…und es kommt darauf an, was man daraus macht!
Interview mit Ulrich Aumüller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Lafarge Zement GmbH
Zement und Beton gehören zusammen, deshalb fiel dem Redakteur der bekannte Werbespruch ein, als er über eine geeignete Überschrift für dieses Interview nachgrübelte. Anfang September 2010 führte Volker Horschig, Redaktion tis, dieses Interview mit Ulrich Aumüller im Zementwerk Wössingen der Lafarge Zement GmbH. Die Fotos schoss Marvin Klostermeier.
Aumüller: Der wirtschaftliche Aufschwung ist weitgehend von der Exportindustrie getragen. Unsere Kunden, die Bauwirtschaft, bedienen dagegen die Binnennachfrage, die weiter verhalten bleibt. Wir haben ein schwieriges Jahr 2009 hinter uns. Der Zementverbrauch in Deutschland ist 2009 um neun Prozent auf ein historisches Tief gesunken. Und für 2010 rechnet der Bundesverband der Deutschen Zementindustrie, BDZ, nochmals mit einem Rückgang der Volumen um drei Prozent auf rund 24,5 Millionen Tonnen Zement. Das entspricht dem Niveau der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1988, also noch vor der Wiedervereinigung. Der Wirtschaftsbau, der bis 2008 das Wachstum getragen hat, ist 2009 und 2010 eingebrochen. Die Zementnachfrage im Tiefbau hat sich im gleichen Zeitraum trotz der Konjunkturpakete lediglich stabil entwickelt, weil große Teile der öffentlichen Mittel in Renovierungen und Sanierungen geflossen sind, in denen relativ wenig Zement benötigt wird. Die Haushaltskonsolidierung des Bundes und die Finanzlage der Kommunen engen den Spielraum für öffentliche Investitionen in den nächsten Jahren ein. Wir sehen deshalb eine leicht rückläufige Entwicklung im Tiefbau. Im Wohnungsbau sieht es etwas besser aus: Hier rechnen wir mit Zuwächsen für 2010 und 2011.
Wir haben also keinen Grund zur Euphorie. Ich bin aber verhalten optimistisch, dass sich der Markt 2011 stabilisiert oder sogar leicht erholt. Was Lafarge Zement betrifft: Das Unternehmen ist vor allem dank strikter Kostenkontrolle ohne Schaden durch das Krisenjahr 2009 gekommen. Für 2010 liegen unsere Erlöse im Branchentrend.
Aumüller: Lafarge Zement konnte seine Marktstellung halten. Wir sind geographisch breit aufgestellt und sowohl in den neuen als auch den alten Bundesländern im Markt vertreten. Unser Werk in Karsdorf (Sachsen-Anhalt) beliefert einige „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ – zum Beispiel die ICE-Neubaustrecke zwischen Nürnberg und Berlin sowie Autobahnbaustellen an den Projekten A38, A71 und A4. Dadurch konnten wir 2009 und 2010 die Rückgänge in anderen Bereichen teilweise ausgleichen.
Aumüller: Für uns rückt der westdeutsche Markt, der sich bereits dieses Jahr stabilisiert, stärker in den Fokus. Bauvorhaben wie Stuttgart 21 oder die Kombilösung in Karlsruhe, wo die Straßen- und Stadtbahn unterirdisch geführt werden, liegen im Nahbereich unseres Werkes Wössingen. Insgesamt geht es uns ganz klar um die Konsolidierung der Zementvolumen und eine Verbesserung unserer Margen, um die in den kommenden Jahren erforderlichen Investitionen in Energieeffizienz und Klimaschutz zu finanzieren.
Aumüller: Lafarge zählt zu den größten Zementherstellern der Welt. Wir beschäftigen in 78 Ländern knapp 80.000 Mitarbeiter. In Europa ist Lafarge in vielen Ländern Marktführer, zum Beispiel in Frankreich, England, Polen, Griechenland oder Österreich. In Deutschland gehören wir zu den sechs größten Herstellern. Lafarge hat den Anspruch, in den Märkten, in denen wir präsent sind, zu den wichtigsten Zementherstellern zu zählen und profitabel zu sein. Auch wenn Lafarge schwerpunktmäßig in den Schwellenländern wächst und expandiert, nutzt die Gruppe auch Chancen zur Konsolidierung in Europa, wenn sie sich bieten. Die vor einigen Monaten angekündigte Zusammen-
führung der Zementaktivitäten von Strabag und Lafarge in Österreich, Tschechien, Slovenien und Ungarn ist ein gutes Beispiel dafür.
Aumüller: Für Lafarge ist die Schonung der natürlichen Ressourcen sowie die Reduzierung der produktionsbedingten Emissionen, insbesondere natürlich CO2, ein zentrales Thema.
Neben einer kontinuierlichen Verbesserung der Energieeffizienz, das heißt der Senkung des Energieeinsatzes pro Tonne Zement, schonen wir Ressourcen durch den Einsatz von Sekundärbrennstoffen. Das sind alternative Energieträger wie sie z.B. bei der Aufbereitung von Reifen, Altölen oder ausgesuchten kommunalen und gewerblichen Rückständen anfallen. Diese Stoffe sowie Biomasse ersetzen fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Gas bei der Zementherstellung, deutschlandweit entspricht dies über 1,8 Millionen Tonnen Steinkohle pro Jahr oder 58% des gesamten Brennstoffbedarfs der Industrie, bei Lafarge derzeit sogar über 60%. Das Werk Wössingen ist sogar technisch in der Lage, 100 Prozent Ersatzbrennstoffe einzusetzen. Die Nutzung dieser Stoffe erfolgt in einem strikten genehmigungsrechtlichen Rahmen mit einem weiteren positiven Effekt für die Umwelt: Je mehr Ersatzbrennstoffe ein Zementwerk einsetzt, desto niedriger sind die einzuhaltenden Emissionsgrenzwerte für Staub und Stickoxide (NOx).
Der zweite Hebel zur Senkung der Emissionen ist die Zumahlung klimaneutraler Produkte bei der Zementherstellung wie Hüttensand, Kalksteinmehl oder Flugasche. Traditionell wurden CEM I-Zemente, das heißt klassische Portlandzemente eingesetzt, die zu ca. 95 Prozent aus Klinker, dem Produkt des Brennprozesses im Zementofen, bestehen. Bei der Klinkerherstellung wird der größte Teil des gesamten emittierten CO2 frei. CEM II- und CEM III- Zemente dagegen werden mit verringerten Klinkergehalten hergestellt, bei CEM III/B-Zementen um bis zu 75% weniger. Dadurch können wir die CO2-Emissionen pro produzierter Tonne Zement deutlich senken. Bei Lafarge Zement haben wir den Anteil der CEM I-Zemente am Produktportfolio in den letzten fünf Jahren bereits von 56% auf 26% verringert.
Aumüller: Die Europäische Kommission legt derzeit die Ausgestaltung des CO2-Emissionshandels für die Jahre 2013 bis 2020 fest. Bereits seit langem war vereinbart: Es wird eine EU-weite Gesamtobergrenze an CO2-Emissionen geben, die stufenweise sinkt. Ziel ist, dass 2020 21% weniger CO2 emittiert wird als 2005. Um dies EG-weit zu erreichen, wird Deutschland seine Emissionen in weit höherem Masse, nämlich über 30%, beschneiden. Es ist deshalb ärgerlich, dass dieses ambitionierte Sparziel, auch von Politikern der Regierungsparteien, in Frage gestellt und Zahlen von 40% CO2-Reduktion in Deutschland debattiert werden. Es sind diese utopischen Konzepte, die auch die Debatte über den Energiemix in Deutschland bestimmen. Was oft über-
sehen wird: Nicht allein der Emissionshandel wird die energieintensiven Industrien belasten! Das Sparpaket der Bundesregierung wird alle Unternehmen nochmals massiv zur Kasse bitten, um den von uns prinzipiell befürworteten ökologischen Umbau der Stromerzeugung zu finanzieren: In Form von Umlagen zum Ausbau der Netze, durch erhöhte EEG (erneuerbare Energien Gesetz) Abgaben sowie durch die Stromsteuer. Aus diesem Titel werden die Kosten ab dem kommenden Jahr allein für die Zementindustrie um über 11 Millionen Euro gegenüber 2010 steigen. Die gestiegenen Kosten können wir nur zu einem gewissen Grad an unsere Kunden überwälzen. Mir hat bisher noch niemand erklären können, was für den Industriestandort Deutschland oder für das Weltklima dadurch gewonnen wird, dass wir die Produktion energieintensiver Produkte wie Stahl, Zement oder Aluminium bei uns unrentabel machen und ins Ausland verlagern.
Aumüller: Die Produktionskapazität reicht in Europa aus, um die Nachfrage abzudecken, auch bei optimistischem Blick in die Zukunft. Neue Werke wird es daher kaum geben, außer vielleicht als Ersatz für obsolete Technik wie z.B. in Russland. In Westeuropa steht die Modernisierung im Vordergrund. Stichworte: bessere Prozesskontrolle, erhöhter Einsatz von Ersatzbrennstoffen und Senkung des Energieverbrauchs z.B. mit moderner Mühlentechnik.
Wössingen ist ein gutes Beispiel für diesen Trend: Wir haben unser Werk 2008/2009 für zirka 60 Millionen Euro komplett modernisiert, ohne dabei unsere Kapazitäten in Deutschland wesentlich zu erhöhen. Der Fokus lag auf Qualität, Umweltschutz und Kostensenkung. Wir sparen ca. 25% Energie und senken die brennstoffbedingten CO2-Emissionen um 20 Prozent je produzierter Tonne Zement.
Aumüller: Das Produktportfolio wird sich in Zukunft noch stärker hin zu Kompositzementen (CEM II, CEM III) verschieben. Zumahlstoffe wie Flugasche oder Puzzolane werden an Bedeutung gewinnen. Lang-
fristig muss meiner Meinung nach auch die Normung der Zemente in Deutsch-
land überdacht werden. Bestimmte Sorten (CEM IV- und CEM V-Zemente) bei denen Zumahlstoffe kombiniert werden, existieren zwar in der Norm, sind aber in Deutschland für bestimmte Einsatzbereiche nicht zugelassen und deshalb de facto un-
verkäuflich. Im Interesse der Hebung zukünftiger Potenziale in Sachen CO2-Reduktion müssen diese Beschränkungen, die nicht immer sachlich begründet sind, auf den Prüfstand.
Aumüller: Wir haben bei Lafarge in Deutschland mit über 30 Produkten ein breites Produktsortiment. Wir bieten Stan-
dardprodukte für alle Anwendungsbereiche sowie Spezialzemente, Produkte für die Bodenstabilisierung und Sackzemente an. Damit decken wir das komplette Kundenspektrum von Transportbeton-
werken über Fertigteil- und Betonwarenherstellern bis hin zum Fachhandel und Baumarkt ab. Zementherstellung ist ein regionales Geschäft und deshalb bieten wir unseren Kunden ein möglichst breites Angebot.
ziehungen (Kommunikation, Beratung, Marketing) bestehen zwischen Lafarge und dem Endkunden „zementgetriebener“ Produkte, z.B. dem Bauunternehmer?
Aumüller: Wir legen bei Lafarge Zement viel Wert auf die technische Beratung unserer Kunden. Wir entwickeln gemeinsam mit dem Betonhersteller oder Bauunternehmen Lösungen, die optimal für die Anforderungen auf der Baustelle geeignet sind und unterstützen sie beim Einbau des Betons vor Ort. 20 Mitarbeiter sind in unseren Betonlaboren und in der Bauberatung tätig, mehr als im Verkauf. Deshalb schneiden wir in den Kundenzufriedenheitsbefragungen in diesem Bereich seit Jahren sehr gut ab.
Wir engagieren uns auch in unserem Marketingverband, BetonMarketing Deutschland. Gerade in der Nachhaltigkeitsdiskussion brauchen unsere Kunden gesicherte Zahlen und Fakten, die die unbestrittenen Vorteile des Bauens mit Beton wissenschaftlich untermauern. Argumente pro Beton aufzuzeigen im Hinblick auf CO2-Bilanzen und die Energieeffizienz über den gesamten Lebenszyklus inklusive Recyclingfähigkeit sehen wir als zentrale Aufgabe unseres Marketings – insbesondere im Vergleich zu konkurrierenden Baustoffen wie Stahl und Ziegel im Hochbau oder Asphalt und Naturstein im Verkehrswegebau.
Aumüller: Ich verstehe die Frage als: „Was ist bei Lafarge anders als bei seinen Wettbewerbern?“ Da fällt mir dreierlei ein. Lafarge Zement hat auf dem deutschen Markt ein Alleinstellungsmerkmal insofern, als dass wir keine eigenen Betonwerke betreiben. Mit anderen Worten: Wir machen unseren Kunden in ihrem Geschäft keine Konkurrenz und verstehen uns als unabhängiger Partner des Mittelstands. Wir haben den Anspruch, durch die Qualität und Preiswürdigkeit unserer Produkte und durch unseren Service zu überzeugen.
Sehr stolz bin ich auf unsere Arbeitssicherheitskultur. Sicherheit hat bei Lafarge überall auf der Welt oberste Priorität. Hier hat sich Lafarge Zement in den letzten Jahren stark verbessert. Wir erreichen eine Unfallhäufigkeit von ca. drei meldepflichtigen Unfällen je Million geleisteter Arbeitsstunden. Zum Vergleich: Der deutsche Branchendurchschnitt liegt siebenmal höher.
Und wir planen in den kommenden Jahren weiterhin Produktinnovationen: So ist für 2011 die Markteinführung eines Flug-aschekompositzementes geplant; in Wös-
singen arbeiten wir an einem Spritzbindemittel für den Tunnelbau sowie einem Bindemittel für den Spezialtiefbau. n
Lieber Herr Aumüller, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Aumüller: “Wir machen unseren Kunden in ihrem Geschäft keine Konkurrenz!“