„Wir brauchen eine intelligente
Erneuerung unserer Wassernetze“
Interview mit Pierre Sommereijns, CEO von Amiblu
Vor einigen Monaten hatte Österreich mit schweren Stürmen und den schlimmsten Überschwemmungen seit 30 Jahren zu kämpfen. Straßen wurden weggespült und weite Teile der Landschaft überflutet, und all das trotz guter Rohrinfrastruktur.
Warum ist das europäische Wassernetz dringend sanierungsbedürftig?
Sommereijns: Viele europäische Städte sind historisch, will heißen: alt. Genau wie ihre Wassernetze. Als sie gebaut wurden, gab es keine modernen Materialien wie GFK mit 150 Jahren Lebensdauer. Netzwerke aus Gusseisen, Beton und Stahl korrodieren und gefährden unser kostbares Wasser, Ziegelkanäle stürzen ein. Und selbst wenn sie sich strukturell halten, gehen in Europa pro Jahr im Durchschnitt 23 Prozent des Trinkwassers durch undichte Rohrleitungen verloren. Hinzu kommt das kontinuierliche Wachstum der Städte, das die zuverlässige und effiziente Behandlung von Abwasser zu einem zentralen Thema für Anlagenbetreiber und Kommunen macht. Das europäische Kanalnetz könnte mit einer Länge von 3.000.000 Kilometern die Welt 75 Mal umspannen. Diese Dimension ist selbst mit den anspruchsvollsten Messgeräten schwer zu überwachen und zu warten. Moderne Rohrmaterialien mit intelligenten Überwachungsmöglichkeiten müssen daher die Zukunft sein. Wir erleben auch immer extremere Wetterereignisse – Regenfälle werden zunehmend heftiger und in Kombination mit undurchlässigen Oberflächen wie Dächern und asphaltierten Straßen stehen einst zuverlässige Systeme kurz vor dem Zusammenbruch. Überschwemmungen und überlastete Kläranlagen sind die Folge.
Welche Möglichkeiten gibt es, Rohrleitungen zu sanieren und Ausfälle zu vermeiden?
Sommereijns: Das hängt vom strukturellen Zustand des bestehenden Netzes ab. Und das ist auch das Problem. Es ist sehr schwer zu beurteilen, ob ein Kanal strukturell noch intakt ist oder nicht. Viele Betreiber und Ingenieure entscheiden sich daher für eine Sanierungslösung, die nicht nur das Innere der Rohrleitung, sondern auch das Äußere renoviert, also eine strukturelle Langzeitlösung. Sie können zum Beispiel vorgefertigte Elemente in die alte Leitung einfügen und den Kanal mit einem Verfahren namens Sliplining erneuern. Oder Sie legen ein harzgetränktes Rohr in den alten Kanal und härten das Harz mit Heißwasser, Dampf oder – bei Glasfaser-Rohren – mit UV-Licht aus. Diese Methode wird als Cured-in-Place Rohr (CIPP) bezeichnet und wird meines Wissens hauptsächlich für kleinere Durchmesser eingesetzt. Sliplining mit vorgefertigten Profilen ist bei größeren Durchmessern der richtige Weg, da Sie die Aushärtung steuern können und auch bei der Form der neuen Rohrleitung sehr flexibel sind. Amiblu hat schon die unkonventionellsten nicht-kreisrunden (NC) Rohre mit Durchmessern von bis zu vier Meter geliefert.
Welche Lösungen bietet Amiblu beispielsweise im Bereich der Sanierung?
Sommereijns: Mit den Technologien Flowtite und Hobas liefert Amiblu seit Jahrzehnten kreisrunde und NC-Rohre zur Erneuerung alter Kanäle. Die meist zwei bis drei Meter langen Elemente sind auf die alte Rohrleitung zugeschnitten und können ohne Schweißen problemlos im Kanal verbunden werden. Das geringe Gewicht der GFK-Elemente kommt beim Transport und besonders auf städtischen Baustellen zum Tragen, wo der Platz oft begrenzt ist und große Kräne nicht in Frage kommen. Sobald der alte Kanal mit den GFK-Rohren ausgekleidet ist, wird der Zwischenraum zwischen altem und neuem Kanal verfüllt und es entsteht eine komplett neue Rohrleitung. Obwohl der Durchmesser etwas kleiner ist, kann dank der spiegelglatten Innenfläche der Amiblu-Rohre mehr Wasser durchströmen als mit dem größeren Durchmesser.
Welche neuen Lösungen und Innovationen können wir von Amiblu in diesem Bereich erwarten?
Sommereijns: Wir bieten spannende Produkte, die vor allem Städten mit bestehenden Mischwassersystemen helfen. Unser CSO (Combined Sewer Overflow) Chamber und unser Amiscreen halten bei Starkregen Feststoffe in Regen- und Abwasser zurück. Das Amiscreen System kann auch in Regenüberlaufbecken aus anderen Materialien, wie zum Beispiel Beton, integriert werden, und zwar sowohl bei Neubau wie auch als nachträgliches Upgrade. Im Gegensatz zu konventionellen Filterelementen wirkt der Amiscreen direkt im Behälter und mit einer deutlich größeren Filteroberfläche. Wenn das Mischwasser in den Tank einläuft, wird die Fließgeschwindigkeit reduziert und dadurch können nur sehr kleine Schwebstoffe durch die Öffnungen eindringen. Größere Partikel gleiten außen an den Filterelementen entlang und sinken zu Boden. Sie können damit nicht verklumpen und den Filter verstopfen – und sichtbare Verschmutzungen in Vorflutern oder Ausläufen gehören der Vergangenheit an.
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