Spanische Verhältnisse bei Hochtief
Der Essener Bauriese wird Übernahme durch ACS
schwerlich verhindern können
Sangria statt Glühwein, Paella statt Schnitzel: die Mitarbeiter von Hochtief werden wohl demnächst ihre kulinarischen Vorlieben wechseln müssen. Trotz der deutschen Widerstände scheint die Übernahme durch die spanische Baugruppe ACS, die der Essener Vorstand als „unfreundlich“ betitelt, unausweichlich zu sein.
Wäre das wirklich so schlimm? Da kann man geteilter Meinung sein. Tatsächlich gibt es zwei Lager. Der Vorstand und der Betriebsrat von Hochtief, die neue rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie möchten die Operation verhindern. Hingegen sehen die Bundesregierung und die meisten Baufirmen, die den Primus der Branche nicht mögen, die Angelegenheit gelassen. Immerhin hat ACS versprochen, Hochtief nicht zu zerschlagen und den Unternehmenssitz in Essen zu belassen. Die Bitterkeit des Hochtief-Chefs Herbert Lütkestratkötter kann man menschlich gut nachvollziehen. Die Spanier hatten ihm offenbar zugesichert, den Anteilsbesitz bei 29,9 Prozent, also unterhalb der Schwelle eines Pflichtangebots an den Streubesitz zu belassen. Warum die Madrilenen ihre Meinung geändert haben, weiß man nicht. Das Problem ACS hatte der Vorstandsvorsitzende von seinem Vorgänger Hans-Peter Keitel geerbt; den hatte bereits Baron von Finck reingelegt, der seine eigene Beteiligung verfrüht an die Spanier abgegeben hatte. Ursprünglich hatte Hochtief zu RWE gehört; in den letzten Jahren hatte die Konzernmutter die Bautochter am kurzen Zügel gehalten und nach dem Börsengang hatte sich Hochtief über die neugewonnene Unabhängigkeit gefreut.
Keine qualifizierte Sperrminorität
Allerdings sind Unternehmen, die ohne Großaktionär dastehen, verwundbar. „Ein solcher Angriff kann jeden in Deutschland treffen, dem eine qualifizierte Sperrminorität fehlt“, sagte der Präsident des Hauptverbands der Bauindustrie, Herbert Bodner, der Frankfurter Allgemeinen. Der Vorstandsvorsitzende von Bilfinger Berger weiß, wovon er spricht. Vor Jahren ist die Dresdner Bank als Großaktionär von Bilfinger Berger ausgestiegen und seitdem ist die Mannheimer Baugruppe ebenso exponiert wie Hochtief. In der Nachkriegszeit hatte ein schwer durchschaubares Geflecht an Beteiligungen feindliche Übernahmen erschwert, aber diese Zeiten wünscht sich keiner zurück. Besonders die Exportnation Deutschland muss freien Märkten das Wort reden. Hochtief kann sich natürlich gegen eine als feindlich empfundene Übernahme wehren. Allerdings waren die bisherigen Maßnahmen wenig erfolgreich. Es hat sich kein weißer Riese gemeldet, der bereit wäre, die Mehrheit an Hochtief zu erwerben. Bodner hat wohl gesagt, Bilfinger Berger könnte sich einer koordinierten Hilfe zugunsten von Hochtief anschließen, „wenn es eine entsprechende Initiative gäbe“. Aber bisher hat es die nicht gegeben und es wird sie wohl auch nicht geben. Nur große Baukonzerne wie die Franzosen Vinci und Bouygues könnten eine solche Aktion stemmen. Will man sich die ins Land holen?
Der Staat kann nicht helfen
Das Vorgehen von ACS ist legal. Das deutsche Übernahmerecht ist eindeutig. Außerdem beugte sich der Spanier dem Wunsch der deutschen Aufsichtsbehörde Bafin und beschloss eine hohe Kapitalerhöhung. Nordrhein-Westfalen fand im Bundesrat keine Mehrheit für seine Initiative, das „Einschleichen“ von Investoren in Unternehmen zu verhindern. Bodner verwarf die Idee des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, die Bundesregierung solle aktiv ein Konsortium aufstellen, das eine Sperrminorität an Hochtief übernimmt. „Der Staat kann keinem Unternehmen eine Bestandsgarantie geben“, sagte er der FAZ. Er sieht nur die langfristige Anstrengung, die im internationalen Vergleich niedrigen Börsenwerte anzuheben. Die niedrige Börsenkapitalisierung macht selbst erste Adressen wie die Deutsche Bank oder die Lufthansa anfällig. Die Kurse der börsennotierten Bauunternehmen leiden bereits seit Jahren unter der schlechten deutschen Baukonjunktur. Aufschwünge wie die der Automobilaktien scheinen unmöglich zu sein. Ob die Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmen da groß weiterhelfen wird, mag man zu Recht bezweifeln.
Hochtief muss die eigene
Attraktivität erhöhen
In Deutschland fehlt es an einer Aktienkultur wie in den angelsächsischen und skandinavischen Ländern. Hochtief muss sich selber helfen. Lange Jahre galt das Untenehmen als unattraktiv, weil der Konzerngewinn zu niedrig war. Jetzt, in einem sehr späten Stadium, steuert die Gruppe endlich dagegen. Wohl wird das Ergebnis 2010 nur leicht über Vorjahr liegen, aber für die nächsten Jahre 2011 bis 2013 kündigte Hochtief mittels Anteilsveräußerungen ein jährliches Vorsteuerergebnis von rund einer Mrd. Euro an (2009: 601 Mio. Euro). Ob diese deutlich verbesserten Perspektiven die Streubesitz-Aktionäre überzeugen werden, das ACS-Angebot abzulehnen, und den Spanier daran hindern werden, die Mehrheit zu übernehmen, ist ungewiss. Aber es scheint der einzig gangbare Weg zu sein.
Marcel Linden,
Bonn
... in Deutschland ist die viel zu niedrige Börsenkapitalisierung oft das Problem!