Stahlbetonvortriebsrohre „halboffen“ verlegt
Neuer Stauraumkanal für Neuköllner Weigandufer
Fast 200 m lang ist der neue Stauraumkanal, den die Arbeitsgemeinschaft Weigandufer, im Auftrag der Berliner Wasserbetriebe am Ufer des Schifffahrtskanals im Berliner Stadtteil Neukölln errichtet hat. Das Besondere an der Tiefbaumaßnahme, für die die Berding Beton GmbH, ein Mitgliedsunternehmen der FBS-Fachvereinigung Betonrohre und Stahlbetonrohre e.V., Stahlbetonvortriebsrohre in der Nennweite DN 2600 geliefert hat, war die Ausführung im so genannten halboffenen Vortrieb.
Beim halboffenen Vortrieb handelt es sich um ein Verfahren, das im Stadtgebiet von Berlin beim Einbau von Rohren in einer solchen Dimension erstmalig zum Einsatz kam.
Umfangreicher Regenwasserspeicher
Die Tiefbaumaßen am Neuköllner Weigandufer sind Teil eines vom Land Berlin mit den Berliner Wasserbetrieben vereinbarten Programms zur Verbesserung der Güte der Berliner Gewässer. Das in diesem Rahmen für das Einzugsgebiet des Abwasserpumpwerks Neukölln I aufgestellte Sanierungskonzept beinhaltet Maßnahmen zur Schaffung von zusätzlichem Kanalvolumen zur Zwischenspeicherung. In dem neuen 192 m langen Bauwerk aus Stahlbetonrohren in der Nennweite DN 2600 können jetzt bei starkem Regen bis zu 1050 m3 Mischwasser zwischengespeichert werden. Hinzu kommt: Mit dem Um- bzw. Neubau von insgesamt drei Regenüberlaufbauwerken im Weigandufer können zukünftig zusätzlich weitere 1750 m3 Mischwasser in den vorhandenen Regenüberlauf- und Mischwasserkanälen in der Treptower Straße und in der Roseggerstraße zurückgehalten werden, die bisher direkt in den Neuköllner Schifffahrtskanal gelaufen sind. Das kann jetzt besser reguliert werden: Mit dem Neubau von Stauraumkanälen und dem Umbau von Regenüberläufen wurde unterirdischer Speicher geschaffen, dessen Fracht nach dem Ende eines Niederschlagsereignisses nun kontrolliert zum Klärwerk geleitet werden kann.
Mitte September 2009 hatte die ARGE Weigandufer, bestehend aus der Meyer & John GmbH & Co. KG (techn. Federführung) und der Echterhoff Bau GmbH (kfm. Federführung), mit der Einrichtung der Baustelle begonnen. Im Anschluss daran erfolgte die Herstellung der Start- und Zielbaugrube für den Vortrieb der für den Einbau vorgesehenen FBS-Sahlbetonvortriebsrohre, die von der Berding Beton GmbH im Werk Schermbeck gefertigt wurden. Hierbei handelt es sich um Stahlbetonvortriebsrohre mit Vortriebsmuffe und Führungsring Typ 2 nach DIN V 1201 in Verbindung mit DIN EN 1916, die den erhöhten Anforderungen der FBS-Qualitätsrichtlinie entsprechen. „Die Vortriebsrohre mit einer Nennweite von DN 2600 und einem Außendurchmesser von DA 3100 sind 3,50 m lang und haben eine Wandstärke von 250 mm“, erklärt Dipl.-Ing. Volker Reiß, Berding Beton GmbH. „Sie besitzen eine auf dem Spitzende gekammerte Keilgleitringdichtung nach DIN 4060 und DIN EN 681-1 und sind darüber hinaus mit einem Stahlführungsring sowie im Kämpferbereich mit zwei Transportankern ausgestattet.“ Die fast 19 t schweren Rohre sind für eine maximale Vortriebskraft von 16 000 kN ausgelegt. Die Druckübertragung er-
folgt über einen Druckübertragungsring, der aus einer 25 mm starken OSB 3-Platte gefertigt wird. Entsprechend der Anforderungen des Bauherrn wurden die Vortriebsrohre in einer Stahlschalung gefertigt und ausgehärtet. Das ist vor allem für Vortriebsrohre von Bedeutung, da Rohre, die auf diese Weise gefertigt werden, nur geringe Maßtoleranzen aufweisen und über eine hohe Festigkeit verfügen. Zum Einsatz kam dabei ein Beton der Festigkeitsklasse C 50/60. „Beim Beton wurde eine Rezeptur gewählt, die neben der Festigkeit auch über einen erhöhten Widerstand gegen chemische Einflüsse verfügt“, so Reiß weiter. „Das trägt vor allem zu einer langen Nutzungsdauer der Rohre bei.“ Sie sind bei einer Erdüberdeckung von 1,40 bis 3,65 m für eine Verkehrslast SLW 60 ausgelegt.
Neu für eine Tiefbaumaßnahme in Berlin:
Die FBS-Stahlbetonvortriebsrohre wurden im so genannten halboffenen Vortrieb eingebaut. Nach Aussage des zuständigen Projektleiters, Dipl.-Ing. Arne Battermann, Meyer & John GmbH & Co. KG, funktioniert dieses Verfahren wie ein gewöhnlicher Rohrvortrieb, nur dass der Boden direkt aus dem Steuerkopf abgebaut und an die Oberfläche befördert wird. „In der Vortriebsmaschine befindet sich eine Schottwand, die den Steuerkopf von der Maschine trennt, und im Scheitel des Steuerkopfes ist eine Öffnung, durch die der Boden entnommen werden kann“, beschreibt Battermann den Ablauf. In der Praxis sah das dann so aus: Oberhalb der Maschine wurde im Bereich der Rohrachse ein rund 1,30 m breiter Rohrgraben erstellt, der bis zur Rohroberkante in 2,0 m bis 3,7 m Tiefe herabreichte. Über diesen Rohrgraben erfolgte die Bodenentnahme aus dem Steuerkopf. „Auch ein Grundwasserstand bis zur Rohroberkante ist bei dieser Bauweise unproblematisch“, ergänzt Battermann. „Durch die Ausführung des Schildes im Sohlbereich wird sichergestellt, dass mit dem Greifer kein Vorgriff in die Rohrbettung erfolgen kann.“ Diese Bauweise hat sich für die Beteiligten aus mehreren Gründen gelohnt. Die auf dieser Baustelle notwendige Grundwasserabsenkung konnte entfallen. Zudem konnten die Beeinträchtigungen der Anwohner auf ein Minimum reduziert werden. Durch den engen Rohrgraben wurde das erforderliche Aushubvolumen deutlich gesenkt. Die Vortriebsarbeiten konnten wie geplant Ende Dezember 2009 zur vollsten Zufriedenheit des Auftraggebers abgeschlos-
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