Neue Entwässerung für ein Welterbe
Rund 3500 m schadhafter Kanäle hat die Diringer&Scheidel Rohrsanierung GmbH & Co. KG im Rahmen eines Pilotprojektes auf dem Gelände der Kokerei Zollverein mit dem DS CityLiner saniert.
Bei dem Verfahren wird ein außenseitig PU-beschichteter Nadelfilzschlauch unmittelbar vor dem Einbau auf der Baustelle in einer eigens dafür konstruierten Mischanlage mit Epoxidharz getränkt, kontrolliert kalibriert und dann mit Wasserdruck im Inversionsverfahren in die vorbereitete Haltung eingebracht. Das wirtschaftliche und flexible Sanierungsverfahren hatte sich in einer Machbarkeitsstudie der Essener bPLAN Ingenieurgesellschaft vor allem unter ökologischen und ökonomischen Aspekten gegen einen kompletten Neubau des Kanalnetzes durchgesetzt. Die Sanierungsarbeiten, die neben dem Einzug von Schlauchlinern im Nennweitenbereich von DN 200 bis DN 900 die händische Sanierung eines rund 420 m langen begehbaren Kastenprofils sowie die Auskleidung von rund 90 Schachtbauwerken umfasste, konnten zur vollsten Zufriedenheit des Auftraggebers abgeschlossen werden: Bei allen 24 Haltungen waren sowohl bei den Materialkennwerten als auch bei der Dichtigkeit die ermittelten Werte deutlich besser als die geforderten Sollvorgaben.
UNESCO-Liste des Welterbes
Die Kokerei Zollverein wurde in den Jahren 1957-61 in Anbindung an den Schacht XII der Zeche Zollverein errichtet. Mitte der 1960er Jahre erreichte die Kokerei erstmals ihre Höchstkapazität von 5000 t Koks pro Tag. Anfang der 1970er Jahre wurde sie zu einer der weltweit größten Anlagen ausgebaut. Rund 1000 Menschen arbeiteten in Spitzenzeiten hier, viele davon im Schichtbetrieb. Im Zuge der großen Stahlkrisen und dem damit verbundenen Rückgang der Produktion, wurde die Kokerei im Juni 1993 stillgelegt. Im Jahr 2000 wurde die Kokerei Zollverein mit den Bereichen der Koksproduktion (schwarze Seite) und der chemischen Produktion zur Gewinnung der Nebenprodukte (weiße Seite) unter Denkmalschutz gestellt. 2001 folgte der Eintrag der Zeche Zollverein Schacht XII und Schacht 1/2/8 sowie der Kokerei Zollverein in die UNESCO-Liste des Welterbes.
Machbarkeitsstudie als Grundlage
Bei der weiteren städtebaulichen Entwicklung der einzigartigen industriellen Kulturlandschaft steht unter anderem eine nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft im Fokus. Vor dem Hintergrund einer Machbarkeitsstudie, die den Umbau der Abwasseranlagen der Kokerei Zollverein unter Berücksichtigung einer naturnahen Regenwasserbewirtschaftung zum Gegenstand hatte, beschlossen Emschergenossenschaft und Stiftung Zollverein die vorhandenen Mischsysteme des Gesamtbereiches Zollverein näher untersuchen zu lassen. „Hierbei standen die Entflechtung unterschiedlich belasteter Wasserströme, insbesondere Schmutz- und Regenwasser, eine naturnahe Regenwasserbewirtschaftung unter den Randbedingungen einer altindustriellen Fläche, die Behandlungsbedürftigkeit des Regenwassers vor Einleitung ins Gewässer sowie die Einsparpotentiale bei der baulichen Sanierung des vorhandenen Abwassernetzes durch Entflechtung des Mischsystems besonders im Blickpunkt“, erläutert Dipl.-Ing. Peter Günster, Objektplaner bei der bPLAN Ingenieurgesellschaft. Bisher existierten auf dem Kokereigelände in weiten Teilbereichen für das Mischsystem zwei parallel verlaufende Kanäle. „In einem so genannten „Tageswasserkanal“ wurden das anfallende Schmutzwasser sowie das Niederschlagswasser der bebauten und befestigten Flächen abgeleitet“, so Günster weiter. „Der „Betriebswasserkanal“ hatte die Aufgabe, die betrieblichen Abwasser der Kokerei zu sammeln und abzuleiten. Beide Systeme mündeten in die im nordöstlichen Bereich befindliche Kokerei-Kläranlage. Von der ehemaligen Kläranlage aus flossen sämtliche Abwässer im Mischsystem durch den teilweise offenen Kokereigraben zum verrohrten Katernberger Bach. Für den Bereich Schacht XII bestand ein Mischwasserkanalsystem, ein Betriebswasserkanal war dort nicht vorhanden.“
Wirtschaftlich und flexibel
Im Zuge der Ausführungsplanung der mit Mitteln des Landes und der Emschergenossenschaft geförderten Abkopplungsmaßnahmen wurde das vorhandene Kanalnetz komplett untersucht und ein umfangreiches Sanierungskonzept erstellt. Dabei hat sich die bauliche und hydraulische Aussanierung des Tageswasserkanals als zukünftig öffentlichen Mischwasserkanal und Sanierung des Betriebswasserkanals als privaten Regenwasserkanal der Stiftung mit Einleitung in den Katernberger Bach sowohl ökologisch als auch ökonomisch als die eindeutige Vorzugsvariante herausgestellt. Auftraggeber und Planer entschieden sich deshalb, einen Großteil der vorhandenen Kanalisation mit einem Schlauchliner zu sanieren. Zu den nennenswerten Vorteilen dieses Verfahrens zählt für Dipl.-Ing. Rüdiger Rang, Objektüberwachung bPLAN Ingenieurgesellschaft, „neben der sehr kurzen Einbauzeit der Umstand, dass im Gegensatz zu Sanierungsmaßnahmen in offener Bauweise Aufgrabungen weitestgehend entfallen.“ Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeiten auf dem ehemaligen Zechengelände.
Alle Anforderungen erfüllt
Insgesamt wurden rund 3500 m des alten Leitungsnetzes – es bestand aus Beton- und Steinzeugrohren in Nennweiten von DN 200 bis DN 900 – mit Schlauchlinern saniert. Bei dem Verfahren wird ein außenseitig PU-beschichteter Nadelfilzschlauch unmittelbar vor dem Einbau auf der Baustelle in einer eigens dafür konstruierten Mischanlage mit einem Epoxidharz getränkt, kontrolliert kalibriert, und dann mit Wasserdruck im Inversionsverfahren in die vorbereitete Haltung eingebracht. Das Ergebnis ist ein Produkt, dessen Standard und Qualität allen Anforderungen in punkto Dichtheit, statischer Tragfähigkeit und hydraulischem Abflussverhalten gerecht wird. „Das zeigte sich auch bei den Auswertungen der Baustellenproben“, erläutert Bauleiter Dipl.-Ing. Jens Wahr, Diringer&Scheidel Rohrsanierung GmbH&Co. KG, NL Herne. „An gekrümmten Prüflingen, die aus der Baustellenprobe entnommen wurden, wurden unter anderem die Kurzzeitwerte der Biegefestigkeit und des Biege-E-Moduls ermittelt. Die Ergebnisse waren hervorragend.“
Mobile Tränkstation
Die Mischanlage ist im so genannten DS CityLiner untergebracht. Die mobile Tränkstation verfügt über je einen Harz- und einen Härtertank. „Sie sind klimatisiert, um die Harztemperaturen unabhängig von den Außentemperaturen auf einem definierten Stand zu halten“, so Wahr weiter. Die Überwachung erfolgt über integrierte Messgeräte. Regelbare Förderpumpen sorgen für den Transport der erforderlichen Harz- und Härtermengen zum Zwangsmischer. Nun werden die Komponenten unter Luftausschluss zusammengeführt und in den Filzschlauch eingebracht. Der vorbereitete Inliner wird dann mit Wasserdruck im Inversionsverfahren in die zu sanierende Haltung eingebracht. Durch Aufheizen des bei der Inversion benutzten Wassers erfolgt die Aushärtung des Epoxidharz-Systems. Nach dem Aushärten werden – falls vorhanden – verschlossene Kanalanschlussleitungen mit dem KA-TE-Roboter geöffnet. Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurden zusätzlich rund 90 Schächte saniert und mit einer mineralischen Beschichtung versehen. Hinzu kam die händische Beschichtung des 420 m langen abgedeckelten Kokereigrabens. „Es handelt sich um ein begehbares Kastenprofil mit Trockenwetterrinne“, erläutert Bauleiter Rang. „Nach einer Hochdruckreinigung und der Reprofilierung der Sohle wurde der Untergrund – insbesondere die freiliegende Bewehrung – vorbehandelt und anschließend mit Spritzbeton ausgekleidet.
Die Sanierungsarbeiten auf dem Gelände der Zeche Zollverein konnten zur Zufriedenheit der Auftraggeber abgeschlossen werden. Nach Fertigstellung der Abkopplungsmaßnahmen sind sämtliche Abwasseranlagen gemäß den allgemeinen Regeln der Technik saniert und die Dichtheit der Schmutz- und Mischsysteme ist nachgewiesen. Neben den umfangreichen Arbeiten in grabenloser Bauweise zählten die Neuverlegung eines Abwasserkanals DN 500, diverse Umklemmarbeiten von Schmutz- und Regenwasserkanälen, die Einrichtung von Pumpenanlagen und eines Regenrückhaltebeckens sowie der Bau einer Druckwasserleitung und eines Bodenfilters zu den wichtigsten Bausteinen des umfangreichen Sanierungskonzeptes.
Diringer&Scheidel Rohrsanierung GmbH & Co. KG