Das Betriebsklima ist eine Gemeinschaftsaufgabe

Fragt man erfahrene, gestandene Unternehmensberater, die nicht nur im ideologischen Mainstream mitschwimmen, woran Betriebe letztendlich scheitern, fällt in den Antworten eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit auf: Irgendwie auch immer mit an ihrer inneren Disharmonie und Zerrissenheit, an dem Unvermögen, inner- wie außerbetrieblich aufeinander zuzu-
gehen. Kurz, an der viel zu schnell das Geschehen beherrschenden aggressiven Konfrontationsbereitschaft. Die wis-
senschaftliche Erkenntnislage in Sachen Betriebsklima ist inzwischen eindeutig. Trotzdem unterschätzt die Praxis die Macht des Betriebsklimas nach wie vor. Und diese Macht erwächst ganz wesentlich aus lauter einzelnen heiklen Verhaltensdetails, die sich im Zeitverlauf und in der Summe auf beiden Seiten, bei den Führenden wie den Geführten, zu einem enormen emotionalen Explosivgemisch aufaddieren.

 

Kulturschock

Das Arbeitsklima nimmt nicht gleich Schaden, wenn der Haus-
segen mal schief hängt. Aber der Klimasturz folgt unweigerlich, schleichen sich im längerfristigen Umgang von „oben“ und „unten“ unbedachte, herabwürdigende oder sonstwie inakzeptable Verhaltensweisen dauerhaft ein. So ist denn auch beispielsweise das Mobbing bei genauerem Hinsehen vielfach weniger bedrückender Ausdruck individuell zunehmend ent-
hemmten und verrohten Verhaltens als Beleg für eine insgesamt schlechte betriebliche Umgangskultur. Ganz ähnlich liegen die Dinge im häufig schlicht geschäftsschädigenden Umgang mit Kunden und Interessenten.

 

Stimmungen

Ganz einfach, so Thomas Weegen, Geschäftsführer der auf die Verbesserung von Zusammenarbeit spezialisierten Unternehmensberatung Coverdale, München, „weil sich diesem des-
truktiven Betriebsklima in einem schleichenden Prozess das betriebliche Leistungsniveau und mit ihm die gesamte be-
triebliche Darstellung und Wirkung immer mehr angleicht.“ Weegen weiß aus langjähriger beruflicher Erfahrung: „Die miese innerbetriebliche Stimmung unterminiert mehr als alles andere das selbstverständliche alltägliche Mitziehen, die Be-
reitschaft aller, sich anzustrengen, sich für den Betrieb einzu-
setzen und für ein attraktives Gesicht des Betriebs zu sorgen.“

Wichtiger als alle Reorganisations- und Motivationsmaßnah-
men ist es für ihn deshalb, „für kritische Verhaltensweisen in der Interaktion von ‚oben’ und ‚unten’ zu sensibilisieren und sie nicht den Betrieb durchwuchern zu lassen.“ Sie gänzlich zu vermeiden ist für ihn eine illusionäre Vorstellung. Zum einen, weil die menschliche Empfindlichkeit auf der einen Seite wie die menschliche Verhaltensensibilität auf der anderen Seite im Zeitverlauf mal mehr, mal weniger ausgeprägt ist. Und zum anderen, weil das betriebliche Geschehen eine gewisse selbst-verständliche individuelle Unterordnung unter die gesteckten Ziele und die nun einmal dazu gehörenden eindeutigen Anweisungen und Verhaltensweisen verlangt.

Vor der eigenen Türe kehren

Was bekanntlich bei der heutigen „Bewusstseinslage“ nicht mehr leicht fällt. Dennoch, auch diesbezüglich müssen die Geführten ihren Teil zum Gelingen einer passablen Arbeitsatmosphäre beitragen. Die allenthalben zu beobachtende aufge-
plusterte Erbsenzählerei in Sachen ‚Verhalten’, insbesondere die Bereitschaft zum spontanen Eingeschnappt- und Beleidigtsein mit den entsprechend schnippischen Reaktionen (beileibe nicht nur unter den jüngeren Beschäftigten!) ist sehr belastend, für die Nerven wie das Betriebsklima. Ebenso wenig klimadienlich ist die um sich greifende Humorlosigkeit und Rechthaberei mit dem verbissenen Pochen auf alle möglichen Rechte. Etwas mehr situative gelassene Verhaltensflexibilität täte allen und allem sehr gut. Unbestritten, die irritierende Unsicherheit unserer Zeit, all die einander jagenden hochgespielten Kata-
strophenszenarien, die Sorge um den Arbeitsplatz, der enorme Anforderungsdruck und so manches andere mehr zerren an den Nerven und lassen sie schneller außer Kontrolle geraten als früher.

Ohne Zweifel, das sind hoch belastende Umstände. Dennoch, sie rechtfertigen nicht die spontan-irrationalen, ja geradezu kindisch-unreflektierten Verhaltensweisen, mit denen sich auch Vorgesetzte heute herumschlagen müssen: die man-
gelnde Bereitschaft, sich etwas sagen zu lassen, die bockige Kritikempfindlichkeit, nicht nur die Unwillig-, sondern auch die wachsende Unfähigkeit, wirklich mit- und weiterzudenken, sich in Situationen einzufühlen. Und ebenso wenig nicht die sich erschreckend verflüchtigende Kollegialität und kollegiale Hilfs-
bereitschaft, die rar gewordene Rücksichtnahme auf andere und die ebenfalls immer vergeblicher gesuchte Um- und auch Nachsicht im Umgang mit anderen.

 

„Verhaltenslotsen“

Trotzdem, es sind die Führenden, die das zwischenmenschliche betriebliche Geschehen als „Verhaltenslotsen“ entscheidend lenken und lenken müssen. Je mehr sie sich dieses Teiles ihrer Aufgabe bewusst werden und ihn in der nervlichen Be-
drängnis beziehungsweise dem entnervenden Anforderungsansturm des betrieblichen Alltags, nicht zuletzt auch dank sich überschlagender bürokratischer Emsigkeit, nicht aus den Augen verlieren, desto mehr tun sie für einen atmosphärisch ent-
spannte(re)n, effiziente(re)n und nicht zuletzt auch kräftescho-
nende(re)n Arbeitsablauf. Und ihr eigenes berufliches wie ge-
sundheitliches Wohl und Wehe. Das Betriebsklima ist beileibe nicht alles, „aber ohne stimmige Atmosphäre ist die Gefahr, dass aus allem viel schneller nichts wird, erheblich größer“, bringt der Arzt und Psychologe Michael Kastner, Professor für Organisationspsychologe an der Universität Dortmund, die Zusammenhänge auf den Punkt.

 

Dipl.Betriebswirt Hartmut Volk

Freier Wirtschaftspublizist, Bad Harzburg,

E-Mail: hartmut.volk@t-online.de

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