Verkehrsabflüsse fit für die Versickerung
Intensive Nutzung und Bebauung von Landflächen, stetig zunehmender Ausbau von Verkehrs-, Industrie- und Siedlungsflächen – das sind Faktoren, die den natürlichen Wasserhaushalt negativ beeinflussen. Denn versiegelte Flächen verhindern nicht nur die Verdunstung, auch die Grundwasserneubildung wird unterbunden. Niederschläge gelangen nicht ins Grundwasser, sondern fließen als Oberflächenabfluss durch die Kanalisation ab. Die Folge: Kanäle und Kläranlagen sind – insbesondere bei extremen Regenereignissen – stark überlastet. Es kommt immer häufiger zu Kellerrückstau und Straßenüberschwemmungen. Moderne Planungen sehen deshalb vor, dass die Niederschläge direkt vor Ort versickern. Dafür muss das Regenwasser häufig von hohen verkehrsbürtigen sowie per Windfracht transportierten Schadstofflasten in geeigneten Anlagen gereinigt werden.
Zusätzliche Herausforderung: Vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage vieler Kommunen müssen die Anlagen nicht nur hochwirksam sondern auch kostengünstig arbeiten. Wartungskosten dürfen nur in geringem Ausmaß anfallen. Lange Wartungsintervalle sind anzustreben. Mit Hilfe einer umfangreichen Versuchsanlage ist es nun gelungen, einen Rinnenfilter zu entwickeln, der all diesen Anforderungen entspricht.
Herkömmliche Abwassersysteme stoßen an ihre Grenzen
Bisher gab es zwei Möglichkeiten, die Überlastung der Abwassersysteme zu verhindern. Entweder wird der Niederschlag in Regenwasserleitungen getrennt aufgefangen und nicht in die Kläranlage, sondern direkt in die Vorflut geleitet, oder Regenrückhalte- und Überlaufbecken sorgten für eine Entlastung der Kläranlagen. Beide Wege sind nicht nur teuer, sondern lösen auch das eigentliche Problem nicht, denn nach wie vor versickert zu wenig Regenwasser im Boden. Außerdem werden u.a. durch Abnutzung und Verschleiß im Straßenverkehr oder durch verfahrenstechnische Prozesse jedes Jahr Tonnen von Schadstoffen freigesetzt. Bei Überlastung der Kläranlagen oder über die Regenwasserabläufe im Trennsystem gelangen die Schadstoffe in unsere Flüsse oder ins Grundwasser, sofern eine vorgeschaltete Regenwasserbehandlung ausbleibt.
Inzwischen hat auch der Gesetzgeber das Problem erkannt. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) empfiehlt seit 2009 den Ländern und Kommunen, die naturnahe Behandlung des Regenwassers zu forcieren. Naturnah heißt: Es soll möglichst dort versickern, wo es anfällt. Im einfachsten Fall kann das Regenwasser oberirdisch über eine Grünfläche oder eine Grünmulde gereinigt und zu 100% versickert werden. Dies ist jedoch nicht immer möglich – wie etwa in Industriegebieten, die mit besonders wassergefährdenden Schadstoffen belastet sind.
Problematisch ist die Situation in Ballungsräumen, weil dort hohe Grundstückspreise das Freihalten von ausreichenden Versickerungsflächen verhindern. Dabei brauchen gerade solche Gebiete Alternativen zur traditionellen Siedlungswasserwirtschaft. Starke Regenfälle führen hier besonders häufig zu Straßenüberschwemmungen und Kellerrückstau.
Diese Faktoren stecken den Rahmen ab für ein alternatives Regenwasserbehandlungssystem. Es muss sich nahtlos in die vorhandenen Verkehrsflächen einfügen, höchsten mechanischen Belastungen Stand halten, Schadstoffe besonders effektiv filtern und dauerhaft binden sowie hohe Feststofffrachten aufnehmen. Städte und Gemeinden legen außerdem einen hohen Wert auf lange Betriebszeiten und eine einfache Wartung.
Eine neuartige Filtersubstrat-Rinne
In Zusammenarbeit mit renommierten Forschungseinrichtungen wie der Technischen Hochschule Karlsruhe und der Ingenieurgesellschaft Bioplan hat die Hauraton GmbH & Co. KG ein hochwirksames und äußerst robustes Reinigungssystem für schadstoffbelastetes Regenwasser entwickelt, das all diese Forderungen erfüllt. Um die Alltagstauglichkeit sicherzustellen, erfolgte die Entwicklung nicht nur im Labor, sondern überwiegend unter Realbedingungen in einer Pilotanlage in Augsburg. Sie liegt an einem stark befahrenen Autobahnzubringer mit einer entsprechend hohen Wintersalzung. Um eine höchstmögliche Belastung herbeizuführen wurde mit der Stadt Augsburg zusätzlich der Verzicht auf Straßenkehrungen vereinbart.
Das reale Verkehrsaufkommen betrug vor dem Autobahnanschluss im Jahr 2009 ca. 6000–7500 Kfz/d mit 15–20 % LKW Anteil (Zählungen im Zeitraum 1996-2004) Unter diesen Bedingungen wurde die stoffliche und hydraulische Leistung des Rinnenfiltersystems untersucht. Da vor der Inbetriebnahme der Anlage im April 2009 bereits von November 1996 bis Oktober 2005 stoffliche Rückhalteleistungen verschiedener Behandlungssysteme durch die LfU Bayern an dieser Anlage geprüft wurden, bestand für die Untersuchung des Rinnenfiltersystems eine exzellente Zulaufreferenz.
Die Versuchsanlage in Augsburg
Die Abflüsse von der zur Versuchsanlage geneigten asphaltierten Fahrbahn werden fünf Versuchsfeldern gleichmäßig zugeführt. Ein Feld wird für die Erfassung des Zulaufsignals genutzt. In 4 weiteren Feldern wurden Filterrinnen mit unterschiedlich großen Filterflächen und Rückhaltevolumina angeordnet. Die Rinnenfilterabläufe wurden vollständig über Sammelbehälter erfasst.
Das belastete Regenwasser läuft von den angeschlossenen Verkehrsflächen in unterschiedlich dimensionierte Entwässerungsrinnenkörper mit speziellem Filtersubstrat. Bei dem Substrat handelt es sich um ein kalziumkarbonathaltiges Gemisch, in dem eine weitgehende und schnelle Trennung des Regenwassers von den partikulär vorliegenden Schmutz- und Schadstoffteilchen erfolgt. Der Porenraum des Gemisches ist so engmaschig eingestellt, dass selbst feinste Teilchen bereits an der Substratoberfläche zurückgehalten werden. Die Filterbettverweilzeit entspricht dabei den Empfehlungen der DWA hinsichtlich der Verweilzeiten in belebten Bodenzonen. Etwaig rückstauendes Wasser bei extremen Regenereignissen wird in dem sehr großen Retentionsraum der Rinnen zwischengespeichert, so dass kein Notüberlauf erforderlich ist. Anschließend wird das von Schadstoffen befreite Regenwasser am Boden der Rinne durch ein Drainagerohr abgeleitet.
Neben großen Auffangbehältern für das Filtrat wurden, zusätzliche Überlaufbehälter nachgeschaltet. Auf diese Weise können auch die Überläufe der kleineren Filtereinheiten bei Überlastereignissen, sicher aufgefangen und ausgewertet werden. Damit lassen sich über den gesamten Jahresverlauf 100 % der Regenwasserablauf- und Überlaufmengen exakt bestimmen, sowie Fest- und Schadstoffe quantitativ und qualitativ erfassen. Eine spezielle Gischtauffangwand am Fahrbahnrand verhindert zudem Spritzwasser- und Sprühnebelverluste der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Schad- und Feststoffeinträge werden maximiert.
So lassen sich Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sich der Schadstoffrückhalt und die Durchlässigkeit der Filter in Anhängigkeit von der Filterflächengröße über einen langen Versuchszeitraum entwickeln. Besonders bedeutsam ist der Einfluss der Jahreszeiten mit den saisonal typischen Belastungsprofilen.
Parallel zu den Hauptuntersuchungen an den Rinnenfiltern wurde auch die Wirksamkeit von Geotextilfiltersäcken untersucht. Diese wurden dem Überlauf der Rinnenfilter nachgeschaltet. Auch hierzu lagen bislang keine Langzeitmessergebnisse vor.
Versuchsergebnisse
Die Versuchsanlage lieferte eine Reihe wichtiger Erkenntnisse, die in die Entwicklung des Substratfilters mit einfließen konnten. Besonders wichtig ist die Fähigkeit des Substrats, verkehrsübliche Schadstoffe wie Schwermetalle, MKW`s oder PAK`s, auch bei extremer Wintersalzung, dauerhaft zu binden. Hierbei spielen der hohe Karbonatgehalt des Substrats und der verkehrsflächenbürtige Eisenanteil der Feststoffabflüsse entscheidende Rollen.
An den lückenlos aufgefangenen und zu Quartalsmischproben zusammengefassten Abflüssen ließen sich Stressfaktoren wie Tausalzbelastung, Feststoffabflussspitzen etc. in ihrer wiederkehrenden Amplitude sehr gut abbilden. So ergaben Messungen des 3. Quartals Natriumkonzentrationen in der Größenordnung von 3-4 mg/l, während in den 1. Quartalen jeweils Werte > 1000 mg/l gemessen wurden.
Ein dispergierender Effekt des Tausalzeinflusses auf die Feststofffracht ließ sich sowohl optisch an der entstandenen Trübung im Filterablauf wie auch stofflich an den um den Faktor 10 erhöhten Ablaufwerten von Zink im Winterbetrieb feststellen. Dabei werden die Aggregate bildenden mehrwertigen Kationen wie z.B. Kalzium zunehmend durch einwertiges Natrium ersetzt.
Dennoch konnten mit dem Reinigungssystem die derzeit gültigen Grenzwerte der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV, 1999) nachweisbar weit unterschritten werden.
Wichtig ist auch die langjährige Durchlässigkeit des Filters. Voraussetzung hierfür ist ein trocken fallendes System. Zudem muss für eine ausreichende Porenneubildung durch Restrukturierung des eingetragenen Sedimentes über chemische und biogene Abbauvorgänge durch Mikroorganismen und Kleinlebewesen erfolgen (Mineralisierung). Durch geeignete konstruktive Maßnahmen und ausreichender Filterflächengröße (Af) von mindestens 2 % des undurchlässigen Anteils (Au) der angeschlossen Verkehrsfläche, ist dies auch bei hoher Feststoffbelastung möglich. Bei kleineren Filterflächen nimmt unter hoher Feststoffbelastung die Filterleistung besonders in den kühlen und nassen Wetterperioden deutlich ab. Die restrukturierenden Bodenbildungsprozesse verlangsamen sich.
Bei der kleinsten Filteranlage mit 0,6 % Filterfläche kam es im Dezember 2009 zur Kolmation. Selbst bei den größeren Filterflächen war in den feuchten Monaten ein leichter Rückgang der hydraulischen Leistungsfähigkeiten zu verzeichnen, sie blieben aber dennoch voll funktionstüchtig.
Nach den abflussärmeren Wintermonaten erreichen alle Filtersysteme, auch die mit den kleinsten Filterflächen, wieder ihre Betriebsdurchlässigkeit. Das bedeutet für die hydraulische Auslegung von Filteranlagen der Regenwasserbehandlung, dass auf Grund der saisonal stark variierenden Einflussgrößen wie Feststoffmengenanfall, Tausalzeinsatz, Niederschlagsmengen etc., hierfür erforderliche Messungen unter realen Bedingungen zu erfolgen haben. Im Labor oder unter Kurzzeitversuchen gefundenen Werte entsprechen nicht der Realität!
Die Versuche ergaben darüber hinaus, dass die Reinigung von Regenwasser über Geotextilfiltersäcke ohne weitere Maßnahmen nur innerhalb engerer Grenzen eine größere Effektivität aufweist. Je nach Häufigkeit der Beschickungen aus dem Überlauf der Rinnenfilter verstopften die Geotextilfiltersäcke entweder sehr rasch, oder ein sich nur langsam aufbauender Filterkuchen bei nur wenigen Beschickungen ermöglichte nur eine ungenügende stoffliche Rückhalteleistung. Durch die dispergierende Wirkung von Tausalz auf die Feststoffe im Niederschlagsabfluss wird die partikuläre Rückhalteleistung des Geotextilfiltersacks im Winterbetrieb zusätzlich stark herabgesetzt. Für den Einsatz von Geotextilfiltersäcken besteht daher noch deutlicher Optimierungsbedarf.
Die Testanlage: Die Leistungsfähigkeit der Anlage unter hoher Belastung
Welche Faktoren beeinflussen nun die Laufzeit einer Filteranlage? Hier ist an erster Stelle der Feststoffeintrag zu nennen. Unter den Extrembedingungen der Testanlage musste der Filter mit erheblich mehr Feststoffen zurechtkommen, als dies etwa in urbanen Gebieten mit einer regelmäßigen Straßenreinigung der Fall ist. Der Eintrag von Feststoffen verfüllt anteilig das Retentionsvolumen wodurch sich die hydraulische Kapazität der Anlage (Retentionsvolumen) reduziert. Auf die Filterdurchgängigkeit (kf-Wert) hat der Feststoffeintrag nur dann einen nennenswerten Einfluss, wenn das gewählte Filterflächenverhältnis nicht der Feststoffbelastung entspricht.
Die Tests in Augsburg ergaben, dass der durch natürliche biogene Faktoren aus dem Sedimenteintrag entstandene Boden bei einer optimalen Abstimmung in urbanen Gebieten erst nach etwa 20 bis 25 Jahren entfernt werden muss. Selbst bei sehr hohem Feststoffanfall liegen die Wartungsintervalle noch bei über 6 Jahren. Mit einer Filterflächengröße ≥ 2 % zur angeschlossen Entwässerungsfläche (Au) arbeiteten die Anlagen ohne Wartungsmaßnahmen vollkommen zuverlässig.
Laub und andere organische Materialien zersetzten sich ohne fremdes Zutun. Zudem unterstützen diese Materialien die Bindung von Schadstoffen. Die Leistungsfähigkeit lässt sich am Zink als Leitschwermetall verdeutlichen. Über den gesamten Versuchszeitraum wurden die in der Bundes- Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBSchV) festgelegten Grenzwerte deutlich unterschritten und lagen teilweise sogar unterhalb der Nachweisgrenze. Auf das Jahresmittel betrachtet werden auch die Geringfügigkeitsschwellenwerte der LAWA unterschritten. Mit Ausnahme des Winterbetriebs lag der Schadstoffrückhalt der Anlage bei weit über 90 Prozent.
Gleichzeitig ist das System äußerst robust. Es ist bis zur Belastungsklasse F erhältlich und damit in jeder Situation befahrbar. Der Vorteil: durch die Regenwasserbehandlung entsteht kein zusätzlicher Platzbedarf. Wartungsarbeiten sind dank des schraubenlosen Verschlusssystems besonders leicht durchzuführen. Der zu Boden gewordene Sedimenteintrag wird dann genauso wie Straßenkehrricht entsorgt, während das Substrat in der Rinne verbleibt.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Versuchsanlage, dass die ökologischen Probleme, die die Versiegelung der Böden und der Klimawandel für die Wasserwirtschaft mit sich bringen, mit richtig konzipierten und dimensionierten Reinigungs- und Versickerungsanlagen durchaus zu bewältigen sind. Entsprechende Investitionen lohnen sich auch für Städte und Gemeinden mit knappen Haushalten – denn sie profitieren nicht zuletzt von den sinkenden Kosten für Wartung und Instandhaltung.
E-Mails: bernd.schiller@hauraton.com;