Männerbastion Bau?
Was hindert eigentlich junge Frauen daran, verstärkt am Bau zu arbeiten, als Arbeiter, Poliere, Architekten, Bauingenieure? Fast alles, möchte man antworten. Ihnen werden so manche Knüppel zwischen die Beine geworfen, vor allem Vorurteile. So sagt man, sie seien körperlich zu schwach und dürften sich nicht Gefahren aussetzen.
Eine Auszubildende mit farbigen Fingernägeln an der Werkbank, diese Szene konnte man zum Girl’s Day in einem Film sehen, den der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) auf Youtube gestellt hatte. Der Streifen mit dem Titel „Keine Scheu vor der Männerdomäne Bau!“ stellte fünf junge Frauen vor, eine angehende Maurerin, eine Straßenbauerin, eine Isoliererin, eine Fliesenlegerin und eine Zimmerin. Die Mädchen, so der ZDB optimistisch, „stellen überzeugend dar, wo sie als Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen am Bau punkten können“. Allerdings, so muss man einwerfen, ist man noch viel Überzeugungsarbeit nötig, bis dies Allgemeingut wird. Tatsächlich sind die Frauen am Bau erst eine sehr kleine Minderheit. Der Bericht „Arbeitsmarkt im Bausektor“, den der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie im Februar veröffentlichte, stellt nüchtern fest, dass im Vergleich zur Gesamtwirtschaft Frauen im Baugewerbe „seltener“ vertreten sind. Das ist eine erhebliche Untertreibung. Denn im Zeitraum 2000-2010 betrug der Anteil der Männer im Baugewerbe 87 %, im Bauhauptgewerbe (also ohne Ausbaugewerbe) gar 91 %. Die Studie hebt hervor, dass der Bau stark vollzeitorientiert ist. Bekanntlich suchen viele Frauen nur einen Teilzeit-Job. In Ingenieur- und Architekturbüros erreiche der Frauenanteil immerhin 35 %. Und laut Bundesingenieurkammer sind von den 160.000 Bauingenieuren in Deutschland nur 16 % Frauen. Auf fünf männliche Bauingenieure kommt also eine Kollegin.
Frauenquote nötig?
Ganz oben in den Vorständen der großen Baukonzerne sitzt keine einzige Frau, nicht bei Hochtief und auch nicht bei Bilfinger, Strabag oder Züblin. Dies ist nicht unbedingt böser Wille. Ein vor kurzem in Rente gegangener Unternehmenschef sagte etwas bekümmert gegenüber Journalisten, er wisse gar nicht, welche Frau er dem Aufsichtsrat für den Vorstand vorschlagen könne: es gebe einfach zu wenige Kandidatinnen. Talente müssen wohl erst heranwachsen. Manche Dax-Konzerne ernennen Frauen zum Vorstand für Personal oder Compliance, also eher weiche Posten. Der Druck muss von unten kommen. Erst wenn mehr Frauen den Beruf des Bauingenieurs, des Betriebswirts, usw. wählen, wird das Reservoir an weiblichen Führungskräften breiter werden. Das kann noch einige Jahre dauern. An den Unis sind Frauen schon heute in der Überzahl. Es heißt, dass Mädchen für Mathe und Naturwissenschaften weniger Interesse hätten als Jungs. Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass Mädchen im Fach Mathematik dieselben Leistungen bringen und wegen des Vorurteils, Männer seien hier begabter, den Jungen das Feld überlassen. „In Technik und Naturwissenschaften, aber auch generell setzen Mädchen ihre guten Noten nicht in gleichem Maße in Karriere um“, bemerkte neulich die „Frankfurter Allgemeine“.
Demographische Notwendigkeit
Auch bei den Fachkräften müssen die Bauunternehmen viel mehr für den weiblichen Nachwuchs tun. Aus Eigennutz, nicht aus Gutmenschentum. Die Zahl der männlichen Auszubildenden wird aus demographischen Gründen merklich sinken und der Rückgriff auf weibliche Azubis ist allein schon deswegen eine Notwendigkeit. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Ein Blick auf die Wallonie, den frankophonen Teil Belgiens, könnte hilfreich sein. Construtec, ein von Arbeitgebern und Gewerkschaften gegründeter Förderverein für die Ausbildung am Bau, startete im Februar eine Kampagne: „Und wenn der Mann, den Sie suchen, eine Frau wäre?“. Der Anteil der Frauen im Baugewerbe der Wallonie liegt laut Construtec nur unter einem Prozent. Allerdings sind die Frauen nicht mitgezählt, die ihr eigenes Bauunternehmen gegründet haben. Frauen finde man vor allem in den Malerberufen; das liege wohl auch an dem Stereotyp, dass Frauen etwas von Dekoration verstehen. Die Firmen müssen umdenken. Construtec spricht von jungen Frauen, die eine Ausbildung in einem Bauberuf gemacht haben und anschließend keinen Arbeitsplatz gefunden haben, obwohl es welche gibt. Mädchen würden schon in der Kindheit „indoktriniert“: es gebe Spiele für Jungs und für Mädchen. Später würden Elternhaus und Berufsschulen sie daran hindern, klassische Männerberufe zu ergreifen. Sogar in der Betriebskantine würden sie gefragt, warum sie denn einen Männerberuf ergreifen wollten. Gut, einige Bauberufe erfordern viel Kraftaufwand. Aber Krankenschwestern und weibliche Angestellte im Einzelhandel müssen auch oft schwer tragen. Sportliche Frauen haben mehr Kraft als dürre Männer. Der raue Ton auf dem Bau und der Alkoholkonsum haben in den letzten Jahren stark abgenommen. Und man konnte auch beobachten, dass da wo Frauen mitarbeiten, Männer eher Haltung annehmen. Diese negativen „kulturellen“ Hindernisse für den verstärkten Einzug von jungen Frauen auf Baustellen dürften allmählich verschwinden.