Meilenstein im Hard Rock Tunnelling
Finaler Doppeldurchbruch Follo LineBeim Bau des längsten Eisenbahntunnels Norwegens wurde jetzt ein Meilenstein für die maschinelle Vortriebstechnologie im Hard Rock Tunnelling gesetzt. Bislang wurden lange Eisenbahntunnel traditionell nur im Sprengbetrieb vorangetrieben.
Beim Follo Line Projekt überzeugt Maschinentechnik nun selbst im extrem harten norwegischen Fels auf ganzer Linie. Vier Tunnelbohrmaschinen (TBM) von Herrenknecht fuhren gleichzeitig zwischen Oslo und Ski zwei rund 20 Kilometer lange Eisenbahntunnel auf. Der finale Doppeldurchbruch der Doppelschild-TBM „Anna“ und „Magda“ beendete kürzlich die taffe Mission erfolgreich und spektakulär. Mit dem finalen Doppeldurchstich der beiden Tunnelbohrmaschinen (Doppelschild-TBM, Durchmesser 9.900 Millimeter) im norwegischen Ski sind die beiden jeweils rund 20 Kilometer langen Tunnelröhren des Eisenbahnprojekts Follo Line komplett aufgefahren. Damit wurden die Vortriebsarbeiten am derzeit größten Infrastrukturprojekt des Landes abgeschlossen. Die ersten beiden Herrenknecht-TBM „Queen Eufemia“ und „Queen Ellisiv“ hatten ihr Ziel bereits Mitte September des vergangenen Jahres im gegenüberliegenden Oslo erreicht.
Extrem hartes Gestein
Lautstark feierten die Mineure zusammen mit Gästen den Moment, als die Schwestermaschinen nach je rund neun Kilometern im norwegischen Hartgestein die letzten Zentimeter Fels mit höchster Präzision knackten. Seit Herbst 2016 hatten sich „Anna“ und „Magda“ durch extrem harten norwegischen Gneis gebissen. Im Land des bisher vom konventionellen Sprengvortrieb dominierten Tunnelbaus stellt der erfolgreiche Projektabschluss einen wichtigen Meilenstein für die maschinelle Vortriebstechnik dar.
Keine Belastungen des Verkehrs
„Wenn wir zukunftsfähig bleiben wollen, dürfen wir nicht einfach sagen: Wir machen es so, wie wir es immer schon gemacht haben“, erläutert Anne Kathrine Kalager, Projektleiterin von Bauherr Bane NOR. „Wir müssen immer weiter nach den besten Methoden suchen – und es hat sich herausgestellt, dass TBM in diesem Projekt entscheidende Vorteile haben.“ Denn mit Drill & Blast hätte es insgesamt sieben, für den Lastverkehr teils schwer zugängliche Baustellen in der Metropolregion gebraucht, womit eine große Belastung für Verkehr und Anwohner einhergegangen wäre. Die TBM-Lösung kommt dagegen mit nur einem zentralen Angriffspunkt aus. Die Großbaustelle Åsland an der Erdoberfläche verbinden zwei 900 Meter lange Zugangstunnel mit zwei unterirdischen Kavernen. Von dort bohren sich je zwei Maschinen nach Süden und nach Norden, um die beiden Tunnelröhren zu schaffen. Kalager geht davon aus, dass von der Follo Line ein Signal für weitere Projekte in Norwegen ausgehen wird.
Das Joint Venture Acciona Ghella ist von der norwegischen Regierungsbehörde für Eisenbahnverkehr (Bane NOR) mit dem Bau des Hauptteils des Tunnels an der Follo Line (EPC TBM) beauftragt. Ab Ende 2022 sollen Schnellzüge mit bis zu 250 Stundenkilometern durch die zwei neuen Tunnelröhren fahren. Die Fahrzeit zwischen Oslo und der 22 Kilometer südlich gelegenen Gemeinde Ski wird sich von 22 auf 11 Minuten reduzieren. Für die norwegische Hauptstadt mit ihren 600.000 Einwohnern und die Region rund um Ski, die ein Bevölkerungswachstum von 30 Prozent bis 2025 erwartet, ist die Follo Line eine Lebensader der Zukunft.
Doppelschild-TBM im Einsatz
Um die knallharte Mission im extremen Hartgestein mit bis zu 300 MPa Druckfestigkeit zu meistern, kamen Doppelschild-TBM von Herrenknecht zum Einsatz. Die technisch sehr anspruchsvollen Tunnelvortriebsmaschinen vereinen die Funktionsprinzipien von Gripper und Einfachschild-TBM in einer Maschine. Sie können gleichzeitig bohren und den frisch gebohrten Tunnel mit Ringen aus Stahlbetonsegmenten auskleiden – bei der Follo Line wurden 140.000 dieser Segmente, auch Tübbinge genannt, gesetzt.
Der Vortrieb steht und fällt mit der Güte der Schneidrollen. Die Cutter Disken aus Spezialstahl, 19 Zoll im Durchmesser und jede bis zu 372 Kilogramm schwer, werden mit bis zu 32 Tonnen Druck gegen den extrem abrasiven Fels gedrückt. „Der Verschleiß der Schneidrollen war enorm“, betont Matthias Flora, Hartgesteinsexperte bei Herrenknecht. Bis zu 50 Herrenknecht-Cutterexperten bereiteten in Schwanau über die gesamte Projektlaufzeit in Summe knapp 8.000 abgenutzte Schneidrollen der vier Maschinen professionell für den Wiedereinsatz in Norwegen auf. „In enger Abstimmung mit dem Kunden haben wir uns immer weiter an die optimalen Parameter für die Schneidrollen für dieses Projekt herangetastet“, erläutert Flora die besonderen Projektherausforderungen.
Hohe Vortriebswerte gemeistert
„Jede kleinste Verbesserung an den Disken zählt. Wenn wir durch ein optimales Cutter Management nur einen Tunnelring pro Tag und Maschine mehr machen können, summiert sich das am Ende auf zwei bis drei Monate Vorsprung auf die geplante Projektzeit“, erklärt Fernando Vara, Projektdirektor im bauausführenden Acciona Ghella Joint Venture. Dank regelmäßiger Wartung und hervorragendem Teamwork konnten in Norwegen konstant hohe Vortriebswerte und Bestleistungen von bis zu 155 Metern pro Woche erzielt werden. Solche Vortriebsleistungen sind im Hartgestein nur mit besonders starken und robusten Maschinen zu bewältigen. So wurde jeder der vier 265 Tonnen schweren Bohrköpfe von 13 Motoren mit einer Antriebsleistung von je 4.550 kW angetrieben, das sind jeweils 475 PS.
Herrenknecht AG
Maschinentyp: 4x Doppelschild-TBM › Schilddurchmesser: 4x 9.900 mm › Antriebsleistung: 4x 4.550 kW › Vortriebslänge:1x 8.881 m 1x 8.892 m 1x 9.113 m 1x 9.128 m › Geologie: Festgestein, Gneis › Bauherr: Bane NOR › Kunde: AGJV Acciona Ghella Joint Venture