„Ziegel bedienen
den Puls der Zeit“
Stefan Jungk, Rudolf Bax und Oliver Rühr –
drei Praktiker der Ziegelindustrie im Gespräch
zum Thema „Bezahlbares Bauen und Wohnen“.
Stefan Jungk: Ziegel bieten viele Vorzüge. Sie ermöglichen monolithische Gebäudehüllen. Das bedeutet, dass sie ohne künstliche Wärmedämm-Verbundsysteme auskommen und auf der Baustelle leicht zu verarbeiten sind. Das spart Zeit, Geld und ein zusätzliches Gewerk auf der Baustelle.
Rudolf Bax: Bei Renovierung und Bauen im Bestand bieten sie aufgrund ihrer Formbeständigkeit technische Vorteile. Darüber hinaus garantieren sie ein gutes Raumklima.
Oliver Rühr: Die Frage lautet für uns eher: Warum setzt man Ziegel angesichts der vielen Vorteile nicht noch öfter ein? Die Punktvorteile sind für uns alle selbstverständlich, müssen aber im Markt weiter kommuniziert werden.
Zeit sparen?
Rudolf Bax: Ziegel sind bundeweit nahezu überall gleichermaßen verfügbar und auf kurzen Wegen lieferbar. Lange Transportwege und -kosten entfallen.
Stefan Jungk: Sie sind zeiteffizient in der Verarbeitung,
weil sich durch die Entwicklung von großformatigem Mauerwerk in relativ kurzer Zeit eine Tragwerkskonstruktion erstellen lässt. Bei einem solchen Mauerwerk mit Dünnbettmörtel ist der Fugenanteil dementsprechend sehr klein.
Somit trocknet das Mauerwerk schneller, die Bauzeit verkürzt sich weiter – all das wirkt sich natürlich positiv auf die Bau-
kosten aus.
Oliver Rühr: Ja, die halten wir natürlich trotzdem ein. Auch nachdem die Verordnung dieses Jahr um etwa 20 Prozent verschärft wurde, können wir Wohnhäuser in der beidseitig verputzten, bewährten Ausführung bauen – ohne künstliche Dämmschichten. Ziegel in häufig angewandten Wandstärken erreichen Wärmedurchgangskoeffizienten, die sogenannten U-Werte, bis 0,18 W/(m2K). Das unterbietet den in der EnEV beschriebenen Referenzwert von mindestens 0,28 W/(m2K) um einiges. Mit unseren gefüllten Ziegeln sind alle energetischen Standards möglich.
Oliver Rühr: Wenn man Konstruktionen mit Kalksandstein oder Beton samt erforderlichen WDVS durchkalkuliert, steht der Ziegel im Vergleich dazu sehr gut da. Dabei geht es nicht nur um den Preis des einzelnen Quadratmeters, sondern auch um alle anderen zusätzlichen Aufwendungen wie die Fensterbefestigungen oder die Standzeiten von Gerüsten.
Rudolf Bax: Bei den Gesamtkosten kann der Ziegel mehr als nur mithalten. Setzt man dann noch die Wohnqualität als Vergleichspunkt an, müsste die Entscheidung relativ leicht fallen.
Baustoffe für sich in Anspruch.
Stefan Jungk: Das stimmt, aber die thermische Speicherfähigkeit bzw. die Speichermasse von Ziegeln ist größer als die anderer Baustoffe. Das angenehme Raumklima im monolithischen Haus entsteht zum einen durch die vielen luftgefüllten Poren im Ziegel, die für Dämmung sorgen. Zum anderen kann der Ziegel aber auch Wärme speichern. Kurz: Im Sommer sorgt der Ziegel für Kühle, im Winter für Wärme.
Stefan Jungk (lacht): Vielleicht liegt es daran, dass sich die Farbe des Ziegels seit 4.000 Jahren nicht verändert hat und der Fortschritt in Technik bzw. Herstellung dadurch nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.
Oliver Rühr: Das Image unseres Baustoffs leidet bei Manchem bis heute darunter, dass wir im Mehrgeschossbau auf neue Anforderungen nicht direkt eine Antwort hatten. Beim Wärmeschutz war der Ziegel schon immer ganz vorne mit dabei, aber beispielsweise beim Schallschutz waren die gesellschaftlichen Bedürfnisse vor 15 Jahren bei weitem nicht so ausgeprägt.
Dabei sind mit dem Ziegel als massives Bauteil in Wand und Decken auch erhöhte Schallschutzanforderungen problemlos realisierbar.
Rudolf Bax: Seit mehreren Jahren produziert unsere Industrie gefüllte Ziegel, die ich persönlich Hybrid-Produkte nenne. Diese hochmoderne Produktlinie findet zum überwiegenden Teil im Geschosswohnungsbau Anwendung und ist deswegen auch für den sozialen Wohnungsbau interessant.
Stefan Jungk: Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen – ich denke, dass der Ziegel als Konsequenz unserer technologischen Entwicklungen zunehmend als moderner Baustoff wahrgenommen wird. Einen Teil dazu trägt sicher auch unsere gemeinsame Informationskampagne „Lebensraum Ziegel“ bei, die privaten Bauherren und Profis hersteller- und produktneutrale Informationen zur Verfügung stellt. Ähnliche Initiativen bei unseren Mitbewerbern kenne ich zumindest nicht.
Rudolf Bax: Da gibt es grundsätzlich zwei Verfahren. Beim ersten werden Mineralwollstecklinge in größere Kammern im Ziegel eingebracht, beim zweiten füllen wir Mineralwolle in kleinere, filigrane Löcher. Das Ergebnis beider Verfahren ist das gleiche: Die Produkte erfüllen alle genannten Anforderungen – Wärme- und Schallschutz – in höchstem Maße. Wir haben einen großen Anteil moderner Produkte am Markt und müssen uns damit nicht verstecken.
Oliver Rühr: Besonders im Geschosswohnungsbau sehe ich das größte Potenzial für die Zukunft. Viele Planer und Bauausführende haben den Ziegel als einen sehr guten Baustoff
wiederentdeckt, da findet ein Umdenken statt. Trotzdem kommt es vor, dass Architekten, Statiker oder Bauphysiker
selten oder noch gar nicht mit Ziegeln gearbeitet haben. In
diesen Fällen müssen wir beraten und über das „Komplett-
paket“ informieren.
Rudolf Bax: Jedes Ziegelwerk hat für seine entsprechende Region Fachberater, die Bauingenieure sind und Kunden betreuen. Die wichtigste Aufgabe ist die gesamtheitliche Betrachtung der Anforderungen an das Ziegelmauerwerk. Spätestens im Geschosswohnungsbau brauchen Sie einen Statiker, der das Tragwerk berechnet. Wir haben unsere Beratungsleistungen im letzten Jahrzehnt enorm ausgebaut.
Oliver Rühr: Die Beratung setzt schon bei der Wahl der Anlagentechnik an. Heizung, Lüftung und Warmwasserbereitung bestimmen in der Planungsphase maßgeblich die Wahl des passenden Ziegels. Es gibt bei Ziegeln eine enorme Produktvielfalt, spezielle Produkte für praktisch jeden Einsatzbereich. Wir haben für sehr viele Ansätze passende Lösungen zu bieten.
Das Problem ist, dass meist umgekehrt gedacht wird: Die Gebäudehülle steht schon fest, und später kommt die Anlagentechnik hinzu. Das ist nicht immer optimal.
Stefan Jungk: Planungsfehler können später teuer werden. Mit unserer Unterstützung können Immobilienentwickler,
Planer und Bauunternehmer daher Geld sparen. Für optimale Effizienz beim Bauen sollten unsere Berater also möglichst früh an Bord geholt werden.
Oliver Rühr: Nein, das liegt auch an den steigenden Anforderungen im Allgemeinen. Seit ich vor 14 Jahren zur Ziegel-industrie gekommen bin, hat sich im Hinblick auf Normen viel verändert: Die EnEV ist dabei nur ein Beispiel. Auch normative Veränderungen beim Brandschutz, Schallschutz oder bei der Statik sind hinzugekommen und stellen neue, hohe Anfor-
derungen an alle Planer und Bauausführenden – und natürlich an das Produkt Ziegel.
Stefan Jungk: Der Beratungsaufwand ist auch deswegen
größer, weil wir in Segmente vorstoßen, in denen die Ziegel-
industrie bisher nicht präsent war. Der Geschosswohnungs-
bau ist anspruchsvoll, und noch ist nicht jedem Bauträger klar,
dass alle gesetzlichen Vorgaben mit Ziegeln gut erfüllt werden
können.
Rudolf Bax: Ein Planer muss heute einfach sehr viele Themen und Gewerke im Blick haben. Dabei unterstützen wir gerne. Ziel der nächsten Jahre wird es sein, das Bauen mit Ziegeln noch einfacher zu gestalten.
flexible Konzepte für eine spätere Anpassung an eine
andere Nutzung, etwa als preiswerter Wohnraum?
Stefan Jungk: Ja, wir haben beispielsweise in Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit einem Bauunternehmen ein Nachbau-Konzept für ein Flüchtlingswohnheim erstellt, das eine spätere Nutzungsänderung berücksichtigt. Ähnliche Konzepte liegen auch von anderen Ziegelherstellern vor.
Variable Grundriss-Möglichkeiten können durch eine spezielle Tragkonstruktion erreicht werden. Lediglich Außen- und Flurwände werden als tragende Elemente errichtet: Die Wohnungstrennwände sind Leichtbauwände, die bei Bedarf eingezogen oder entfernt werden können.
Oliver Rühr: Ich stimme zu, dass es wenig sinnvoll ist, auf irgendeiner grünen Wiese Unterkünfte ohne Perspektive und Nachnutzungskonzept zu bauen. Ein Positivbeispiel ist ein Wohnhaus-Konzept in modularer Bauweise, welches das Ziegel Zentrum Süd erarbeitet hat. Wir bei Wienerberger haben auf Basis des „Kieler Modells“ das Konzept „Wohnraum für alle“ entwickelt.
Der dabei gewählte Grundriss ist weitsichtig: Für die erste Nutzungsphase braucht es einen Ort zum Ankommen mit vielen kleinen Räumen. Wenn dann das Gebäude von anderen Nutzern langfristig bewohnt wird, können Grundrisse flexibel angepasst werden. Einzelne Räume werden zu Wohnungen zusammengefasst. Das wird durch mehrere, unterschiedlich große Module möglich.
Rudolf Bax: Beim Umbau von beispielsweise Altbauten wirken sich natürlich die bereits genannten Eigenschaften des Ziegels – Dämmstoff-Füllung, guter Schallschutz usw. – positiv aus, aber auch die Formbeständigkeit.
Stefan Jungk: Der Ziegel ist bereits gebrannt und trocken. Das heißt: Eine Ziegelwand arbeitet nicht unter wechselnden Temperatureinwirkungen. Wenn angebaut oder aufgestockt wird, führt das zu dem entscheidenden Vorteil, dass Verbindungsstellen formstabil bleiben. Das beugt einer nachträglichen Rissbildung vor und verringert gleichzeitig Wärmebrücken.
Rudolf Bax: Hier liegt der größte bauphysikalische Vorteil des Ziegels: Er ist ein natürlicher Feuchteregler. Aufgrund seines
kapillaren Gefüges kann er Raumfeuchte aufnehmen, speichern, und bei günstigen klimatischen Bedingungen rasch wieder abgeben. Schimmelbefall ist bei dieser geringen Feuchte im Mauerwerk extrem selten.
Oliver Rühr: Diese positive Produkteigenschaft bietet jedem Bauherren zusätzliche Sicherheit, das ist vor allem im Wohnungsbau von großer Bedeutung.
Stefan Jungk: Der von Natur aus geringe Feuchtigkeitsgehalt des Ziegels ist aber schon beim Bauen vorteilhaft. Lange Wartezeiten, in denen der Baustoff erst trocknen oder erhärten muss, gibt es nicht. Letztendlich verringert das die Baukosten.
Stefan Jungk: Ein Schwerpunkt wird darauf liegen, noch passendere Produkte für die unterschiedlichen Bauaufgaben im Bereich Geschossbau oder Ein- und Mehrfamilienhaus zu finden. Die Produktpalette erweitert sich beständig. Einen weiteren Wachstumsbereich sehen wir, wie schon erwähnt, bei den Dienstleistungen.
Rudolf Bax: Genau wie Herr Jungk sehe ich vor allem eine weiterhin steigende Beratungsleistung. An dieser Stelle wird es immer wichtiger, die Lehre vom Mauerwerksbau schon in der Ausbildung der Bauingenieure und Architekten an den Hochschulen wieder stärker zu fördern. Oftmals dominiert dort nämlich die Tradition des Stahlbetonbaus.
Oliver Rühr: Ich sehe einen sehr positiven Trend bei der bauenden Wohnungswirtschaft, nämlich die Rückkehr zur mono-lithischen Ziegelwand mit all ihren Vorteilen. Vor allem mit der Wartungsarmut unserer Fassaden können wir überzeugen.
Es gilt, diese Entwicklung angesichts der Vielzahl an Bauauf-
gaben fortzusetzen.
führer Klinker- und Ziegelwerk Franz Wenzel GmbH + Co. KG
von Ziegelbauwerken, müsste die Entscheidung
beim Thema Baustoff relativ einfach sein.“