Gelernter Bauarbeiter

Für Sie gefahren: Der 4x2-Zweiachser FA CF85.410 von DAF

Mit dem 4x2-Zweiachser FA CF85.410 liefert DAF einen veritablen Bauarbeiter mit unterschiedlichsten Fähigkeiten, der von einem Reihensechszylinder Paccar MX300 mit Turboaufladung, Ladeluftkühlung und 300 kW aus 12,9 Liter Hubraum vorangetrieben wird.


Der erste Eindruck

Der Weg zur Abladestelle führt über einen zerfurchten Pfad eine steile Rampe hinauf. Mit viel Drehzahl und nur wenig Druck auf dem Gaspedal, so wie es sich im Gelände gehört, arbeitet sich der CF85 mit gut zehn km/h im kleinen dritten Gang den 20-Prozenter hinauf. Doch trotz der nur einen angetriebenen, freilich sperrbaren Achse meis-
tert der beladene 18-Tonner die schwere Aufgabe unbeeindruckt. Keine Frage – dieser CF85 gehört zur Gattung der Bauarbeiter. Dafür sprechen auch eine Reihe von typischen Zutaten wie die Stahlstoßstange, die Lexan-Scheinwerfergläser aus Kunststoff, die neue Trittstufe über dem Radlauf  und – nicht zu vergessen – das höher bauende Fahrgestell mit Parabelfedern an Vorder- und Hinterachse.  Alles in allem dokumentieren diese Zutaten, dass die Holländer auch eine Menge vom Baugeschäft verstehen. Mehr noch: der CF85 schafft den Spagat zwischen brauchbaren Offroad- und hohen Onroad-Qualitäten. Zudem erledigt er viele Aufgaben mit geringeren Kosten als ein teurerer 4x4 und steht in Sachen Traktion dem oft überschätzten 6x4 nicht viel nach.

 

Eben ein 2-Achser

Auf manche Dinge muss ein solcher Zweiachser freilich verzichten. Auf reichlich bemessene Bodenfreiheit beispielsweise. Denn das wuchtige Achsgehäuse der einfach übersetzen Hypoidachse, die 315/80er Bereifung und erst recht der für solche 4x2-Lkw obligatorische Frontunterfahrschutz schränken die Geländegängigkeit (nicht die Traktion) deutlich  ein. Nur gut 220 Millimeter (beladen) bleiben beispielsweise unter der Antriebsachse. 130 Millimeter mehr sind es unter der Vorderachse. Der Frontunterfahrschutz schränkt diesen recht großen Freiraum allerdings ein wenig ein. Zusätzliche 25 bis 30 Millimeter bringen größere Reifen im Format 13 R 22,5. Wer mehr Bodenfreiheit vom CF85 verlangt, der bekommt aber auch eine Außenplaneten-Antriebsachse, was hinten gute 100 Millimeter zusätzlich bringt.

Aber dieser CF85 will schließlich kein Offroader sein, sondern einer jener typischen Vertreter im Baugeschäft, die für allerlei Arbeiten herangezogen werden. Er spielt die Rolle des Transportfahrzeug für Baumaterial und kleine Baumaschinen, die er mit einem Ladekran auch selbst laden und abladen kann, und er spielt die Rolle als Zugfahrzeug zum Umsetzen von mittelgroßen Radladern oder Baggern auf einem Tieflade-Anhänger. Es geht natürlich auch beides zugleich: Baumaterial (auch als Ballast) auf der Meiller-Kippbrücke und ein Tieflader an der Hängerkupplung.

 

„Zieh!“

Im letzten Fall darf das Zuggewicht auch mal mehr als 40 Tonnen betragen – der Triebstrang  ist dafür ausgelegt, die Gesetzgebung lässt für 4x2-Fahrzeuge bis zu 46 Tonnen (teilweise auch mehr) zu und die 408 PS des MX300 (für 300 kW beziehungsweise 408 PS) genannten Motors, die im Solo-Lkw reichlich üppig erscheinen, sind für diesen Fall gerade richtig. An diesen Aufgaben, die sich hauptsächlich auf befestigten Straßen abspielen, orientiert sich auch die Triebstrang-Auslegung: Eine 2,93 zu 1 übersetzte Antriebsachse, ein direkter Durchtrieb im größten Gang des 16-Gang-Getriebes und die Bereifung von 315/80 R 22,5 ergeben eine gängige Auslegung für den schweren Verteilereinsatz, die guten Verbrauch und hohe Fahrleistungen gleichermaßen garantiert.

 

Schaltung

Zwar ist das Sechzehngang-Getriebe von ZF für schwere Lkw immer noch häufig anzutreffen, Getriebe mit zwölf Gängen sind aber auf dem Vormarsch. Dank motorfester Schaltung (Einfach-H) und Druckluftunterstützung schaltet sich das 16 S 2220 genannte Getriebe leicht, exakt und mit kurzen Wegen. Eine geschwindigkeitsabhängige Gassensperre verhindert zudem Fehlschaltungen. Als Alternative steht ein automatisiertes Zwölfgang-Getriebe (AS-Tronic) von ZF zur Wahl. Die Spreizung, also die Spanne der Übersetzungen vom kleinsten bis zum größten Gang beträgt in beiden Fällen rund 16. Die beiden Rückwärtsgänge arbeiten gleichfalls mit großen Übersetzungen. Sanftes Anfahren bei schwierigen Bedingungen und Rangieren mit kleinsten Geschwindigkeiten ist also möglich. 

 

Für den Fahrer

Von wenigen kleinen Unzulänglichkeiten abgesehen stellt der CF85 den Fahrer vor keinerlei Probleme. Übersichtliche Rundinstrumente mit einem etwas schlecht abzulesenden Display dazwischen, gute Sitze und eine weitgehend logische, einfache Bedienung kennzeichnen den Arbeitsplatz. Sinnvolle Kleinigkeiten wie Kontrollleuchten für die Splitgruppe des Getriebes oder die gesicherten Schalter für Nebenantrieb und Differenzialsperre gehören dazu, sind aber nicht selbstverständlich. Trefflich versteht es der CF85 zudem, mit reichlich Komfort auch über mittelmäßig gute Landstraßen zu eilen. Selbst ohne Ladung stellt sich ein – für einen Kipper – erstaunlich hoher Federungskomfort ein. Auch die Innengeräusche bleiben auf niedrigem Niveau; bei Tempo 85 erreicht der Schalldruck 67 dB(A), mehr als 70 werden es nur in Extremsituationen. Einzig der mitunter (niedrige Drehzahlen, hohe Last) etwas vibrierende Sechszylinder schmälert diesen positiven Eindruck etwas. Negativen Einfluss auf das Fahrverhalten hat die kommode Federung nicht. Ganz im Gegenteil: Leer und (erst recht) beladen liegt der Zweiachser satt auf Straße und lässt sich mit der spielfreien, exakten Lenkung zielgenau dirigieren. Die Seitenneigung der vorn auf Luftfedern und hinten auf Schraubenfedern gelagerten Kabine hält sich in engen Grenzen, vermittelt dem Fahrer zudem aber bestens, wenn er es in Kurven mit dem Tempo übertreibt. Mit Blick auf die Länge von 1770 Millimeter (BBC-Maß) ist das Day Cab genannte Fahrerhaus des CF85 etwas knapp geschnitten. So mancher Wettbewerber setzt serienmäßig mittellange Kabinen auf die Kipperfahrgestelle, die von der Stoßstange bis zur Fahrerhausrückwand rund 100 mehr bieten. Mit dem gebotenen Raum lässt sich jedoch auch leben. Es gibt reichlich Ablagen in Reichweite des Fahrers, es gibt eine Box auf dem Motortunnel und es gibt Platz für die nötigen Utensilien eines Kipperfahrers wie Hammer, Helm und Regenjacke. Die Sichtverhältnisse nach vorne und zu den Seiten sind bestens, das zusätzliche Fenster in der Rückwand erleichtert die Arbeit auf der Baustelle. Nicht ganz glücklich platziert ist jene Konsole, mit der sich die Hydraulik von Kippaufbau und Ladekran betätigen lässt. Sie hat ihren Platz links neben dem Fahrersitz und verwehrt schon schmalen Händen den Griff zur Sitzverstellung.

 

Lasten

Ein prinzipieller Nachteil solcher Zweiachser ist die Nutzlast. Da kommt auch DAF nicht dran vorbei. Gut sieben Tonnen wiegt das Fahrgestell. Mit vier Meter langem Drei-
seitenkipper, mittelschwerem Ladekran, Kipperunterbau, Neun-Tonnen-Vorderachse und anderen Zutaten addieren sich gut drei Tonnen dazu. Macht 10, 8 Tonnen Leergewicht und 7,2 Tonnen Nutzlast. Ein Teil des guten Federungskomforts bei Leerfahrt lässt sich auch mit diesem hohen Leergewicht erklären. Wer mehr Nutzlast von einem Zweiachser verlangt, der kann zum DAF CF75 greifen. Der wesentliche Unterschied: ein kleinerer und somit leichterer Motor, dessen Leistungen aber nur bis 360 PS reichen. Es geht also nicht alles mit dem Zweiachser CF85. Doch immerhin soviel, dass der Holländer auch bei deutschen Kunden Interesse wecken kann, die beim Kipperkauf gern auf heimische Produkte setzen.


Frank Zeitzen, Kaiserslautern,

E-Mail: frank.zeitzen@

zeitzen-mathieu.de

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