Unternehmensnachfolge in Zeiten von Corona

Auch in einer gut laufenden Baubranche kein Selbstläufer

Viele Unternehmer:innen fragen sich, ob die aktuellen Krisenzeiten geeignet sind, die eigene Unternehmensnachfolge zu organisieren. Wie findet man junge Nachwuchsunternehmer:innen, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen?

Es gibt viele Fragen, die auf potentielle Unternehmensübergeber einstürzen. Denn auch in vermeintlich nicht so stark von der Corona-Krise betroffenen Branchen ist eine Unternehmensnachfolge kein Selbstläufer. Zwar laufen in vielen Branchen die Geschäfte nach wie vor ziemlich unbeeindruckt von der aktuellen Krise. Dazu gehört aktuell noch die Bauwirtschaft. Allerdings sind auch hier spätestens in ein bis zwei Jahren erste Auswirkungen durch Investitionsstopps im öffentlichen wie im privaten Sektor zu erwarten.

„Die Chefs familiengeführter Baufirmen sind eher älter. Somit führt der Fachkräftemangel schon heute zu einem Unternehmermangel. Denn junge und gut ausgebildete Bauspezialisten arbeiten lieber angestellt als unternehmerischen Ambitionen zu folgen. Auf den Fachkräftemangel der Branche folgt jetzt ein Unternehmermangel.

Die im ersten Halbjahr 2020 veröffentlichte Kern-Studie Unternehmensnachfolge belegt diese Entwicklung mit aktuellen Zahlen. Mehr als 580.000 Unternehmen in ganz Deutschland wurden untersucht – die Kern-Studie ist damit die größte und aktuellste zum Thema Nachfolge im deutschen Mittelstand.

Für die Bauunternehmen sind die Zahlen alarmierend: Die Baubranche ist eine der ältesten Branchen der Republik. Heute gibt es insgesamt 26.440 mittelständische Bauunternehmen mit einem Umsatz von 250.000 bis 50 Millionen Euro. Jeder zweite Firmenchef ist bereits über 55 Jahre alt. Bis 2025 erhöht sich diese Zahl laut unserer Studie zur Unternehmensnachfolge auf mehr als 70 Prozent.

Das heißt im Klartext: Bundesweit stehen dann knapp 20.000 Bauunternehmen vor der Frage des Generationswechsels. Wir schätzen, dass deutlich weniger als die Hälfte dieser Firmen auf einen familieninternen Nachfolger übergeht. Infolgedessen steigt die Zahl der zum Verkauf stehenden Bauunternehmen (und den damit zusammenhängenden Firmen) in den nächsten Jahren vermutlich dramatisch.“

Ohne klare Perspektive für den zukünftigen Unternehmenserfolg wird es sehr schwierig, Kaufinteressenten für das Unternehmen zu finden. Man muss es offen sagen: ohne genauere Zukunftsaussichten helfen politische Maßnahmen wie etwa die Aussetzung der Insolvenzantragsfrist langfristig nicht, wenn das eigene Geschäftsmodell schon vor der Krise problembehaftet war. Haben Sie ein Alleinstellungsmerkmal mit Ihrem Unternehmen? Spielen Sie eine besondere Rolle in Ihrer Region oder Ihrem Wettbewerbsumfeld? Dann gibt es natürlich auch in Krisenzeiten und auch in schwierigen Branchen immer Chancen, einen Käufer zu finden.

Exzellentes monatliches Reporting sorgt für

Klarheit

Bei einem aktuell abgeschlossenen Mandat in der Baustoff-Branche hat sich eindrucksvoll gezeigt, dass Corona auch hier konkrete Auswirkungen auf den Verkaufsprozess hatte. Die seit mehreren Monaten laufenden Gespräche mit dem Hauptlieferanten des Baustoffhändlers wurden zunehmend komplizierter. Nur dank eines exzellenten, monatlichen Reportings konnte der Verkäufer schlüssig auch kleinere Umsatzeinbußen argumentieren. Der Wegfall einer größeren Handelsvertretung zum Jahreswechsel 2019 / 2020 hatte hier zu Umsatzrückgängen geführt.

Auch eine saubere Übersicht über aktuelle, offene Forderungen gegenüber Kunden und ein entsprechendes Forderungsmanagement sind existentiell wichtig. Welcher Unternehmer kann schon vorhersagen, ob die eigenen Kunden und auch Lieferanten auch morgen noch pünktlich zahlen, bzw. reibungslos liefern. Plötzliche Auswirkungen auf das eigene Geschäft sind möglich, insbesondere wenn erwartete Zahlungszuflüsse nicht rechtzeitig eintreten und damit die Liquidität belasten.

Kaufpreisgestaltung

Viele Kaufinteressenten fordern aufgrund der aktuellen Krisenstimmung ein deutlich höheres Engagement des Verkäufers bei der Kaufpreisgestaltung als das bisher üblich war – und das gilt für alle Branchen. Verkäufer-Darlehen und auch Earn-Out-Vereinbarungen (also Kaufpreisbestandteile, die nur abhängig von der zukünftigen Gewinnentwicklung des Unternehmens gezahlt werden) werden selbstverständlich.

So war es auch bei o.g. Mandat. Der Verkäufer musste letztendlich den Jahresgewinn 2019 stehen lassen und für zwei Jahre als Verkäuferdarlehen ohne Sicherheiten gewähren. Da in vielen Branchen die Ergebnisse der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EBIT) im aktuellen und sicher auch im nächsten Jahr eher sinken werden, sinkt auch der Unternehmenswert entsprechend. Die Multiplikatoren (multiples, mit denen das EBIT multipliziert wird zur Kaufpreisfindung) sinken zeitgleich allein aufgrund der deutlich schwierigeren Prognose des zukünftigen Geschäftserfolges.

Das bedeutet gleich doppelt, dass sich bisherige Kaufpreiserwartungen nicht erfüllen lassen. UnternehmensverkäuferInnen müssen sich also darauf einstellen, deutlich länger auch mit Haftungsrisiken an das eigene Unternehmen gebunden zu sein, bis der finale Kaufpreis komplett gezahlt wurde. In einer aktuellen Umfrage unter mehr als 250 M&A-Beratungshäusern durch eine international renommierte Marktplatzplattform zeigt sich, dass bei ca. zwei von drei Verkaufsfällen Earn-Out-Komponenten die Regel sind. 80% der befragten Experten sehen zudem eine branchenübergreifende Reduzierung von Multiplikatoren um mindestens den Faktor 1x. Bei einem EBIT-Multiple von 5 entspricht dies einer Kaufpreisreduzierung von mehr als 20 Prozent.

Finanzierungsgespräche für Kaufinteressenten dauern länger

Im konkreten Verkaufsfall des Baustoffhändlers wollte der größte Lieferant nicht zu 100 Prozent das operative Geschäft erwerben, da man eigentlich nur am Fortbestand des eigenen Geschäftsvolumens am Standort des Verkäufers interessiert war. Die Lösung bestand in der Einbindung eines MBI (Management-buy-in)–Kandidaten. Für diesen bestand die Chance, eine geplante Selbstständigkeit zu realisieren, und das mit einem starken Lieferantenpartner im Hintergrund.

Allerdings erweist sich die häufig in solchen Fällen notwendige Finanzierung des entsprechenden Kaufpreisanteils zunächst auch als Hindernis. Kreditinstitute sind aktuell aufgrund der sehr hohen Anzahl von Förderanträgen zeitlich extrem eingebunden. Kreditvergaben ohne Haftungsfreistellungen für die Banken sind kaum zu erwarten. Das Anlagevermögen auch von Unternehmen aus dem Bausektor ist für Banken zunehmend unattraktiv als Sicherheit, da im Verwertungsfalle keine für die Bank zufriedenstellenden Erlöse erwartet werden. Dies erschwert den Verkaufsprozess und verlängert ihn unter Umständen deutlich. Zudem fordern finanzierende Kreditinstitute bei einer geplanten Nachfolge häufig Zugeständnisse des Altinhabers. Dies gilt auch, wenn die langjährige Hausbank des Verkäufers den Firmenverkauf finanziert. Der MBI-Kandidat konnte im konkreten Fall aber eine Eigentumswohnung als Sicherheit bieten.

Familieninterne Nachfolgen stehen vor neuen

Herausforderungen

Will die potentiell nachfolgende Generation überhaupt noch „nachfolgen“? Oder scheut sie das Risiko einer ungewissen Unternehmenszukunft? Sind die Senioren bereit Verantwortung abzugeben? Sind sie bereit Veränderung zuzulassen? Gerade in der aktuellen Krise lassen sich veraltete Geschäftsmodelle durch Digitalisierung zukunftsfähig machen. Die „Jungen“ haben hier häufig unkonventionelle Ideen, die die „Alten“ zulassen müssen. 

Loslassen können, „fordern und fördern“, sind hier die richtigen Ansätze, um die junge Generation für das Unternehmertum zu begeistern. Aber auch hier stellen sich unter Umständen Finanzierungsfragen eines zu definierenden Kaufpreises für die nachrückende Generation, zumal, wenn Kinder der Familie nicht willens oder geeignet sind, die Nachfolge anzutreten und fair behandelt werden sollen.

Fazit:

Die Unternehmensnachfolge in Corona-Zeiten ist nicht einfacher geworden, auch in aktuell wenig betroffenen Branchen nicht. Egal ob auf der Käufer- oder Verkäuferseite, gerade beim Unternehmensverkauf geht Transaktionssicherheit vor Kaufpreismaximierung. Aber die Krise bietet auch Chancen, nicht nur für junge Nachwuchsunternehmer. Viele strategische Investoren, Finanzinvestoren und auch Family-Offices sind aktuell auf der Suche nach guten Einstiegsgelegenheiten zur Arrondierung ihres unternehmerischen Betätigungsfeldes. Hier kann es durchaus möglich sein, dass der Unternehmer Kaufinteressenten kennenlernt, mit denen er bisher gar nicht gerechnet hat. In jedem Fall empfiehlt es sich, einen erfahrenen Nachfolgeberater an seiner Seite zu wissen.

Kern-System GmbH

www.kern-unternehmensnachfolge.com

Checkliste für den Unternehmer

I) Persönliche Zielsetzungen des Unternehmers / der Unternehmerin

– Haben Sie den Zeitpunkt der geplanten Übergabe bereits fixiert?

– Ist der komplette Rückzug oder eine stufenweise Übergabe geplant?

– Soll der Betrieb erhalten und langfristig gesichert werden?

– Gibt es Pensionszusagen / Altersversorgung und wenn ja, reichen diese aus?

II) Die richtige Nachfolge finden

 

Gibt es familienintern geeignete NachfolgerInnen?

– Haben Sie bereits Gespräche geführt?

– Haben Sie den Nachfolger schon in Betrieb und Entscheidungen integriert?

– Haben Sie bereits Überlegungen hinsichtlich der Entschädigung anderer Familienmit-
glieder angestellt?

– Haben Sie Ihren Rückzug/Austritt terminlich schon fixiert?

– Haben Sie einen versierten Nachfolgeberater / Mediator an Ihrer Seite?

Gibt es geeignete NachfolgerInnen in der Belegschaft?

– Wurden bereits Gespräche  geführt?

– Wurden die Mitarbeiter eingebunden/beteiligt?

Müssen Sie einen externen NachfolgerIn suchen?

– Haben Sie die Nachfolgebörse der Handelskammer/Handwerkskammer bereits genutzt?

– Haben Sie schon versierte Nachfolgeberater kontaktiert?

– Ist für Sie ein Verkauf Ihres Unternehmens an Kunden, Lieferanten oder Mitbewerber

vorstellbar?

III) Übergabe des Unternehmens

Mögliche Übergabeformen

– Planen Sie eine Share-Deal (Anteilsverkauf) oder Asset-Deal (Verkauf von einzelnen

Vermögensgegenständen)?

– Wollen Sie den gesamten Kaufpreis auf einmal erhalten?

– Kommt für Sie eine Ratenzahlungsvereinbarung in Frage?

– Könnten Sie sich auch eine Verpachtung des Betriebes vorstellen?

– Wollen Sie mit der Übergabe eine Versorgungsrente, Zeit- oder Leibrente erhalten?

– Beabsichtigen Sie Ihr Unternehmen zu verschenken?

– Haben Sie die optimale Rechtsform dafür bereits festgelegt?

– Wurde über eine Betriebsaufspaltung bereits nachgedacht?

Vorbereitung der Unternehmensübergabe

– Haben Sie einen versierten Nachfolgeberater an Ihrer Seite, der auch über ein

gutes Netzwerk an potentiellen Übernahmekandidaten verfügt?

– Ist bereits ein Exposeè erstellt worden?

– Wurde bereits eine Unternehmensbewertung erstellt?

– Gibt es eine realistische Planung für die Zukunft (finanzielle Situation /

Marktchancen / Kundenbeziehungen)?

– Sind  bereits erste Verkaufsverhandlungen geführt worden, möglicherweise

auch ohne versierten Berater?

Diese und viele weitere Fragen und Themen gilt es bei einer geplanten Unternehmensnachfolge zu beachten. Planen Sie deshalb für diese wichtigste Entscheidung in Ihrem aktuellen Lebensabschnitt mindestens ein bis zwei Jahre Zeit ein. 

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