Interview

Von der Schmiede zu kompakten 14 Tonnen

Wacker Neuson hat seine Aktivitäten nach Regionen (Europa, Amerikas und Asien-Pazifik) organisiert. Der Konzern ist in die Geschäftsbereiche Baugeräte (Light Equipment) bis zu einem Gewicht von ca. 3 t, Kompaktmaschinen (Compact Equipment) bis ca. 14 t und Dienstleistungen (Ersatzteile, Wartung, Reparatur) gegliedert. Cem Peksaglam ist der Mann der jüngeren Geschichte des Unternehmens. Exklusiv für tHIS spricht der Vorstandsvorsitzende über Strategie und Positionierung des Münchener Baumaschinenherstellers.

Wacker Neuson ist nach der Fusion zwischen Wacker und Neuson Kramer vor 5 Jahren und der Börsennotierung in einem neuen Fahrwasser. Stimmt der „Kurs“ und in welche Richtung bewegen Sie das Unternehmen?

Cem Peksaglam: Wacker Neuson ist gut aufgestellt. Wir verfügen über ein breites und innovatives Produktprogramm, das wir in hoher Qualität fertigen und international vertreiben. Unsere Mitarbeiter arbeiten gern in einem von mittelständischen Werten geprägten Unternehmen, dessen Erfolg sie aktiv und eigenverantwortlich mitgestalten. Wir haben eine grundsolide Kapitalstruktur und unsere Aktionäre unterstützen unsere Wachstumsstrategie.

Potenzial besteht vor allem durch eine weitere Diversifikation unseres Geschäftes in neue Marktsegmente sowie eine stärkere Durchdringung der von uns traditionell bearbeiteten Märkte. Auch eine fortgesetzte Internationalisierung, vor allem in Schwellenmärkte, aus denen in den kommenden Jahren das größte Wachstumspotenzial erwartet wird, bietet Chancen.

Ein breites Programm setzt einen hohen Aufwand bei der Produktpflege und Diversifizierung voraus. Wie gewährleisten Sie eine einheitliche qualitative Betreuung der Produktgruppen?

Cem Peksaglam: Wir setzen auf ein ausgewogenes Konzept zentraler und dezentraler Entwicklungsarbeit, was bedeutet, dass wir einerseits konzernübergreifend Kernkompetenzen aufbauen und weiterentwickeln, die allen Produktionswerken nutzen, andererseits jedoch in den Werken, die auf bestimmte Produkte spezialisierte Entwicklungskompetenz, den Einkauf, das Produktmanagement, Marktbetreuer und Servicebetreuung angesiedelt haben. Kurze Wege und die Gesamtverantwortung für ein Produkt von der Entwicklung bis hin zum Kunden fördern das Qualitätsbewusstsein und die Identifikation.

Zudem betreiben wir eine maximal mögliche Standardisierung von bewährten Prozessen und Verfahren in unseren Werken weltweit. Hier erfolgt zwischen den einzelnen Bereichen, wie F&E und Fertigung oder Einkauf und Qualität, ein regelmäßiger und systematischer Austausch. Um dies auch auf höchster Ebene sicherzustellen, haben wir seit dem 1. Oktober vergangenen Jahres die im Vorstand bisher geteilte Verantwortung für die beiden Geschäftsbereiche Light und Compact Equipment unter eine einheitliche technische Leitung im Vorstand gestellt.

Große Maschinen gleich große Margen. Kleinere Maschinen gleich kleinere Margen. Sie leisten sich ein tiefes zum Teil eigenes Vertriebsnetz. Bekommen Sie von Ihren Kunden die notwendige „Entschädigung“?

Cem Peksaglam: Zum Teil historisch gewachsen, zum Teil gezielt entwickelt verfügen wir heute über direkte und indirekte Vertriebsstrukturen. Wie es so schön heißt, gibt es „viele Wege, die nach Rom führen“. Man kann also nicht grundsätzlich urteilen, das eine oder andere System sei das bessere, denn wir haben sehr gute Erfahrungen sowohl mit dem Vertrieb und Service unserer Produkte über langjährige Handelspartner, wie auch über eigene Niederlassungen gemacht.

Gerade in diesem gesunden Mix liegt unseres Erachtens eine Stärke von Wacker Neuson, über welche die allermeisten unserer Mitbewerber nicht verfügen. Sicher sind eigene Niederlassungen eine kostspielige Angelegenheit, sie bieten jedoch auch große Vorteile durch unmittelbaren und intensiven Kontakt zum Anwender unserer Produkte. Das hilft natürlich wiederum sehr bei der Entwicklung und Produktion von kundengerechten Erzeugnissen und Innovationen. In großen Flächenmärkten, wie zum Beispiel den USA oder China, wäre eine Direktvertriebsorganisation für uns kaum zu finanzieren und dort ist eine enge Partnerschaft mit qualifizierten Händler seit vielen Jahren unser Erfolgsrezept.

In Hörsching haben Sie die größte Einzelinvestition von 65 Mio. € getätigt. Warum wurde das Kompaktmaschinenwerk in Österreich nach Makro- und Mikroanalyse als Standort gewählt?

Cem Peksaglam: Seit vielen Jahren entwickeln und fertigen wir innovative und qualitativ hochwertige Kompaktmaschinen in Linz. Der neue Standort ist nur wenige Kilometer vom bisherigen Werk in Linz-Leonding entfernt, denn als mittelständisch geprägtes Unternehmen sind wir uns der Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern und ihren Familien besonders bewusst. Viele unserer zum Teil leitenden Mitarbeiter sind schon seit über 25 Jahren im Unternehmen. Durch die Nähe zum bisherigen Werk konnten wir alle Mitarbeiter halten, denn ihr Know-how ist maßgeblich für unsere Qualität.

Der Standort passt aber auch deshalb sehr gut, weil Europa der Kernmarkt für die dort gefertigten Kompaktmaschinen ist. Die bisher gemachten Erfahrungen am neuen Standort bestätigen uns, hier richtig gehandelt zu haben.

Beobachter erkennen bei den großen Baumaschinenherstellern eine ständig wachsende Spreizung in den Produktlinien. Kommt da eine wachsende Konkurrenz auf Sie zu?

Cem Peksaglam: Diesen Trend beobachten wir auch, aber wir sehen das „Glas eher halb voll als halb leer“, denn eine solche Entwicklung birgt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Wacker Neuson kooperiert mit großen Anbietern – wie Caterpillar im Bereich der Baumaschinen und Claas im Segment der Landwirtschaft – sehr erfolgreich. Diese Allianzen sind langfristig ausgelegt und beide Seiten profitieren von der engen Zusammenarbeit, weil sich jeder auf seine Kernkompetenzen konzentriert.

Die Bedeutung der Anbaugeräte wächst. Wieweit werden sich Ihrer Meinung nach die Produkte in den jeweiligen Gattungen weiter nach Gewicht und Ausstattung entwickeln?

Cem Peksaglam: Anbaugeräte spielen eine zentrale Rolle für unsere Radlader, Teleskoplader, Kompaktlader und immer mehr auch für die Bagger. Letztlich kann man alle diese Maschinen auch als „universelle Werkzeugträger“ verstehen. Je vielseitiger und spezialisierter das Angebot von Anbaugeräten ist, desto bedarfsgerechter, damit effizienter und vielseitiger sind unsere Produkte auch einsetzbar. Insofern sind künftig noch viel mehr und noch speziellere Anbaugeräte in allen Gewichtsklassen – sowohl in der Bau- als auch in der Landwirtschaft – zu erwarten.

Wie lautet Ihre Philosophie beim Einsatz von Baumaschinen in der Zukunft?

Cem Peksaglam: Für die Entwicklung unserer Baumaschinen spielen viele Kriterien eine Rolle: unsere Maschinen müssen Komfort und Sicherheit bieten, das heißt der Anwender muss möglichst ermüdungsfrei sowie sein Leben und seine Gesundheit schützend arbeiten können. Dafür haben wir zahlreiche Innovationen entwickelt, wie zum Beispiel unser Vertical Digging System. Hier kann der Anwender den Oberwagen seines Baggers durch seitliches Kippen um 15 Grad einem Geländegefälle von bis zu 27 Grad anpassen und körperlich völlig entspannt und zudem noch bis zu 25 Prozent effizienter seine Arbeiten verrichten.

Daneben sind Energieeffizienz und Umweltschutz wesentliche Parameter unserer täglichen Entwicklungsarbeit. Gerade im Bereich der Abgasgesetzgebung haben sich in den vergangenen Jahren die gesetzlichen Anforderungen enorm verschärft, was alle Baumaschinenhersteller gleichermaßen vor neue technische Herausforderungen gestellt hat und uns auch künftig weiter beschäftigen wird. Alternative Antriebe gewinnen – ähnlich der Entwicklung in der Automobilindustrie – weiter an Bedeutung. Dementsprechend werden wir auf der Bauma erstmals ein alternatives Antriebskonzept für unsere Baumaschinen vorstellen.

Innovationen muss man sich jedoch auch leisten können, das heißt ohne Wirtschaftlichkeit sind Verbesserungen und Neuheiten am Markt kaum durchsetzbar. Wacker Neuson ist im Markt bekannt für exzellente „Total Cost of Ownership“, insbesondere bei Vermietkunden. Dieses Thema wird in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen.

Mit 62,5 % haben Sie mit der Bauwirtschaft einen starken Anteil am Umsatz. Gleichzeitig gilt die Baubranche als wenig stabil in der Prognose der Auslastung. Wird es neben Claas noch weitere strategische Allianzen außerhalb der Bauwirtschaft geben?

Cem Peksaglam: Die von Ihnen genannte Quote für die Bauwirtschaft umfasst viele einzelne Marktsegmente, die zwar der Bauwirtschaft zugerechnet werden, jedoch eigenen Konjunkturzyklen folgen, wie zum Beispiel den für uns wichtigen GaLaBau oder Kommunen.

Wir sind laufend auf der Suche nach Partnern, die zu unserem Unternehmen passen und mit denen wir eine langfristige Win-Win-Partnerschaft aufbauen können. Allerdings wägen wir hier stets sehr genau ab, haben also hohe Anforderungen an derartige Partnerschaften.

Sowohl Claas als auch Caterpillar sind weltweit führende Unternehmungen. Auf die Zusammenarbeit mit beiden Unternehmungen sind wir stolz, denn auch sie stellen sehr hohe Anforderungen an ihre Partner.

Die Entwicklung der Datenübertragung von der Maschine in Echtzeit in das Baubüro geht voran. Welchen technologischen Weg beschreitet Wacker Neuson bei der Übermittlung relevanter Maschinendaten bzw. Fahrerdaten?

Cem Peksaglam: Wir haben Mitte vergangenen Jahres „Wacker Neuson Telematic®“ als Option für alle unsere Kompaktmaschinen eingeführt. Das System ermöglicht die zentrale Verwaltung aller Maschinen über das Telematic Portal von Wacker Neuson und zusätzlich auch über eine mobile Applikation. Die Ortung der Geräte erfolgt satellitengestützt per GPS.

Über das Mobiltelefon oder einen Computer kann der Kunde so jederzeit auf einen Blick prüfen, ob der Motor einer Maschine läuft, wo sich seine Maschinen gerade befinden und ob sie sich schneller als 15 km/h bewegen. Ein Protokoll ist ebenfalls abrufbar und auf Wunsch wird über anstehende Wartungen per SMS oder E-Mail informiert. Der Diebstahlprävention dient die Funktion Geofence. Geofence funktioniert wie ein virtueller Zaun, mit dem ein Gebiet individuell eingegrenzt werden kann. Verlässt die Baumaschine dieses Areal, alarmiert das System umgehend den Besitzer.

Diese Art der Maschinenüberwachung wird für unsere Kunden speziell in Mietparks und größeren Bauunternehmen mit einer Vielzahl an Baustellen immer wichtiger. Das System ist ab Werk, aber auch als Nachrüstsatz erhältlich und kann auch für Fremdfabrikate eingesetzt werden. Und zwar zu sehr günstigen Konditionen. So ermöglichen wir unseren Kunden ein effizientes und kostengünstiges Flottenmanagement.

Durch die unterschiedlichen Anforderungen an Emissionen haben Hersteller, die weltweit produzieren, sogenannte „heavy“ bzw. „light“ Versionen ihrer Maschinen im Markt. Wie bewegt sich Wacker Neuson in den unterschiedlichen Märkten?

Cem Peksaglam: Wir haben auf der Bauma China erstmals eine neue Baugerätereihe vorgestellt, die speziell für den asiatischen Markt entwickelt wurde. Um wettbewerbsfähig zu sein, muss man sich den lokalen Bedürfnissen und Gegebenheiten anpassen.

Ein Beispiel bei den Kompaktmaschinen sind die Tier IV-Motoren, die in absehbarer Zeit Vorschrift in regulierten Märkten sind. In nicht regulierten Märkten können Maschinen weiterhin mit den aktuellen – und deutlich preisgünstigeren – Motoren angeboten werden. Wir haben dadurch zwar einen höheren Handlingsaufwand, müssen aber natürlich auf diese Situation reagieren, da die neuen Motoren in einigen Märkten nicht einsatzfähig wären. Denn nicht nur die Vorschriften sind von Region zu Region unterschiedlich, sondern auch die Kraftstoffqualität.

Wie hoch ist der Designanspruch bei Wacker Neuson bei den Entwicklungen neuer Maschinen und Geräten?

Cem Peksaglam: An erster Stelle steht immer die Funktionalität des Produkts, was aber einem ansprechenden und modernen Design nicht entgegensteht, sondern diese im Idealfall unterstützt.

Das Thema Produktdesign hat in unserer Entwicklung eine feste Rolle und erfreulicherweise erkennt der Markt dies in Form von Designpreisen für unsere Maschinen und Geräte regelmäßig an.

Wir haben festgestellt, dass das Produktdesign zwar nicht das wichtigste Kaufkriterium eines Kunden ist, jedoch eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt und wesentlich für die Wiedererkennung ist und in Verbindung mit unseren Alleinstellungsmerkmalen steht.

Die Markenführung ist durch Übernahmen anderer Hersteller nicht einfach. Wie funktioniert ihre Kommunikationsstrategie?

Cem Peksaglam: Wir haben eine klare Mehrmarkenstrategie im Konzern. Das bedeutet, dass es unter dem Konzerndach die bekannten Produktmarken gibt: Wacker Neuson, Kramer und Weidemann. Dabei hat jede Marke ihren eigenen, individuellen Markenwert und agiert unabhängig voneinander am internationalen Markt. Eine klare Markenpositionierung ist die Basis für einen erfolgreichen Marktauftritt.

Der deutsche Baumarkt entwickelt sich je nach Bausparte sehr unterschiedlich. Wie bewerten Sie die Absatzsituation von Wacker Neuson in Deutschland für die kommenden zwei Jahre?

Cem Peksaglam: In der gegenwärtigen Unsicherheit eine belastbare Prognose abzugeben ist keine leichte Übung. Wir sind jedoch optimistisch und wollen weiterhin wachsen, insbesondere in unserem deutschen Heimatmarkt.

Wir denken, dass Kundennähe ein Schlüsselfaktor zum Erfolg ist. Da wir gerade in Deutschland neben dem klassischen Verkauf viele weitere Dienstleistungen anbieten, sind wir für unsere Kunden in jeder Situation ein attraktiver und zuverlässiger Partner, zumeist in seiner Nähe.

Unser Gebrauchtmaschinenzentrum in Gotha trägt zudem dazu bei, dass wir auch für Kunden, die keine Neuinvestition tätigen können, qualitativ hochwertige Produkte im Angebot haben.

Für viele Bauunternehmer steht die Finanzierung im Mittelpunkt der Beschaffung. Welche Angebote macht Wacker Neuson bzw. wird Wacker Neuson in der nahen Zukunft anbieten?

Cem Peksaglam: Die Finanzierung von Baumaschinen wird immer wichtiger. Deutlich mehr als 50 Prozent aller Neumaschinen sind heutzutage bereits finanziert. Wir arbeiten hier sehr eng mit Finanzdienstleistern zusammen und können so flexible und individuelle Angebote unterbreiten, oftmals sogar innerhalb weniger Minuten.

Dabei profitieren unsere Kunden von unserer Finanzstärke, die auch unseren Partnerbanken Sicherheit gibt.

Warum ist es gut, Aktien von Wacker Neuson zu erwerben bzw. die Wertpapiere nicht zu verkaufen?

Cem Peksaglam: Wacker Neuson ist eine grundsolide Unternehmung mit einer Eigenkapitalquote von 68 Prozent und einer vergleichsweise niedrigen Nettoverschuldung von 23 Prozent. Unsere Hauptaktionäre mit einem gemeinsamen Anteil von deutlich über 60 Prozent verteilen sich auf zwei Familien. Das bedeutet Kontinuität und Stabilität.

Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Umsatz- und Ergebnisprognosen erreicht oder übertroffen. Dass der Aktienkurs anderen Gesetzmäßigkeiten folgt und auch wir vor Spekulation nicht gefeit sind, sollte einen Anleger, der an einem nachhaltig erfolgreich wirtschaftenden Unternehmen interessiert ist, nicht abschrecken. Auch im Vergleich zu unseren Peers ist Wacker Neuson sowohl im Umsatzwachstum als auch in seiner Profitabilität eines der Topunternehmen der Branche.

Insgesamt 12 Analysten/Institute berichten über unsere Aktie und raten derzeit überwiegend, die Aktie zu halten.

Der Buchwert des Eigenkapitals liegt bei über 13 Euro je Aktie. Ich denke, die Aktie hat Potenzial nach oben. Außerdem partizipieren unsere Aktionäre am Erfolg des Konzerns: Wir verfolgen eine konsequente Dividendenpolitik.

Herr Peksaglam, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

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