Murphys Gesetz am Bau
„Alles was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“. So lautet Murphys Gesetz, das offenbar auf den Captain der US Air Force Edward A. Murphy zurückgeht. In seinem Fall ging es um ein fehlgeschlagenes Experiment der Luftwaffe.
Aber man kann das Gesetz getrost auch auf den Bau übertragen. Es gibt so viele Bauprojekte, die daneben gehen, dass man dahinter schon fast eine Gesetzmäßigkeit erkennt. Diesem Crash-Thema möchten wir uns im Kommentar zu den Bilanzen der größten deutschen Baugruppen widmen. In diesem Heft besprechen wir die Ergebnisse von Hochtief und Bilfinger in 2011, in der nächsten Ausgabe geht es um Strabag, Züblin, Bauer und Max Bögl. Es vergeht kein Jahr, ohne dass gleich mehrere von diesen Baukonzernen irgendwo auf der Erde mit Projekten Schiffbruch erleiden. Die Missstände können zu hohen Verlusten führen. Letztes Jahr ereilte es vor allem Hochtief, der größten deutschen Baugruppe. Bei der australischen Tochter Leighton, die den höchsten Umsatz im Konzern ausmacht, taten sich zwei große Löcher auf: das Straßenprojekt Airport Link in Brisbane und eine Meeresentsalzungsanlage im Bundesstatt Victoria. Hochtief erlitt dadurch in 2011 einen Nettoverlust von 160 Mio. Euro. Bilfinger, die Nummer Zwei, kam besser davon, aber im Juni 2012 musste ein Public-Private-Projekt für den Bau eines Gefängnisses, wiederum in Australien, Insolvenz anmelden. Bilfinger muss den Eigenkapitalanteil von 15 Mio. Euro voll abschreiben. Strabag erlitt einen zweistelligen Millionenverlust mit dem Bau eines Autobahnteilstücks in Dänemark. Das Gelände erwies sich als moorig. Züblin kassierte auch zweistellige Verluste, ohne die notleidenden Baustellen zu nennen. In der Vergangenheit hatte Züblin im Mittleren Orient Lehrgeld bezahlen müssen: der Bau der Universität von Beirut und eines Flussdamms in Pakistan zogen sich lange hin. Bilfinger erlitt in früheren Jahren hohe Verluste mit mehreren Vorhaben, einer Straße in Südnorwegen, die durch den Fels gesprengt werden musste, mit dem Bau und Betrieb eines Mauttunnels in Sydney, der von den Autofahrern nicht angenommen wurde, und dem U-Bahn-Bau von Köln, wo das Stadtarchiv einstürzte.
Vorbeugende Politik nötig
Diese Fehlschläge können viele Ursachen haben. Manche sind wirklich schwer vorhersehbar. Fatalismus ist aber fehl am Platz. Risiken kann man steuern. Aber ein Restrisiko bleibt immer. Beim Bau des Gotthard-Basistunnels hat es zum Beispiel böse Überraschungen gegeben. Trotz modernster Technik können die Geologen nicht immer wissen, ob sie mürbes Gestein oder harter Fels erwartet. Es wäre ungerecht, die Ingenieure dafür zu schelten. Gerade die deutschen Tunnelbauer sind eine verschworene Gemeinschaft, die weiß was sie kann. An sie wird appelliert, wenn man es irgendwo auf der Welt mit einem schwierigen, unstabilen Untergrund zu tun hat. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, greifen die Unternehmen hart durch. So entließ Hochtief wegen des Australien-Desasters den Chairman und den CEO von Leighton. Aber auf Pleiten dieser Art nur zu reagieren, ist nicht zielführend. Eine präventive Politik ist vorzuziehen. Züblin handelte klug, indem sich die Gruppe aus unruhigen Weltregionen zurückzog, wo staatliche Auftraggeber in Verzug geraten, innere Unruhen die Fertigstellung unterbrechen oder mangelnde Rechstaatlichkeit die faire Begleichung von Rechnungen verhindert. Bilfinger musste lange Jahre mit dem thailändischen Staat wegen der Bezahlung der Stadtautobahn von Bangkok streiten.
Radikale Abkehr von Bilfinger
Bilfinger zog die radikalste Konsequenz: der klassische Baukonzern verwandelte sich durch Zukäufe in ein Ingenieur- und Serviceunternehmen. Der verbliebene Geschäftsbereich Building vermeidet es bewusst, im Hochbau das Risiko des Generalunternehmers zu übernehmen. Offenbar waren dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Herbert Bodner die regelmäßigen Pleiten mit großen Bauprojekten unter die Haut gegangen und er beschloss, das Baugeschäft zurückzufahren. Man kann sich fragen, ob er damit nicht das Kind mit dem Bad ausgeschüttet hat. Im Servicebereich, wohin er expandierte, sind die Margen allerdings höher und die Risiken geringer. Andere Bauunternehmen wie Züblin, das größte Schlüsselfertigbau-Unternehmen in Deutschland, tun genau das Gegenteil: dank einer hohen Ingenieurexpertise setzen die Stuttgarter auf ihr Know How, unter anderem beim Bau von Shopping Centern. Die Firma kann hunderte qualifizierte Mitarbeiter zu einer Baustelle abkommandieren. Züblin ist auch Generalunternehmer beim Projekt S 21, dem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Die Strategie scheint sich bisher auszuzahlen, sonst wäre der Gewinn von Züblin in den letzten beiden Jahren nicht so stark gestiegen. Das allgemeine Baugeschäft wird risikobehaftet bleiben. Jedes Bauwerk ist ein Unikat. Ganze Konzerne wie Holzmann und Walter Bau sind pleite gegangen, weil sie die Kontrolle über Verlustbaustellen verloren hatten. Die Zentrale wusste nicht mehr, was in den regionalen Geschäftsstellen los war. Ein besseres Baustellen- und Konzernmanagement ist eine absolute Notwendigkeit.