zum nächsten Einsatzort und sind robust, zuverlässig, langlebig erprobt bis zu 70 Einsätzen.
Bei Aufweitungen bzw. Pannenbuchten erfordert der Umbau eines Stahlschalwagens enormen Zeitaufwand und kompliziertes Handling unter Tage. Da sind beim Umbau und anschließendem Rückbau zum Regelprofil schnell ca. 5 Wochen pro Bucht verloren. Ein Nachläuferwagen zur Herstellung der Ausweichnischen, welcher klappbar und teilbar durch das Regelprofil weitergefahren werden kann, ist als wirtschaftlicher Holzschalwagen eine gute Lösung.
Die Vorteile beim Einsatz von Holzschalungen sind:
individuelle Planung nach Wünschen der Baustelle von einfach bedienbar bis hydraulisch heb- und klappbar,
exakte Genauigkeit,
hoher Vorfertigungsgrad im Baukastensystem, elementiert und auf Straßen fahrbar,
geringe Montagezeit auf der Baustelle, Querschlagsschalungen (Erstmontage 1 Tag + 1 Tag betonier fertig), große Schalwägen zweigleisige Tunnel (1 Woche Erstmontage + 1 Woche bis betonierfertig).
gute Anpassmöglichkeiten an bestehende Bauwerke wie Stirnwände, Sichelwände oder sonstige Gegebenheiten,
problemloser Einbau von Halfenschienen, Deckenabhängungen und Aussparungskästen.
Ausführung von Sichtbeton
Prof. Christoph Motzko (TU Darmstadt, Institut für Baubetrieb) sprach über die Einsatzbereiche, die Organisation, die Konstruktion, die Ausschreibung und die Ausführung von Sichtbeton. Was leider immer noch viele Anwender nicht beachten, ist, dass Schalungen und Traggerüste den Regelungen der Betriebssicherheitsverordnung unterliegen und für den Einsatz eine Gefährdungsbeurteilung erforderlich ist.
Aktuell zu beachten ist, dass die DIN 18 217 mit der Ziffer 2.3: „Betonflächen mit Anforderungen an das Aussehen“ zurückgezogen wurde. Da hier noch keine neue Regelung vorliegt, sollte man sich in der Praxis vorerst weiterhin an der alten DIN orientieren.
Bei der Ausschreibung wird sehr oft nicht beachtet, dass eine Zielbeschreibung oder eine Wegbeschreibung nicht ausreichend ist. Es bedarf beider Beschreibungen, und die dürfen inhaltlich nicht widersprüchlich erfolgen. Nur so können Konfliktsituationen bei der Bewertung von erstellten Sichtbetonflächen zuverlässig vermieden werden.
Absturzsicherheit
Seit Jahren ist das Thema „Absturzhöhe“ und damit verbunden der Einsatz von Leitern auf der Baustelle von großer Bedeutung. Prof. Marco Einhaus (BG Bau) stellte nicht nur die neuesten Unfallzahlen, sondern auch die technischen Lösungen in neuen Vorschriften vor. Die Unfallzahlen auf Baustellen, insbesondere die tödlichen Unfälle, sind weiter angestiegen und zwar überproportional zu den gestiegenen Arbeitsvolumen. Dabei fällt auf, dass immer noch nur etwa die Hälfte der Baufirmen die vorgeschriebenen Gefährdungsanalysen durchführen.
Bezüglich der Absturzhöhe gibt es eine Verschärfung auf max. 2 m. Das heißt, dass z.B. bei Deckenschalarbeiten technische Maßnahmen zur Absturzsicherung ergriffen werden müssen – organisatorische Maßnahmen sind nicht mehr ausreichend. Anlegeleitern dürfen nur noch bei geringen Höhen als Verkehrsweg eingesetzt werden. Arbeiten auf Leitern können nur noch von Podestleitern mit Trittstufen ausgeführt werden.
Melaminbeschichtete Schalhaut
Westag & Getalit bietet jetzt endlich auch melaminbeschichtete Platten zur Sichtbetonherstellung, damit sind die Zeiten Vergangenheit, wo man Phenolharz-beschichtete Schalhaut im Sichtbetoneinsatz gegen die reinen Kunststoffplatten verteidigen musste. Dipl.-Ing. (FH) Christian Ewers stellte die Platten vor.
Die erfolgreiche und stark besuchte Veranstaltung wird auch im nächsten Jahr stattfinden. Das 34. Seminar Schalung & Rüstung ist vom 15. bis 16. Oktober 2019 in Biberach geplant.