Die Kalkulation nachprüfbar fortschreiben!
Gemeinkostenausgleichsberechnung nach § 2 VOB/BNicht selten kommt es bei der Bauausführung zu einer verlängerten Bauzeit, infolge dessen der Auftragnehmer zusätzliche finanzielle Ansprüche geltend macht. Als Anspruchsgrundlage kommen verschiedene Regelungen in Betracht, im Wesentlichen sind dies die §§ 2, 6 VOB/B und § 642 BGB. Und dann sind noch die Urteile des BGH zu den Anforderungen an Bauzeitnachträge zu beachten. Verlängert sich die Bauzeit infolge von Mengenänderungen nach § 2 Abs. 3 VOB/B und/oder zusätzlichen, geänderten Leistungen nach § 2 Abs. 5, 6 VOB/B, dann hat dies nichts mit den BGH-Urteilen zu Bauzeitnachträgen zu tun. Die Dinge werden in der Praxis regelmäßig durcheinander geworfen. Nach welchen Rechtsgrundlagen sind solche Fälle zu behandeln? Wie sind die Ansprüche darzulegen und zu beziffern?
Anspruchsgrundlage
Wir betrachten hier eine Bauzeitverlängerung infolge von Mengenänderungen. Diese Mengenänderungen entstehen durch die Ausübung des Anordnungsrechtes (§ 1 Abs. 3, 4 VOB/B) oder ergeben sich aus Mengenermittlungsfehlern in der Ausschreibung. Erstere werden in der baurechtlichen Literatur als „angeordnete Mengenänderung“, letztere als „nicht angeordnete Mengenänderungen“ bezeichnet. Nachfolgend fassen wir diese Ursachen für Bauzeitverlängerung als „Mengenänderung“ zusammen. Studiert man die einschlägige Baurechtsliteratur, so stellt man fest, dass die überwiegende Mehrheit zu dem Ergebnis kommt, dass Bauzeitansprüche aus Mengenänderungen dem Anwendungsbereich des § 2 VOB/B zuzuordnen sind (1). Das die Ausübung von Anordnungsrechten nach § 1 Abs. 3, 4 VOB/B kein pflichtwidriges Verhalten darstellt, ist eindeutig. Genauso überzeugend ist die Folge dieser Erkenntnis, nämlich das vertragsgemäßes Handeln keine Schadens- oder Entschädigungsansprüche auslösen kann und damit § 6 VOB/B und § 642 BGB als Anspruchsgrundlage ausscheiden (2).
Berechnung des Gemeinkostenvergütungsanspruches
Wir fassen zusammen: Kommt es zu einer bauzeitlich relevanten Mengenänderung im vorgenannten Sinne, sind die bauzeitlichen Mehr- und Minderkosten nach § 2 VOB/B zu berechnen. Aber wie?
Die kalkulatorisch fortgeschriebene Bauzeit
Reister (3) hat Vergütungsansprüche aus Mengenmehrungen mit seiner bekannten Formel zusammengefasst: „Wie hätte der Unternehmer/Kalkulator seinen Preis gebildet, wenn ihm die preisändernden Umstände bereits bei der Angebotskalkulation bekannt gewesen wären?“ Wendet man die „Reister-Formel“ an und stellt die Frage, wie der Unternehmer/Kalkulator seinen Preis gebildet hätte, wenn ihm die Mehr- oder Mindermengen und damit der Bauzeitmehr- oder minderbedarf bekannt gewesen wäre, kommt man zu dem Ergebnis: Er hätte entsprechend dem tatsächlichen Zeitbedarf mehr oder weniger Gemeinkosten kalkuliert und umgelegt. Folge dieser Betrachtungsweise: Zunächst ist der geänderte Bauzeitbedarf unter Berücksichtigung der Änderungen unter konsequenter Fortschreibung der Zeit- und Leistungsansätze der Angebots- bzw. Auftragskalkulation zu ermitteln. Hierfür schlagen wir die Bezeichnung „kalkulatorisch fortgeschriebene Bauzeit“ vor. Diese bildet die Grundlage für die Berechnung des Gemeinkostenvergütungsanspruches.
Die Berechnung des Gemeinkostenvergütungsanspruches
Die Berechnung wird an folgendem vereinfachten Beispiel erläutert:
n Kalkulierte Auftragssumme: 7.000.000 €
n 25% Gemeinkostenanteil an der Kalkulationssumme
n 350 Werktage kalkulierte Bauzeit
n 150 zusätzliche Werktage, ermittelt auf der Grundlage der Zeit- und Leistungsansätze der Angebots- bzw. Auftragskalkulation
n Abgerechnete Gemeinkosten aus LV, technischen Nachträgen: 2.000.000 €
Bei einer Angebots- bzw. Kalkulationssumme von 7.000.00 € und einem kalkulierten Gemeinkostenanteil von 25% berechnen sich die kalkulierten Gemeinkosten zu:
7.000.000 € x 25% = 1.750.000 €
Diese Gemeinkosten berechnen sich bezogen auf die ursprünglich kalkulierte Bauzeit von 350 Werktagen zu:
1.750.000 € / 350 Werktage =
5.000 €/Werktag
Der Kalkulator hat somit im Zuge der Angebotsbearbeitung 1.750.000 € Gemeinkosten auf 350 Werktage umgelegt.
Bedingt durch die Mengenänderung ist aus den vorgenannten Rechtsdarlegungen der Zeitmehr- und minderbedarf ausschließlich kalkulatorisch zu ermitteln. In unserem Beispiel beträgt die kalkulatorisch fortgeschriebene Bauzeit 350 + 150 = 500 Werktage.
Die Gemeinkosten betragen nach (1) 5.000 € / Werktag. Durch die Mengenänderungen ändert sich die kalkulatorische Ausführungszeit nach (2) auf 500 Werktage. Der Gemeinkostenvergütungsanspruch nach § 2 VOB/B berechnet sich zu:
5.000 €/Werktag x 500 Werktage =
2.500.000 €
Der Kalkulator hätte nach der „Reister-Formel“ folgend 2.500.000 € Gemeinkosten berechnet und auf 500 Werktage umgelegt. Bedingt durch die Abrechnung der Bauleistungen werden Gemeinkosten erwirtschaftet. Um eine Über- oder Unterdeckung von Gemeinkosten zu vermeiden, bedarf es einer Ausgleichsberechnung (4). In dieser Ausgleichsberechnung sind auch umsatzbezogen kalkulierte Allgemeine Geschäftskosten mit einzubeziehen (5). Die Gemeinkostenvergütungsansprüche aus Mengen-
änderungen werden mit den abgerechneten und erwirtschafteten Gemeinkosten saldiert. Aus der Abrechnung von LV-Leistungen sowie von technischen Nachträge sind in dem Beispiel 2.000.000 € Gemeinkosten erwirtschaftet worden. Dieser Betrag ist dem zuvor berechneten Gemeinkostenanspruch gegenzurechnen, der noch aus-
zugleichende Gemeinkostenvergütungsanspruch nach § 2 VOB/B beträgt somit:
GK-Anspruch2.500.000 €
Abgerechnete GK2.000.000 €
Auszugleichender GK-Anspruch500.000 €
Tipps für die Umsetzung
Die hier gezeigte, sehr einfache Berechnungssystematik führt in der praktischen Umsetzung häufig zu Problemen. Zur Vermeidung dieser Situation möchten wir folgende Hinweise geben:
n Liegt eine Angebots- oder Auftragskalkulation vor, auf deren Grundlage sich die kalkulierte Bauzeit fortschreiben lässt? Die Erfahrung zeigt, dass dies häufig nicht der Fall ist. Den Unternehmern ist hier dringend anzuraten, zunächst überhaupt eine Kalkulation anzufertigen und dann hier für jede Position den Leistungsansatz in Stunden auszuweisen (auch für Nachunternehmer). Schließlich sollte in der Kalkulation ersichtlich werden, in welcher kalkulierten Bauzeit mit welcher Personalstärke (einschließlich Nachunternehmer) die vertraglichen Leistungen erbracht werden.
n Auf Grundlage der Angebots- oder Auftragskalkulation sowie der vertraglichen Vereinbarungen sollte ein Bauzeitenplan mittels Netzplantechnik erstellt und zwischen den Vertragspartnern vereinbart werden.
n Zur einfachen und nachvollziehbaren Berechnung des Gemeinkostenvergütungsanspruches sollte in der Kalkulation auf unterschiedliche Gemeinkosten-Zuschlagssätze (z. B. für Löhne 40% und für Geräte 20%) verzichtet werden.
Fazit
Führen Mengenänderungen zu einer relevanten Änderung der Bauzeit, ist eine Gemeinkostenausgleichsberechnung sinnvoll. Dies gilt für Auftragnehmer (im Fall von Mehrmengen) genauso wie für Auftraggeber (bei Mindermengen). Da als Anspruchsgrundlage nach der VOB/B ausschließlich Vergütungsansprüche nach § 2 VOB/B gegeben sind, ist eine Fortschreibung der kalkulierten Bauzeit und der kalkulierten Gemeinkosten erforderlich. Es ist ratsam, in der Kalkulation den Grundstein für eine nachprüfbare bauzeitliche Fortschreibung der Kalkulation zu legen.