Sanierungstechnik zum Anfassen
17. Deutscher Schlauchlinertag und 8. Deutscher ReparaturtagAn zwei Tagen wird die Stadthalle in Troisdorf wieder zu einem Marktplatz für Ideen und den Austausch für Erfahrungen von Anwendern und kommunalen Netzbetreibern bei Renovierungs- und Sanierungsarbeiten an der Kanalisation.
Sanierungstechnik zum Anfassen – so könnte das Motto des 17. Deutschen Schlauchlinertages und des 8. Deutschen Reparaturtages lauten. Die beiden Veranstaltungen, die inhaltlich ineinandergreifen, sollen am 2. und 3. April 2019 in der Stadthalle in Troisdorf die Praxis in den Vordergrund stellen. Anwender und kommunale Netzbetreiber berichten von ihren Erfahrungen, Unternehmen stellen Neuerungen vor und auch den forumsbegleitenden Fachausstellungen und den moderierten Außenvorführungen wird wieder ausreichend Platz eingeräumt.
Grenzen noch nicht erreicht
Das schafft viel Raum für den Austausch untereinander: „Gerade die kritische Auseinandersetzung sorgt für Impulse, welche die Branche zu Weiterentwicklungen von Verfahren und Technik anregt“ – davon sind Organisator Dr.-Ing. Dipl.-Math. Igor Borovsky, Vorsitzender der Technischen Akademie Hannover e. V. (TAH) und Geschäftsführer des Verbandes Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB), Dipl.-Ing. Franz Hoppe, lange in verantwortlicher Position bei der Hamburger Stadtentwässerung tätig, und Dipl.-Ing. Michael Hippe, Vorstandsvorsitzender des VSB, überzeugt. Einer Meinung sind sie sich auch darin, dass Schlauchlinertag und Reparaturtag zusammengehören, da nahezu bei jeder Sanierung von Schlauchlinern Reparaturtechniken benötigt werden und zum Einsatz kommen.
Renovierungs- und Reparaturarbeiten an der Kanalisation verfügen über einen hohen Standard und haben sich als Alternative zur Erneuerung etabliert. Mit Blick auf weitere Anwendungsmöglichkeiten, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit feilen Hersteller und Anwender an der Weiterentwicklung ihrer Produkte – ein Beleg dafür, dass in puncto Leistungsfähigkeit von Technik und Verfahren die Grenzen noch nicht erreicht worden sind.
Der Schlauch ist „in“
Das zeigt auch die Entwicklung beim Schlauchliner: Was ist der Status quo bei Verkaufszahlen, Anwendungsbereichen oder Normung und Regelwerk? „Zwar ist vieles bereits durchdekliniert, doch Weiterentwicklungen und Erfahrung im Umgang mit der Technik erfordern eben immer Anpassungen im Regelwerk“, ist Igor Borovsky überzeugt. Schlauchlining ist angesagt. Grund hierfür ist die Standardisierung. „Die Vorfertigung im Werk ermöglicht eine wirtschaftliche Anwendung und das gute Kosten-Nutzen-Verhältnis hat die Netzbetreiber überzeugt, so dass die Verkaufszahlen jahrelang stetig nach oben gingen“, so Borovsky weiter.
Neue Einsatzgebiete
Insbesondere das öffentliche Kanalnetz ist ein Hauptanwendungsbereich für den Schlauch. Das gilt für den nicht begehbaren Bereich in klassischen Nennweiten von DN 200 bis 800 und für den begehbaren Bereich in Nennweiten darüber. Grundsätzlich gilt, dass die realisierbaren Nennweiten immer größer werden. Mit Nadelfilzlinern wurden bereits Haltungen von DN 2400 renoviert. Die UV-lichthärtenden Schlauchliner ziehen nach: Mit der Verbesserung von Aushärteintensität und -geschwindigkeit sind Nennweiten bis 1500 Millimeter möglich, und bei den Wandstärken hat die Grenze des Machbaren die 20 Millimeter überschritten. Hinzu kommt: Mit zunehmender Bogengängigkeit eröffnet sich der Schlauch neue Einsatzgebiete – etwa innerhalb von Gebäuden – ein Bereich, der besonderen technischen Anforderungen und strengen bautechnischen Regeln unterliegt.
Kritische Auseinandersetzung
Der Schlauchliner hat den Status eines Hightech-Produktes erreicht. Dementsprechend schwieriger wird die Gratwanderung hin zu dünner, größer, schneller. Jeder Hersteller versucht, im Rahmen der Normung sein Produkt zu verbessern und Produkteigenschaften weiter auszureizen – das ist legitim, birgt aber auch Risiken. „Dieser Problematik werden wir uns bewusst stellen“, so Franz Hoppe. Gleichwohl ist er davon überzeugt, dass nur auf diesem Weg eine weitere technische Entwicklung möglich sein wird. Und beim Einsatz kommt es dann auf alle Baupartner an. Entscheidend ist schon die Planung: Das Altrohr muss genau erfasst werden, um zielgerichtet zu planen und die richtige Lösung zu finden. Hier setzt der Schlauchlinertag in zweierlei Hinsicht Akzente: Wie gehe ich planerisch vor und wo muss das Regelwerk – insbesondere mit Blick auf die europäische Normung – gegebenenfalls angepasst werden?
Qualität im Fokus
Vorträge über Qualitätssicherung beschäftigen sich mit Anforderungen an die Probeentnahme, den Materialkennwerten und ihrer Bedeutung für Statik und Ausschreibung sowie der Bedeutung von Linerfalten. Wo, wer, wie, was – die Probeentnahme ist ein zentraler Punkt beim Einsatz eines Schlauchliners, immerhin geht es um die Bestätigung der geforderten Kennwerte. Dementsprechend wird die Qualität durch eine Prüfung im Labor abgesichert.
Auf die Sichtweise kommt es an
Unwägbarkeiten gibt es bei der Bewertung der Bauleistung. Welche Bedeutung haben Falten bei der Abnahme der Haltung. Dass der Liner keine Falten zeigt, ist nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal. Liegt der Liner überhaupt an der alten Rohrwandung an oder ist vielleicht der zulässige Ringspalt überschritten und die statischen Eingangswerte stimmen nicht? Oft kommt es auf die Betrachtungsweise an. Haben vorhandene Falten Auswirkungen auf Statik und Hydraulik – ist die Funktionstüchtigkeit beeinflusst? Das vorhandene Regelwerk macht hier eindeutige Angaben.
Grundlagen und Technik zum Anfassen
Parallel zu den Vorträgen findet das Einsteigerforum statt, das mit Grundlagen, Einsatzgrenzen und Erfahrungen bei Hauptkanälen und den Möglichkeiten des Schlauchlinings auf Grundstücken und bei Hausanschlussleitungen eine Basis für die fachliche Auseinandersetzung mit dem Verfahren schafft. In Kurzvorträgen werden Hersteller und Anwender über technische Weiterentwicklungen in den Unternehmen berichten. Das schafft ebenso wie die begleitende Fachausstellung eine ideale Plattform, um mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen. Zudem laden die moderierten Außenvorführungen die Teilnehmer zum intensiven Austausch mit Herstellern ein. Dann stehen wieder Technik und Praxis im Mittelpunkt. Die Kalibrierung von Altrohren ist eine Voraussetzung für fehlerfreie Liner. Insbesondere bei geringen Wanddicken sind detaillierte Kenntnisse über das Altrohr notwendig. „Eine gute Vorarbeit sorgt an dieser Stelle für ein gutes Sanierungsergebnis“, erklärt Hoppe. „Deshalb sollte der Blick der ganzen Haltung gelten und nicht nur dem Anfang und dem Ende.“ Mit einem Blick auf die Entwicklung bei der Sanierung von Schächten im Schlauchliningverfahren – hier werden Lösungsmöglichkeiten einschließlich der Gerinneauskleidung vorgestellt – und dem Dauerbrenner „Anbindungstechniken für den Schlauchliner“ geht der erste Veranstaltungstag zu Ende.
Reparaturen gehen online
Mit neuem Einstieg präsentiert sich der 8. Deutsche Reparaturtag. Unter dem Titel „Anforderungen heute und morgen“ wird auf den Stand der Dinge bei der Normenarbeit eingegangen und Klassifizierungen von Techniken und Materialien sowie aktuelle Entwürfe nationaler und internationaler Normarbeit vorgestellt. Danach steht die digitale Reparaturbaustelle „Wasserwirtschaft 4.0“ im Fokus. Vergabeplattformen, XRechnungen, BIM-Ansätze und Cloudlösungen bilden inhaltliche Schwerpunkte. „Wir müssen die Voraussetzungen für eine intelligente Vernetzung von Bestandssystemen schaffen“, erläutert Michael Hippe. Die E-Vergabe sei den meisten geläufig, so Hippe weiter. „Die Kenntnisse über Anforderungen an digitale Rechnungen sind bei vielen dagegen nicht vorhanden. Aber das Thema wird auf uns alle zukommen.“
Schächte im Fokus
Auch der Reparaturtag räumt dem Thema Schachtsanierung ausreichend Platz ein. „Schächte – die besonderen Sanierungsobjekte“ ist ein Vortragsblock vielsagend überschrieben. Lassen sich Abwasserschächte überhaupt dauerhaft dicht sanieren? Mörtelbeschichtung, Kunststoffbeschichtung, Auskleidung – wo liegen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren, welche Qualität ist zu erwarten und was gilt es zu beachten?
Kurzliner
Zudem berichten kommunale Netzbetreiber über ihre Erfahrungen mit Reparaturverfahren in der Praxis. Wie über den Einbau von Kurzlinern. Klar scheint zu sein, dass die Ausführungsrisiken vor allem im Bereich der vorbereitenden Arbeiten liegen. Hinzu kommen Risiken in der Vorbereitung des Technikeinsatzes und beim Technikeinsatz selbst.
Roboter, Manschetten, Flutungsverfahren
Das gilt auch für andere Klassiker aus der Gruppe der Reparaturverfahren. Bei den Spachtel- und Verpressverfahren handelt es sich um eine Domäne der Roboter. Sie sind universell für verschiedenste Arbeitsschritte einsetzbar, stoßen bei Schadensbildern wie Scherbenbildung auch an ihre Anwendungsgrenzen. Genauso erfolgreich lassen sich Innenmanschetten bei punktuellen Schäden im Kanal einsetzen. Mit dem Flutungsverfahren wird auch ein im öffentlichen Bereich weniger verbreitetes Verfahren behandelt, welches im Grundstücksbereich abschnittsweise eingesetzt wird.
Neuland betreten
Neuland betritt der Reparaturtag mit dem Thema „Die Sanierung der Sanierung“ – ein Sachverhalt, „der in den nächsten Jahren zunehmend auf Netzbetreiber und Planer zukommen wird“, ist Hippe überzeugt. Die meisten Verfahren wurden für klassische Rohrwerkstoffe wie Steinzeug oder Beton entwickelt. Die Sanierung von bereits sanierten Haltungen erfordert spezielle Kenntnisse: Fachleute stellen Fälle vor und berichten von ihren Erfahrungen.
Tücken der Sanierungspraxis
Mit den „Tücken der Sanierungspraxis“ geht der 8. Reparaturtag dann thematisch zu Ende. Was ist bei Planung, Ausschreibung, Überwachung und Einforderung der Qualität zu berücksichtigen – etwa mit Blick auf das Thema Abwasserfreiheit in der Kanalreparatur? Entsprechend der Anforderungen muss der Bereich der Reparatur abwasserfrei sein. Handelt es sich hier um gängige Praxis oder um Wunschdenken? Laut Einschätzung von Fachleuten wird Abwasserfreiheit nur in 50 Prozent der Fälle hergestellt. Das ist ein starker Widerspruch, dem man sich stellen muss. Sind die Anforderungen zu weit gefasst oder handelt es sich einfach um Schluderei? Hierüber soll in Troisdorf ebenso diskutiert werden, wie über die richtige und fachgerechte Ausschreibung sowie der Sanierungsüberwachung und Ausführungsfehlern.