Schlauchliner für ein „Ei im Kopfstand“
Betonrohr unter der Autobahn in Saarlouis saniert
Während Eiprofile ganz normale Erscheinungen in Abwasser-Kanalisationssystemen sind, bleiben Kopf stehende Eier eher exotisch. Selbst der Kopfstand ist jedoch kein Rezept gegen altersbedingten Verschleiß, wie ein Sanierungsfall in Saarlouis zeigte.Dort wurde ein solch ungewöhnlich gestaltetes, 97 m langes Beton-Bauwerk per Schlauchlining nach dem Insituform-Verfahren saniert.
Der Transportsam-
mler unmittelbar vor der Kläranlage Saarlouis war schon immer eine ungewöhnliche Konstruktion, Anfang 2010 aber auch ein „dringender Fall“. Das Betonrohr kam in den 60er Jahren als umgedreht verlegtes Eiprofil 1100/1650 unter die Erde. Trotz Kopfstand und großer Dimension war das Rohr jedoch aktuell bis ans hydraulische Limit ausgelastet und nicht nur das: Vor allem machte dem Entsorgungsverband Saar – als Betreiber – der alterungsbedingt erheblich schlechte Bauzustand Kopfzerbrechen. Korrosion und Rissbildung stellten die Standsicherheit des Kanals ebenso in Frage wie die Umwelt- und Grundwasserverträglichkeit seines Betriebs.
Schlauchlining für schwierige Trasse
Das daraufhin entwickelte Sanierungskonzept setzte angesichts der gegebenen Randbedingungen (u. a. anstehendes Grundwasser) auf ein Schlauchlining mit Warmwasserhärtung. Zu den speziellen Rahmenbedingungen, die eine grabenlose Vorgehensweise kompromisslos erzwangen, gehörte die „heikle“ Trassierung des Sammlers, der im fraglichen Bereich die BAB A 620 unterquert, ebenso wie die Tatsache, dass der Kanal aufgrund seiner hydraulischen Bedeutung und Auslastung nur kurzfristig und ausschließlich während einer Trockenperiode außer Betriebgenommen werden konnte. Außerdem war ein Kontrollschacht im un-
mittelbaren Nahbereich der Autobahn für den Schlauchliner-Einbau nicht nutz-
bar, so dass die Installation über zwei Haltungen hinweg diesen Schacht „überfahren“ musste.
Schwierige Logistik für Schwergewichts-Liner
Im Zuge einer öffentlichen Ausschreibung ging der Zuschlag für das Projekt an die Niederlassung Stuttgart der Insi-
tuform Rohrsanierungstechnik GmbH (IRT), welche den eigentlichen Inlinereinbau innerhalb von 5 Arbeitstagen reali-
sierte. Die Standsicherheitsberechnung für den Insituform-Synthesefaserliner führte mit den statisch grenzwertigen Vor-
gaben des schwer geschädigten Bauwerks zu einer (End-)Wanddicke des Liners von 39,25 mm. Ein Liner dieser Wandstärke wiegt bei annähernd 100 m Länge beachtliche 21,5 t und stellt somit hohe Anforderungen an die Logistik. So war eine Zufahrt sicher zu stellen, die ein Gesamt-Transportgewicht von rund 75 Tonnen tragen konnte.
Für den Einbau des Liners musste nicht nur eine sechs Meter tiefe Baugrube mit 4,30 x 4,30 m Abmessung ausgehoben werden, sondern zudem ein Segment des Rohrscheitels – in dem in Fließrichtung an den Schacht angrenzenden Haltung – entfernt werden, das man nach der Linersanierung wieder aufsetzte.
Vor dem Einbau des Liners waren erhebliche Vorarbeiten notwendig, deren wesentliche die Einrichtung einer sehr leistungsstarken – aus drei Teilstrecken bestehenden – Wasserhaltung war. Der Hauptstrang der Wasserhaltung, die aus geschweißten PVC-Druckrohren installiert wurde, war 340 m lang, tunnelte in einem Bachdurchlass die Autobahn und war auf den Trockenwetterfall von 350 Liter/Sekunde bemessen. Da generell nur bei Trockenwetter gearbeitet werden konnte, musste der exakte Bautermin in enger Abstimmung mit dem Deutschen Wetteramt zeitnah festgelegt werden.
Der Liner wurde per Schwertransport auf der Baustelle angeliefert und über ein Förderband via Inversionsturm mit Wasser in den Kanal „inversiert“: Dabei stülpt der hydrostatische Druck einer im Liner aufgebauten Wassersäule den Synthesefaserschlauch in voller Länge formschlüssig in den Kanal ein. Die Wasserfüllung von insgesamt rund 134 Kubikmetern wurde in der nachfolgenden Härtungsphase mit Hilfe eines Systems von Vor- und Rücklaufschläuchen 32 Stunden lang über ein mobiles Heizungssystem geführt. Nach genauem Zeitplan erhitzte man die Wasserfüllung des Liners auf 90°C und ließ sie bei dieser Temperatur rund 20 Stunden lang zirkulieren. Dadurch härtete das thermo-reaktive UP-Harz des Systems vollständig aus, aus dem flexiblen-harzgetränkten Schlauch wurde ein selbsttragender Schlauchliner, den man nach Ablauf der Heizphase ebenso planmäßig abkühlte, wie man ihn zuvor erhitzt hatte. Von einer präzisen Anwendung der in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung des Verfahrens vorgegebenen Heiz-Zeitpläne hängt maßgeblich die vollständige Aushärtung des Liners und damit seine Endqualität ab. Von dieser Qualität überzeugte sich im Rahmen der labortechnischen Fremdüberwachung der Baustelle ein unabhängiges, akkreditiertes Fachlabor für Kunststofftechnik – Dr. Sebastian, St. Wendel – das dem „neuen Kanal“ zur Kläranlage Saarlouis attestierte, dass alle Leistungsparameter der Ausschreibung erfüllt bzw. übererfüllt wurden. Letztlich hinterließ Insituform in Saarlouis nicht nur einen rundum zufriedenen Auftraggeber, sondern auch ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt der „Schwergewichts-Klasse“, das trotz der an anspruchsvollen Erfolgserlebnissen reichen Unternehmensgeschichte noch ein besonderes Highlight darstellt: Wann saniert man schon ein Eiprofil solcher Ausmaße im Kopfstand?n