„Wir genießen ein hohes Maß an Vertrauen und Akzeptanz!“
Hamm Walzen sind bekannt für ihre hohe Funktionalität, hervorragende Wirtschaftlichkeit sowie für ihr ansprechendes futuristisches Design. THIS sprach mit Reinhold Baisch, Vorstand der Hamm AG, Tirschenreuth.
Herr Baisch, Sie haben in Tirschenreuth das Werksgelände umstrukturiert und weiter ausgebaut.
Reinhold Baisch: Wir investieren hier am Standort Tirschenreuth über einen Zeitraum von zwei Jahren intensiv in die vorhandene Infrastruktur und in die Erweiterung der Werkskapazitäten. Der Invest lag allein in 2016 bei ca. 25 Mio. Euro. Die Idee, die hinter der Werkserweiterung steckt besteht darin, die Großmaschinenfertigung und die Logistik komplett voneinander zu entkoppeln. Der Logistikbereich kann somit gleichermaßen dem Bandagenwerk und dem Montage- und Ersatzteilwerk zuarbeiten. Vorher hatten wir die Situation, dass eine Dreiteilung vorlag. Erstens die große Montagehalle in der alle 5-t-Maschinen und größer montiert wurde, dann die Freifläche dazwischen und drittens auf der andern Seite die gesamte Ersatzteillogistik. Mit der Investition Logistikhalle haben wir die Möglichkeit genutzt, die Logistikfunktionen aus der Montagehalle und aus dem Bandagenwerk herausziehen, um die Logistikprozesse ganz neu aufzusetzen. Wir gewinnen zusätzliche Montagefläche und zusätzliche Fläche im Ersatzteilbereich und können auch im Bandagenwerk entsprechend wachsen.
Die kompakten Walzenzüge der H Compactline gehörten zu den Highlights zur Bauma in München. Was waren die wesentlichen Entwicklungsschwerpunkte für diese Maschinen?
Reinhold Baisch: Bei den 5-t- und 7-t-Walzenzügen der H Compactline haben wir einen komplett neuen Weg eingeschlagen. Bei den Vorgängermodellen haben wir noch den gesamten Baukasten von 5 t bis 25 t angeboten. Zur Bauma 2016 in München haben wir im 10-t-Bereich einen Schnitt gezogen und dies aus mehreren Gründen. Zum einen sind wir heute deutlich stärker im Mietbereich positioniert. Nach meiner Einschätzung spielt der Vermietmarkt weltweit eine viel wichtigere Rolle als noch vor 10 Jahren. Betrachten wir nun den Einsatz eines klassischen Walzenzuges, so können Sie auch hier eine deutlich zunehmende Gewichtung in Richtung Vermietung beobachten. Ein weiteres großes Thema, das wir gerade auch im Rahmen der letzten Bauma fokussiert haben, ist das gesamte Thema „User-Interface“, also die sogenannte „Mensch-Maschine-Schnittstelle“. Denn sowohl der typische Maschineneinsatz als auch das Nutzerverhalten haben sich in den letzten Jahren nachhaltig verändert. Wir stellen vermehrt fest, dass sowohl in der Vermietung als auch im eigenen Fuhrpark größerer Bauunternehmen keine feste Fahrerzuordnung mehr stattfindet. Somit entstehen ganz andere Anforderungen an die Bedienung einer Baumaschine. Deshalb haben wir die 5- t und die 7-t-Maschinen stärker an die kompakten Tandemwalzen angelehnt und für beide Maschinentypen das gleiche Interface und Bedienkonzept aufgesetzt. Unsere Zielsetzung bestand hierbei im Wesentlichen darin, die gesamte Bedienung textarm und graphikstark zu gestalten, so dass auch über die Ländergrenzen hinaus die Maschine selbsterklärend ist.
Verbessert das auch die Produktivität des Walzenfahrers?
Reinhold Baisch: Ja, natürlich. Ich vergleiche diese Entwicklung sehr gerne mit der Entwicklung in der Autovermietung. Auch hier existiert schon sehr lange keine Eins-zu-Eins-Zuordnung mehr. Wenn Sie heute einen Mietwagen buchen, buchen Sie in der Regel eine Klasse und kein individuelles Fahrzeug. Niemand muss Ihnen heutzutage mehr die Funktionen des Fahrzeugs erklären. Wir glauben, dass man diese Entwicklung mittlerweile auf den Walzenbereich übertragen kann. Der Vermieter stellt für eine individuelle Baustellenanforderung ein Fahrzeug zur Verfügung. An dieser Stelle muss es gewährleistet sein, dass der Fahrer sofort produktiv mit der Maschine arbeiten kann. Zu diesen Anforderungen haben wir uns – auch in Interaktion mit vielen Partnern aus der Vermietindustrie – sehr intensiv Gedanken gemacht. Welche Trends können wir in Europa und in Amerika beobachten? Hier spreche ich von den beiden Hauptmärkten für solche Maschinen. Auch deshalb war es für uns sehr sinnvoll, diese Maschinen von den schweren Walzenzügen zu trennen. Und wenn Sie heute eine 1,5 t Maschine bei uns fahren, hat diese genau das gleiche Bedienkonzept wie eine 7 t Erdbau-Maschine. Aus diesem Grund genießen wir gerade bei den Vermietern und bei den großen Bauunternehmen ein sehr hohes Maß an Vertrauen und Akzeptanz.
Und wie sieht es bei den schweren Erdbau- und Asphaltwalzen aus?
Reinhold Baisch: Hier wiederum stellen wir dem Markt ein auf ganz andere Erfordernisse abgestimmtes Bedienkonzept zur Verfügung. Für diese Maschinentypen ist es entscheidend, Bedienkonzepte für Fahrer zu präsentieren, die teilweise 8 bis 10 Stunden auf einer Maschine zubringen. Somit waren die Aufgabenstellungen für unser Bedienkonzept Easy Drive für unsere schemelgelenkten Tandemwalzen der DV + - Serie ganz anders gelagert in Bezug auf die Ergonomie und einen erstklassigen Komfort der Maschinen. Darüber hinaus kommt bei der DV+ noch das Vorwärts-Rückwärtsthema dazu. Deshalb haben wir an dieser Stelle zwischen den beiden Maschinentypen der Kompaktklasse und den großen Maschinen so etwas wie einen harten Schnitt gemacht. Generell versuchen wir aber immer für alle Maschinen das klassische „Hamm-Look-and-Feel“ herzustellen.
Die Digitalisierung von Maschinen und Bauabläufen ist derzeit ein alles beherrschendes Thema. Wie geht man bei Hamm mit diesen Anforderungen um?
Reinhold Baisch: Die Erfassung, Übertragung und Auswertung von Maschinendaten wird immer wichtiger, um eine verbesserte Steuerung der Baustellen zu gewährleisten und den steigenden Anforderungen in Bezug auf Qualitäts- und Leistungsdokumentation zu begegnen. Bei all dem geht es für mich immer ganz entscheidend um die Daten-Schnittstelle. Gerade größeren Bauunternehmen arbeiten vielfach auch mit den Prozessmanagementlösungen anderer Hersteller oder verfügen gar über eigene Systeme zur Prozessoptimierung. Dabei müssen wir uns dann auf den Status Quo beim Kunden einstellen. Dann gibt es aber auch wieder Kunden, die unsere „Hersteller-Lösung“ komplett übernehmen möchten. Die Kunden nennen uns in diesem Fall die für sie entscheidenden Daten, die maschinentechnisch in einer bestimmten Form abgebildet werden sollen.
Auch die Maschinendiagnostik wird durch solche Systeme vereinfacht?
Reinhold Baisch: Ja, das ist für unseren Sales-Bereich von entscheidender Bedeutung. Über Telematik und GPS-Lösungen können wir nicht nur Service- und Wartungsintervalle planen, sondern auch ggfs. kritische Betriebszustände abfragen und eine Ferndiagnose erstellen, bevor ein Service-Techniker rausfährt. Denn in der Regel wird die Wartung auf der Baustelle durchgeführt. Der Techniker ist dann viel besser vorbereitet und kann, auf Grundlage der im Vorfeld ermittelten Daten, die richtigen Ersatzteile mit zum Kunden nehmen.
Und noch ein dritter Aspekt ist hoch spannend. Wir können Live-Maschinendaten aus der Praxis auch direkt für unsere Entwicklungsarbeit produktiv machen. GPS-Daten z.B. erlauben es uns nicht nur die Maschine zu lokalisieren, sondern vermitteln uns auch Informationen über die konkrete Nutzung der Maschine. Somit sind wir heute viel besser als früher dazu in der Lage, das Fahrverhalten einer Walze zu analysieren. Darüber hinaus haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, für den Fahrer die Bedienung der Walze mit intelligenten Assistenzlösungen zu vereinfachen. HCQ ist unser System zur flächendeckenden Verdichtungskontrolle, das der Fahrer sehr einfach und intuitiv bedienen kann. Gleichzeitig hat das Baulabor die Möglichkeiten zur Analyse aller über HCQ ermittelten relevanten Parameter.
Werden fundierte Daten bereits vom Auftraggeber eingefordert, um die Qualität der Verdichtung adäquat zu dokumentieren?
Reinhold Baisch: In vielen Ländern oder bei einigen ausschreibenden Behörden werden Systeme zur flächendeckenden Verdichtungskontrolle direkt mit ausgeschrieben. Der Spezifikationsgrad bei den ausschreibenden Behörden ist aber nach wie vor sehr unterschiedlich. In Skandinavien existiert hier zum Beispiel ein sehr hoher Entwicklungsgrad. In Neuseeland erleben wir aktuell, dass immer mehr ausschreibende Behörden entsprechende Systeme vorschreiben. Meines Erachtens ist es heute nicht die entscheidende Frage, ob die Forderung nach dem Einsatz solcher Systeme kommt, sondern die Frage lautet vielmehr, wie schnell werden solche Systeme auch wirklich flächendeckend gefordert. Das heißt also ganz klar, wie lange wird es dauern, bis sich solche Systeme in der Breite durchgesetzt haben.
Hier spielen auch wirtschaftliche Fragestellungen eine entscheidende Rolle.
Reinhold Baisch: Ja natürlich. Heute werden im Infrastrukturbau – im Straßenbau genauso wie bei der Erschließung von Industrieflächen – relativ teure Flächen erstellt. Es werden gesellschaftlich und wirtschaftlich relevante Werte geschaffen. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich, dass ein Auftraggeber vor Baubeginn und im Bauprozess valide Informationen über ein Grundstück und über dessen Bodenbeschaffenheit erlangen möchte. Er möchte genaue Kenntnisse darüber erlangen, wie der Untergrund beschaffen ist, auf denen er teure Infrastrukturen und Gebäude errichten möchte. Das Thema einer flächendeckenden Dokumentation des Baufortschritts wird also in jedem Fall kommen. Wir stellen heute fest, dass manch ein Bauunternehmen heute noch die mitunter etwas höheren Anschaffungskosten für eine diesbezüglich adäquat ausgestattete Maschine scheut. Aber in letzter Konsequenz werden steigende Stückzahlen und die Weiterentwicklung solcher Systeme dazu führen, dass diese zukünftig günstiger werden, so dass es zu einer größeren Verbreitung kommen wird.
Ist der nächste Schritt dann in naher Zukunft die Autonome Walze, über die auf der Bauma viel diskutiert wurde?
Reinhold Baisch: Die gesamte Automobilindustrie scheint derzeit kein anderes Thema mehr zu haben als das Thema autonomes Fahren. Auch marketingstrategisch ist das ein starkes Zugpferd. Und die Automobilindustrie ist, was den Fahrzeugbau angeht, eine klare Leitindustrie. Von daher schätze ich, dass das Fahrverhalten sich generell nicht nur bei den Automobilen verändern wird. In unserer Fertigung zum Beispiel hat das Thema Autonomes Arbeiten schon längst Einzug gehalten. In unserem Bandagenwerk sind vielfach Roboter im Einsatz. Ein Schweißroboterarm verfügt im Offset-Bereich über einen zweiten Roboterarm, der im Spiegelbereich dieselben Fertigungsarbeiten ausführt wie sein Master. Man spricht hier in der Industrie von einem „master-slave-Verhältnis“. Dieses Thema gibt es auch schon bei den Landmaschinen. Hier gibt es bei der Bewirtschaftung großer Liegenschaften einen sogenannten Leittraktor und einen Schattentraktor. Ein solches Konstrukt kann ich mir auch sehr gut im Bausektor vorstellen. Im Rahmen großer Verdichtungsprojekte könnte eine zweite Walze im Schattenbetrieb genau die Arbeiten durchführen, die die Leitwalze vorgibt. Quasi in einer Art von Spiegelfunktion. Ist das dann autonom oder eher teilautonom? Mittelfristig handelt es sich hierbei um eine Technologieentwicklung im Steuerungsbereich, die realisierbar sein wird. Aber allem voran ist dies ein „Health and Safety-Thema“, das mindestens genau so komplex ist, wie die Entwicklung der entsprechenden IT- und Steuerungssysteme.
Prototypisch konnten wir das Konzept einer autonom arbeitenden Walze hier bei uns auf dem Werksgelände relativ einfach realisieren, weil wir hier auf einer vordefinierten Fläche im Rahmen eines mehrstufigen Sicherheitskonzepts arbeiten. Live auf der Baustelle aber existieren komplett andere Rahmenbedingungen. Welche Aufwendungen muss ich betreiben – etwa auf der Grundlage von Warnsystemen, Radarsystemen oder Sensoren in Warnwesten – um das bestmögliche Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Diese Fragestellung der Unfallprävention auf der Baustelle wird derzeit in England, in den USA, in Australien und in Neuseeland sehr heiß diskutiert.
Was sind weitere entwicklungstechnologische Themen, die für Hamm derzeit relevant sind?
Reinhold Baisch: Die Baumaschinenindustrie hat – gewollt oder nicht gewollt – mit dem Bauma-Rhythmus eine Dreijahrestaktung. Und hier nimmt die Motorendiskussion nach wie vor einen großen Teil der Kapazitäten ein, die wir in Forschung und Entwicklung zur Verfügung haben. Es existieren vom Gesetzgeber klare Vorgaben. Der Zeitplan für die Umsetzung der Tier V-Richtlinien liegt soweit vor. Dies hat zur Folge, dass bei uns viele Ressourcen rund um das Thema Motor, Abgas, Kühlung, Sensortechnik, Elektronik und Steuerungstechnik gebunden sind. Die besondere Komplexität der Materie besteht darin, dass wir diese Technologien in vielen Teilen der Welt, in den sogenannten low-regulated markets, nicht einsetzen können. Noch vor 10 Jahren konnten Sie einen 10-t-Walzenzug mit einem identischen Motorkonzept weltweit verkaufen. Heute müssen Hersteller – in Abhängigkeit des Zielmarkts – zwei, drei oder vier verschiedene Antriebsmotoren anbieten, die unterschiedlich klassifiziert und strukturiert sind. Somit müssen wir bei der Antriebstechnik mitunter komplett unterschiedliche Ansätze wählen.
Ist das wirtschaftlich auf Dauer handelbar?
Reinhold Baisch: Das ist wirtschaftlich für den Maschinenhersteller schon ein Riesenspagat. Wenn die internationalen Märkte sich in zunehmendem Maße in Einzelstandards entwickeln, hat dies zur Folge, dass unsere Aufwendungen für die Entwicklung individualisierter Antriebstechnologien kontinuierlich steigen, die einzelnen Stückzahlen pro Markt aber gleichzeitig nach unten gehen. Sie bieten dem Kunden ja an dieser Stelle zunächst keinen Mehrwert an, sondern Sie erfüllen in erster Linie die vom Gesetzgeber formulierten Anforderungen. Bisher konnten Sie die Stückzahl 100 mit einer Antriebstechnik bedienen. Die Stückzahl bleibt ja bei 100, aber jetzt müssen Sie zwei, drei oder vier verschiedene Antriebskonzepte anbieten. Hier müssen wir es trotzdem schaffen, eine Klammer drum zu kriegen. Die spannende Frage besteht folglich darin, wie wir in der Entwicklung und in der Produktgestaltung mit diesen Verhältnissen umgehen. Wie schaffen wir es, bei zunehmend kleineren Stückzahlen trotzdem Baureihenplattformen zu entwickeln, die sehr individuell mit unterschiedlichen Antriebstechniken ausgestattet werden können. Bis hin zu der Fragestellung, was wir dann irgendwann mit den gebrauchten Maschinen machen? Mit diesem Thema ist die gesamte Industrie beschäftigt. Das sehen wir als eine der wesentlichsten Herausforderungen im Entwicklungsbereich in den nächsten Jahren.
Was sind dann noch sogenannte Mehr-Wert-Lösungen für den Kunden?
Reinhold Baisch: Es ist Teil unserer Unternehmensstrategie, unseren Kunden bei jedem neuen Motorensprung auch weitere Mehrwert-Lösungen zur Verfügung zu stellen. Unsere Fokussierung auf das Bedienkonzept war ja nicht alleine der Motorentechnologie geschuldet. Wir haben zu diesem Zeitpunkt erkannt, dass wir in der Motorentechnologie einen neuen Schritt gehen müssen, gleichzeitig aber die „Mensch-Maschine-Schnittstelle“ neu denken müssen. Hierfür haben wir ein maschinenübergreifendes Bedienkonzept entwickelt. Ein weiterer wichtiger Punkt auf der Bauma war die Hybridtechnologie. Hier möchten wir einen neuen Ansatz mit unserem PowerHybrid finden. Unsere Maschinen verfügen eh über einen Dieselmotor und über ein hydraulisches System. Dies führt ganz folgerichtig dazu, über Kombinationsmöglichkeiten nachzudenken. Auf dieser Basis können wir unseren Kunden mit dem PowerHybrid eine Technologie anbieten, mit der sie in der Lage sind unter dem kritischen 56 kW-Wert zu bleiben, um sich die relativ teure Abgastechnologie – also Adblue und SCR-Katalysator – zu sparen. All dies sind Ansätze, mit denen wir uns bei Hamm sehr intensiv beschäftigen. Es ist nicht verwunderlich, dass unsere Entwicklungsabteilung der Unternehmensbereich ist, der in den letzten Jahren am stärksten gewachsen ist. Über 10 % unserer Mitarbeiter sind in Forschung und Entwicklung tätig.