Mammutprojekt Havellandautobahn
Nadelöhr im Berliner Autobahnring verschwindetDie Vielzahl an Baumaßnahmen, verteilt auf einer Länge von rund 65 Kilometern, müssen fristgerecht abgewickelt werden. Dabei gilt es, die Logistik und vorhandenen Ressourcen zu bündeln, um den Bauablauf gestalten zu können.
Die bisher vierstreifige A10 zwischen den Dreiecken Havelland und Pankow wird auf rund 30 Kilometern sechsstreifig ausgebaut. Der vierstreifige rund 30 Kilometer lange Abschnitt der A24 zwischen der Anschlussstelle Neuruppin und Kremmen wird komplett erneuert, wobei die Seitenstreifen von 2,50 Meter auf 3,75 Meter verbreitert werden, um Teilabschnitte im Bedarfsfall je nach Verkehrsaufkommen temporär für den Verkehr freizugeben. Sämtliche geforderten Planungs- und Bauleistungen müssen die Arge-Partner, die österreichische Habau-Gruppe und deren Hoch- und Tiefbau-Gesellschaft sowie Wayss & Freytag Ingenieurbau, eine deutsche Tochtergesellschaft der niederländischen Royal BAM Gruppe, als Nachunternehmer der Projektgesellschaft Havellandautobahn erbringen.
Neben der Planung und dem Ausbau erfolgt die anteilige Finanzierung des Projekts sowie die Erhaltung und der Betrieb der Projektstrecke durch das Konsortium 30 Jahre lang als sogenanntes Verfügbarkeitsmodell in öffentlich-privater Partnerschaft – es ist für Brandenburg das erste Projekt in dieser Vertragsform. Die Autobahn selbst verbleibt im Eigentum des Staates.
Die Projektkosten für die A10 und A24 belaufen sich auf 1,4 Milliarden Euro. Die reinen Baukosten für den Ausbau schlagen mit rund 640 Millionen Euro zu Buche. Der Auftragnehmer erhält während der Projektdauer von 30 Jahren ein Verfügbarkeitsentgelt, dessen Höhe sich grundsätzlich nach der Qualität der erbrachten Leistung und der Verfügbarkeit der Autobahn für die Verkehrsteilnehmer richtet, also abhängig davon, wie oft die Fahrbahnen für Bau- oder Reparaturarbeiten gesperrt werden müssen. Bei früheren Autobahn-Projekten mit privaten Partnern, wie der A1 Mobil zwischen Hamburg und Bremen, hatte der Bund noch auf eine Vergütung über Maut-Einnahmen gesetzt.
„Das Ende der Bauzeit ist fixiert auf den 31. Dezember 2022. Bis dahin ist die Bauausführung fertigzustellen. Nachgelagert sind landschaftspflegerische Ausgleichsmaßnahmen wie Begrünung“, erklärt Dr. Thomas Stütze, der technische Geschäftsführer der Projektgesellschaft und Vertreter des Auftragnehmers. Jedes Jahr soll eine Richtungsfahrbahn der jeweils im Bau befindlichen Abschnitte fertig werden. „Das müssen wir einhalten, um auch die jahreszeitlich bedingten Witterungsverhältnisse berücksichtigen zu können. Aktuell sind wir im Zeitplan“, ergänzt er.
Zehn Bauabschnitte im Schachbrettmuster
Nach den vorausgegangenen Fäll- und Rodungsarbeiten konnten die Arbeiten in den ersten sechs von insgesamt zehn Bauabschnitten mit je einer Länge von insgesamt circa 37 Kilometern beginnen. Los ging es mit den Bauabschnitten eins, drei und fünf an der A24 sowie den Abschnitten 6, 8 und 10 an der A10. „Wie ein Schachbrettmuster arbeiten wir uns Abschnitt für Abschnitt vor“, so Andreas Jancar, Leiter der Bauausführung seitens der Arge A10/A24. Im Anschluss geht es an die Zwischenbereiche auf je sechs Kilometern Länge – sogenannte Beruhigungsstrecken, auf denen die Arbeiten erst in zwei Jahren starten sollen. Auf ihnen können dann die Verkehrsteilnehmer auch mal zum Überholen ansetzen und müssen nicht in Kolonne Stoßstange an Stoßstange durch die Baustelle kriechen. Mindestens zwei Fahrspuren in jede Richtung sollen den Verkehrsteilnehmern im Zuge der 4+0-Verkehrsführung zur Verfügung stehen, um Verkehrsbeeinträchtigungen während der Baumaßnahme möglichst in Grenzen zu halten.
„Die Verkehrsunfälle bedingt durch Baustellen sind gering, was an der Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h beziehungsweise 60 km/h und von 40 km/h im Bereich von Knotenpunkten und Anschlussstellen liegt“, so Dr. Stütze. Die Strecke auf der A24 weist zu Spitzenzeiten mit 60.000 Fahrzeugen täglich ein hohes Verkehrsaufkommen auf und verbindet Berlin mit Hamburg. „Der Anteil der Lkw macht durch die Anbindung an den Hamburger Hafen ein Drittel des Verkehrsaufkommens aus“, stellt Dr. Thomas Stütze dar.
1,1 Millionen Tonnen Beton
So war der Straßenbelag aufgrund seines Alters und der Verkehrsbelastung schon stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die neue Fahrbahndecke in einer Größenordnung von 1,6 Millionen Quadratmetern soll aus Beton gefertigt werden – lediglich ein kleiner Bereich wird mit offenporigem Asphalt erstellt. Das erleichtere laut der Arge den späteren Unterhalt. Dafür sind große Materialmengen erforderlich – bis zu 1,1 Millionen Tonnen Beton werden veranschlagt. Allein die Hauptleistungen im Erdbau machen fünf Millionen Kubikmeter inklusive Bodenabtrag und -auftrag aus. Hinzu kommen Bodenaustausch und Bodenstabilisierung. Mitunter sind 4.000 Fertigteil-Pfahlgründungen nötig, um die Lasten in tragfähige und tiefere Bodenschichten abzuleiten. Auch im Straßenbau müssen Baumaschinen umfangreiche Massen bewegen, wenn der alte Fahrbahnbelag aus Asphalt und Beton rückgebaut und aufbereitet wird.
Bau-Flotte
19 Cat Baumaschinen, die sich über die Baumaßnahme A24 verteilen, hat die Arge über den Zeppelin Konzernkundenbereich und ihren Verkaufsleiter Reinhold Bosl sowie über die Niederlassung Berlin-Schenkendorf und ihren Verkaufsrepräsentanten Robert Bruhn angeschafft. Die Flotte setzt sich aus zwei Kettenbaggern 323, zwei Kurzheckbaggern 325FL, drei Mobilbaggern M318F, vier Walzen CS66, einem Dozer D5K LGP, zwei Dozern D6K LGP, drei Radladern 907M und zwei Radladern 966M zusammen. Alle Dozer arbeiten mit der Trimble-Steuerung Earthworks. Sieben Systeme lieferte der Trimble-Vertriebspartner Sitech. Steuerungselemente wie diese sind inzwischen Grundvoraussetzung für das Baustellencontrolling, um Soll- sowie Ist-Massen zu vergleichen. Regelmäßig wird auch eine Drohne eingesetzt, um den Fortschritt der Arbeiten zu dokumentieren und die erfassten Daten zur automatisierten Mengenermittlung und Leistungserfassung zu nutzen.
Das Vorhaben an der A10/A24 wurde als erstes nationales Pilotprojekt vom Bund zur Integration des BIM-Ansatzes von der Planung über die Ausführung bis hin zur Erhaltung ausgewählt. Genutzt wird für alle Lebensphasen des Bauwerks – vom Entwurf über die Planung und Ausführung bis hin zum Betrieb und Rückbau – die BIM-Methodik in Form eines 3D-Modells für den 5,5 Kilometer langen Bauabschnitt 4 der A24 samt eines Ingenieurbauwerkes sowie einer Tank- und Rastanlage. Es soll helfen, das Risiko von Fehlern bei der Planung und Bauphase zu minimieren, die Produktivität zu steigern sowie die Termin- und Kostenplanung zu verbessern. Vorab wurde ein Grundlagenmodell erstellt, das den Bestand des Geländes, ein auf Basis von Erkundungen und bestehenden Baugrundinformationen abgeleitetes Baugrundmodell, die Abbildung des Streckenbaus, den Bestand der Tank- und Rastanlage sowie den Bestand der Ingenieurbauwerke darstellt. Das Grundlagenmodell wurde in das Entwurfsmodell, Ausführungsmodell sowie in das Übergabemodell integriert. Für die Ausführung wurde ein Modell angefertigt, das der Ausführungsplanung der Strecke und der Ingenieurbauwerke entspricht. Das Übergabemodell soll später in der Erhaltungsphase für verschiedene Anwendungen genutzt werden.
„In dieser Größenordnung ist so ein Vorhaben noch nie digitalisiert worden. Wenn es funktionieren soll, müssen jedoch alle Beteiligten umdenken. Nicht zu unterschätzen ist daher auch der soziale Aspekt“, unterstreicht Dr. Thomas Stütze. Andreas Jancar ergänzt: „Die Quintessenz ist, einen Standard an Daten zu definieren, mit dem alle Beteiligten arbeiten können und diesen untereinander zu verknüpfen. Da ist noch viel Pionierarbeit nötig. Die Arge sieht die Baumaßnahme als eine gute Möglichkeit, das bereits vorhandene Know-how im Bereich BIM weiter zu vertiefen.“
Zeppelin Baumaschinen GmbH
www.zeppelin-cat.de