Mehr Exzellenz im Bauen durch Digitalisierung, die menschelt
Gastkommentar von Dr.-Ing. Matthias Jacob, ImpleniaGastkommentar von Dr. Ing. Matthias Jacob, Länderpräsident von Implenia Deutschland und Vizepräsident Technik des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, über den Weg der Bauindustrie in die Digitalisierung
Sie ist einer der globalen Megatrends des 21. Jahrhunderts, welche unsere Art zu leben, zu arbeiten und zu reisen signifikant und mit enormer Geschwindigkeit verändert. Im Zuge der Corona-Pandemie trägt sie dazu bei, Geschäftsabläufe aufrechtzuerhalten und an neue Anforderungen und Rahmenbedingungen anzupassen. Sie wird deshalb als große Stütze für Unternehmen aller Branchen wahrgenommen: die Digitalisierung.
Die Digitalisierung bringt großes Potenzial mit sich, um zum Einen unsere Lebensqualität zu erhöhen und zum Anderen den ökonomischen Wohlstand zu sichern, indem sie dazu beiträgt Unternehmen aller Branchen wettbewerbsfähiger, innovativer und produktiver durch Prozessoptimierungen hinsichtlich Mensch, Maschine und Material zu machen.
Großes Potential – für die
gesamte Wertschöpfungskette
Auf die Baubranche hat sie neben den Megatrends wie der fortschreitenden Globalisierung, der stetigen Urbanisierung, der Mobilität und der Nachhaltigkeit bedeutende Auswirkungen. Die vollständige Digitalisierung der Wertschöpfungskette des Bauens – also das Entwickeln und Planen über das Bauen und Ausführen bis hin zum Betrieb und Nutzung eines Gebäudes bzw. einer Infrastrukturmaßnahme – erfolgt sukzessiv. Dabei spielen mit der Digitalisierung im Zusammenhang stehende Technologien wie beispielsweise Robotik, 3D-Druck, Sensorik, virtuelle und erweiterte Realität, der Einsatz von Drohnen und Building Information Modeling (BIM) für Bauprojekte bereits heute und in Zukunft eine entscheidende Rolle.
Im Speziellen wurde der Einsatz von BIM im Baualltag vieler Unternehmen etabliert, forciert durch den Stufenplan „Digitales Planen und Bauen“ des deutschen Bundesministeriums für Verkehr und Digitale Infrastruktur, welcher seit 2020 eine verbindliche Nutzung von BIM bei allen öffentlichen Infrastrukturprojekten in Deutschland vorsieht.
Fehler-, Zeit- und Kostenreduzierung durch
den Einsatz von BIM
Unternehmen und Planer, aber auch Auftraggeber erkennen mehr und mehr die Vorteile dieses Ansatzes: u. a. weniger Fehlplanungen durch digitale Simulation des Bauvorhabens vor Baubeginn, Zeit- und Kostenreduktion durch optimierte Personal-, Material-, Geräte- und Maschineneinsätze, mehr Transparenz während des gesamten Bauablaufs, bessere Kollaboration und Kommunikation und damit massive Arbeitserleichterungen für alle am Bau Beteiligten.
Neben der Verbesserung der Ergebnisqualität macht der Einsatz von BIM die Branche auch insgesamt wieder attraktiver. Doch der Weg zur vollständigen Integration von BIM im Baualltag ist noch nicht abgeschlossen und deshalb bleibt BIM auch 2022 und in Zukunft ein wichtiges Thema für die Bau- und Immobilienwirtschaft, bei dem es notwendig ist, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Hand in Hand gehen.
Digitalisierung nicht als Selbstzweck
Unabhängig von der in Bauprojekten geplanten einzusetzenden Technologie müssen wir aus meiner Sicht eins stets im Auge behalten: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern eine gemeinsame, interdisziplinäre Aufgabe aller Bau-Beteiligten, um einerseits die Anforderungen der Kunden und Nutzer zu erfüllen, aber auch die Komplexität durch die verändernden ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen zu meistern. Um exzellent zu bauen, müssen auch unsere gegenwärtigen Bauprozesse auf den Prüfstand gestellt, auf ihre Sinnhaftigkeit untersucht und gemäß der LEAN-Philosophie zur Ressourcenschonung bzw. Vermeidung von Verschwendung kontinuierlich und pragmatisch angepasst werden. Denn erst wenn die Prozesse optimiert sind, können die Potenziale der Digitalisierung vollständig ausgeschöpft werden. Der Leitsatz, dass aus einem schlechten analogen nie ein guter digitaler Prozess wird, bringt es auf den Punkt.
Wenn wir die Prozesse nachhaltig optimieren wollen, müssen wir unsere Komfortzone verlassen, zu einer besseren Kollaboration kommen, technische Möglichkeiten effizient und ohne bürokratische Hürden einsetzen sowie eine integrale Wertschöpfungskette durch Zusammenführung von Planen und Bauen erreichen. Agile Managementmethoden werden uns helfen, proaktiv auf Fehlentwicklungen zu (re)agieren, um bei der Abwicklung von Bauprojekten das Qualitätsversprechen, die Termintreue und Kostensicherheit einhalten zu können.
Der Mensch als entscheidender Faktor der Digitalisierung
Bei aller Digitalisierung kommt dem Faktor Mensch eine wesentliche Rolle zu. Technisch ist schon vieles machbar. Doch die besten digitalen Lösungen nützen wenig, wenn die Menschen sie nicht kennen und zielgerichtet anwenden können oder möchten. Folglich bildet die Entwicklung digitaler Kompetenzen einen wichtigen Baustein für den Erfolg der Digitalisierung. Gemäß einer PwC-Studie aus dem Jahr 2021 zum Umgang der Baubranche mit aktuellen Herausforderungen (Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Corona-Pandemie) sind neben dem Mangel an fachlichem Know-how bzw. an Fachkräften die interne Akzeptanz von Mitarbeitenden besondere Herausforderungen bei der Nutzung digitaler Lösungen.
Es ist kein Geheimnis, dass wir als Gewohnheitstiere Veränderungen mit Unsicherheit und Skepsis begegnen. Umso wichtiger ist es, dass sich Mitarbeitende in Digitalisierungsmaßnahmen eingebunden fühlen, einen Nutzen für sich erkennen können und die Bereitschaft aufbringen, Neues zu lernen. Denn in Anlehnung an ein Zitat des US-amerikanischen Futurologen Alvin Toffler, der für seine Arbeiten zur Digitalen Revolution bekannt war, werden diejenigen, die bereit sind zu lernen, zu verlernen und wieder von Grund auf neu zu lernen, erfolgreich sein. Digitalisierung, die menschelt lautet die Devise.
Der Blick sollte ergo nicht nur auf die Technologie gerichtet sein, sondern auf die Menschen als ganzheitlich vernetztes System. Gelingt es analoge und digitale Prozesse zu verknüpfen und den notwendigen Prozess des Change Managements sorgfältig zu berücksichtigen, wird die Digitalisierung für die Menschen besser (er-)lebbar und ihre Potenziale werden Früchte tragen. Digitalisierung, die menschelt, bringt uns gerade angesichts der enormen bevorstehenden Herausforderungen zu mehr Exzellenz und Produktivität im Bauen, und zwar nachhaltig.
Implenia Holding GmbH
www.implenia.com
Dr.-Ing. Matthias Jacob ist seit 01.01.2018 Geschäftsführer der Implenia Hochbau GmbH und seit 01.03.2019 Mitglied der Geschäftsleitung der Implenia Gruppe. Nach Studium, Promotion und universitärer Tätigkeit an der TU Dortmund ist er seit 1987 in der Bauwirtschaft aktiv. Er war unter anderem in verschiedenen Managementfunktionen tätig, von 2007 bis 2010 als Vorsitzender der Geschäftsführung der Bilfinger Hochbau GmbH und von 2011 bis 2017 als techn. Geschäftsführer der Wolff & Müller Holding GmbH & Co KG.
Dr. Jacob setzt sich besonders für das Thema Bauwerksqualität in Planung, Umsetzung und Betrieb sowie für einen interdisziplinären Austausch zur Qualitätsoptimierung in Projekten ein. Seit 2005 beschäftigt sich Dr. Jacob intensiv mit den Aspekten der Nachhaltigkeit von Immobilien. Darüber hinaus favorisiert er die schrittweise Prozessoptimierung zur Effektivitätssteigerung im Bauwesen (Lean Management) und hier insbesondere die Einführung und Weiterentwicklung von BIM (Building Information Modeling) – der Digitalisierung in der Wertschöpfungskette Bau. Matthias Jacob ist Vizepräsident Technik des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie sowie Vorstandsvorsitzender des Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein und stellv. Aufsichtsratsvorsitzender der im Februar 2015 gegründeten „plan-bauen 4.0“. Außerdem ist er Mitglied im Präsidium der ZIA. Neben seiner Mitgliedschaft im Beirat des Masterstudiengangs REM und CPM sowie eines Lehrauftrags an der Bergischen Universität Wuppertal hält er Fachvorträge an verschiedenen bundesdeutschen Hochschulen und auf Fachkongressen.