Eine gute Infrastruktur ist ein hohes Gut

Straßen und Schiene werden auf Verschleiß genutzt

Der strenge Winter hat es wieder einmal gezeigt: die Autobahnen und das Schienennetz sind den Herausforderungen nicht gewachsen. Die Autofahrer und die Nutzer der Bahn haben sich über die offensichtlichen Mängel heftiger als üblich beschwert. Die Abgeordneten wuschen dem Bahnchef im Bundestag den Kopf und der Minister schimpfte gleich mit.

So weit, so schlecht. Die Gefahr ist groß, dass im Frühjahr die Leute das Problem der mangelnden Infrastruktur wieder vergessen haben. Der Bundesfinanzminister wird wohl auch in Zukunft die Mittel für den Ausbau und den Unterhalt der Verkehrswege nicht zur Verfügung stellen wollen. Eigentlich ist die Infrastruktur ein Plus der deutschen Wirtschaft. Das dichte Autobahnnetz hat im Ausland einen legendären Ruf. Die ICE-Züge werden bewundert: gegenüber dem TGV sind sie sehr komfortabel. Die deutsche Handelsflotte und die Binnenschifffahrt tragen die Exportwirtschaft. Die großen Häfen sind gegenüber Rotterdam und Antwerpen wettbewerbsfähig. Allerdings hat sich seit dem Aufkommen der Grünen vor 30 Jahren die Meinung festgesetzt, dass die Infrastruktur modern genug sei. Viele Deutsche lehnen seitdem den Bau von Autobahn-, Bahn-, Flughafen- und sonstigen Großprojekten ab. Stuttgart 21 hat gezeigt, wie gering die Akzeptanz in der (konservativen) Bürgerschaft sein kann.

 

Blockade von Großprojekten nicht mehr hinnehmen

In seiner Jahresauftaktpressekonferenz hat Herbert Bodner, Präsident des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie, Politik und Verwaltung aufgefordert, „Strategien zu entwickeln, wie sie die Akzeptanz für große Infrastrukturvorhaben in Deutschland verbessern wollen“. Politik und Wirtschaft könnten der „Blockade“ von Großprojekten „nicht mehr lange tatenlos zusehen“. Er gab zu, dass Deutschland noch über gut ausgebaute Infrastrukturnetze verfüge. Untersuchungen zeigten aber auch, dass „Deutschland gemessen am Standortfaktor Infrastruktur im Ranking der Investitionsstandorte allmählich zurückfalle“. Er wies darauf hin, dass im Fall des Frankfurter Flughafens die Zwischenschaltung eines Mediators die Gemüter beim Bau der vierten Start- und Landebahn besänftigen konnte. Rot-Grün hatte den dämlichen Spruch „Bildung statt Beton“ erfunden, als ob moderne Verkehrswege und gute Schulen sich gegenseitig ausschlössen.

 

Genehmigungsverfahren

verkürzen

Im Fall der überlangen Vorbereitung von Projekten verlangte Herbert Bodner von Politik und Verwaltung, die Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller voranzutreiben. Er erinnerte daran, dass bei Bundesfernstraßen von der Planung bis zur Fertigstellung von neuen Strecken mehr als 20 Jahre vergehen können. „Time is money“, dieser Spruch scheint in der Verwaltung noch gar nicht angekommen zu sein. Für Bodner hat dies zwei Arten von Konsequenzen: die Planungskosten erreichen fast die Höhe der Baukosten, ein Unding, und die Bürger verlieren die Geduld. Die Finanzierung der Infrastruktur ist eine Crux. So darf die Reparatur des Netzes die Mittel für den nötigen Ausbau nicht auffressen. Das geschieht aber zur Zeit bei Autobahnen und Bundesfernstraßen. So verkündete Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, für deren Sanierung stünden 2,2 Mrd. Euro in 2011 zur Verfügung, 100 Mio. Euro mehr als in 2010. Allerdings, so das Ministerium, bilde die Sanierung den Schwerpunkt der Maßnahmen und der Neubau müsse zurücktreten. Um sich finanziellen Spielraum zu verschaffen, könnte das Verkehrsministerium Privatkapital anzapfen und zum Beispiel eine neue Staffel von privatfinanzierten Autobahnverbreiterungen von 4 auf 6 Spuren auflegen. Die ersten Projekte waren erfolgreich.

 

Börsengang der Bahn bleibt aktuell

Bei einer Anhörung im Verkehrsausschuss versprach Bahnchef Rüdiger Grube in den nächsten fünf Jahren die Summe von 44 Mrd. Euro zu investieren, davon 32 Mrd. in das Netz und 12 Mrd. für den Kauf neuer Züge. Das ist eine gewaltige Leistung. Seit die Bahn privatisiert wurde, ist sie wettbewerbsfähig geworden. So verdient sie mit der Güterbahn gutes Geld, wovon zum Beispiel in Frankreich und Italien keine Rede sein kann. Der ehemalige Bundeskanzler Schröder und Ex-Bahnchef Mehdorn werden noch heute dafür beschimpft, dass sie das Unternehmen an die Börse bringen wollten. Kann man betriebswirtschaftlich der Bahn den Vorwurf machen, die Kosten zu minimieren? Das tun  andere Verkehrsunternehmen wie die Lufthansa und TUI- Hapag Lloyd doch auch. Lufthansa und TUI sind Dax-Unternehmen. Wo beschafft man sich am besten Kapital, wenn nicht an der Börse? Die Kontroverse über die Dividende von 500 Mio. Euro, die die Bahn an den Bund abzuliefern hat, ist an Provinzialität nicht zu toppen. Der Bund kann als Alleineigentümer einer Aktiengesellschaft doch eine – angesichts seiner erbrachten Vorleistungen – relativ moderate Dividende verlangen. Nach einem erfolgreichen Börsengang könnte für den Bund sogar noch mehr herausspringen. Und durch Kapitalerhöhungen könnte die Bahn ihre Finanzierung verbessern.


Marcel Linden,

Bonn

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