Vorschuss zurück?
Kommentare zur aktuellen Rechtsprechung für die BauwirtschaftZwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) zum Thema „Vorschuss“ bilden den Auftakt im Artikel unseres Experten Rechtsanwalt Michael Werner vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Im weiteren Verlauf lesen Sie noch das wichtigste über ein aktuelles Urteile zum Stichwort „Haftungsfreistellung für Auftraggeber im Tiefbau“ .
Rückzahlung des Vorschusses auf Mängelbeseitigungskosten
Der BGH hat mit Urteil vom 14. Januar 2010 – VII ZR 108/08 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:
1. Der Auftragnehmer kann einen an den Auftraggeber gezahlten Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten zu-
rückfordern, wenn feststeht, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber seinen Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen.
2. Ein Rückforderungsanspruch entsteht auch dann, wenn der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt hat.
3. Welche Frist für die Mängelbeseitigung angemessen ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln, die für diese maßgeblich sind. Abzustellen ist auch auf die persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers und die Schwierigkeiten, die sich für ihn ergeben, weil er in der Beseitigung von Baumängeln unerfahren ist und hierfür fachkundige Beratung benötigt.
4. Der Vorschuss ist trotz Ablauf einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung nicht zurückzuzahlen, soweit er im Zeitpunkt der letzten mündli-
chen Verhandlung zweckentsprechend verbraucht worden ist oder, dass er alsbald verbraucht werden wird.
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, errichtete für den Beklagten 1993 ein Wohnhaus. Wegen zahlreicher Mängel nahm der Bauherr (Beklagter) die Klägerin im Klagewege erfolgreich auf die Zahlung von Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung in Anspruch. Der Kostenvorschuss wurde im Juli 2004 an den Beklagten gezahlt. Im April 2005 beauftragte der Beklagte einen Architekten mit der Planung und Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten. Dieser holte Angebote verschiedener Firmen ein und gab Mängelbeseitigungsarbeiten in Auftrag, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht abgeschlossen waren. Die Klägerin forderte Rückzahlung des von ihr gezahlten Kostenvorschusses. Nach Ansicht des BGH ohne Erfolg.
Der BGH führt aus, dass der Auftraggeber (AG) eines Bauvertrags vom Auftragnehmer (AN) einen Vorschuss für die zur Beseitigung von Mängeln erforderlichen Aufwendungen verlangen könne. Dieser sei zweckgebunden zur Mängelbeseitigung zu verwenden. Der AG müsse seine Aufwendungen nachweisen, über den erhaltenen Kostenvorschuss Abrechnung erteilen und den für die Mängelbeseitigung nicht in Anspruch genommenen Betrag dem AN zurückerstatten.
Noch nicht abschließend geklärt sei, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Rückforderung des Vorschusses entstehe, insbesondere, wenn der AG den Vorschuss ganz oder teilweise nicht binnen
einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung verwendet habe. Maßgeblich für das Entstehen des Rückforderungsanspruchs sei der Wegfall des mit der Vorschusszahlung verbundenen Zweckes. Dies sei der Fall wenn:
1. feststehe, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt werde oder der AG seinen Willen aufgegeben habe, die Mängel zu beseitigen (außer der AG rechne mit seinem Schadensersatzanspruch wegen der Mängel auf).
2. der AG die Mängelbeseitigung durchgeführt habe. Dann müsse er den Vorschuss abrechnen und einen eventuellen Überschuss an den AN zurückzahlen. Der Rückforderungsanspruch werde mit Vorlage der Abrechnung fällig. Er werde aber auch ohne Vorlage einer Abrechnung fällig, wenn diese dem AG möglich und zumutbar sei.
3. der AG die Mängelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt habe. Die Angemessenheit der Frist sei im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln, die für diese maßgeblich seien. Der AG müsse die Mängelbeseitigung ohne schuldhaftes Zögern in Angriff nehmen und durchführen. Dabei sei auf die persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers abzustellen und ein großzügiger Maßstab anzulegen.
4. der AG nach Ablauf der angemessenen Frist zwar mit der Mängelbeseitigung begonnen, diese jedoch nicht zum Abschluss gebracht habe. Der AG könne hier jedoch Einwände geltend machen, aus denen sich ein unabweisbares Interesse ergebe, den Vorschuss trotz Ablauf der für die Mängelbeseitigung angemessenen Frist nicht zurückzahlen zu müssen. Bei teilweisem Verbrauchen des Kostenvorschusses könne sich der Rückforderungsanspruch auf den nicht verbrauchten Teil beziehen.Dagegen sei der Vorschuss nicht zurückzuzahlen, soweit er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zweckentsprechend verbraucht worden sei oder der AG bereits Unternehmer mit der Mängelbeseitigung beauftragt habe.
Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung des Vorschusses auf Mängelbeseitigungskosten
Der BGH hat mit Urteil vom 14.01.2010 – VII ZR 213/07 – Folgendes entschieden:
Der Anspruch des Unternehmers auf Rückzahlung des Vorschusses auf Mängelbeseitigungskosten verjährt in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.
Ein Auftragnehmer (AN) zahlte dem Auftraggeber (AG) im Oktober 2001 einen Kostenvorschuss für Mängelbeseitigung. Der AG ließ die Mängel nicht beseitigen. Anfang 2003 teilte der AG dies dem AN auf Nachfrage mit. Erst im August 2006 forderte der AN den AG erneut zur Rechnungslegung und Rückzahlung auf. Mit der im Dezember 2006 eingereichten Klage verlangt der AN die Rückzahlung. Streitig war, ob der Anspruch auf Rückzahlung verjährt ist. Nach Auffassung des BGH sei der Anspruch nicht verjährt. Es stehe tatrichterlich fest, dass die angemessene Frist zur Mängelbeseitigung im vorliegenden Fall spätestens neun Monate nach Zahlung des Vorschusses abgelaufen sei. Damit sei der Anspruch des AN auf Rückzahlung des Vorschusses im Sommer 2002 fällig geworden.
Dieser Anspruch verjähre in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorlägen. Dabei müsse der AN Kenntnis der Umstände haben, die notwen-
dig seien, um eine Klage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, erheben zu können.
Hierzu gehöre die Kenntnis des Ablaufs der angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung und der Umstände, die die angemessene Frist begründen.
Hierfür reiche nicht allein die Kenntnis von einer für die Durchführung der Bauarbeiten üblichen Frist. Vielmehr sei auch auf die persönlichen Verhältnisse des AG abzustellen, z.B. seine Unerfahrenheit in der Beseitigung von Baumängeln. Mit Rücksicht darauf, dass der AN durch seine Vertragswidrigkeit die Ursache dafür gesetzt habe, dass der AG die Mängelbeseitigung nunmehr selbst organisieren müsse, sei hier ein großzügiger Maßstab anzulegen. In aller Regel werde der AN ohne Nachfrage beim AG oder dessen Rechenschaftsbericht nicht beurteilen können, ob eine angemessene Frist abgelaufen ist. Vorliegend habe der AN mit der Mitteilung des AG im März 2003 erfahren, dass der Vorschuss noch nicht verwendet worden sei.
Die im Jahr 2002 vorhandene Unkenntnis des AN vom Ablauf einer angemessenen Frist zur Verwendung des Vorschusses beruhe nicht auf grober Fahrlässigkeit. Maßgeblich sei hier die verständige Sicht des AN, der regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten habe, die angemessene Frist verlässlich zu bestimmen.
Ein verständiger AN werde sich erst dann Gedanken über die zweckentsprechende Verwendung des Vorschusses machen und Nachforschungen anstellen müssen, wenn die sich am normalen Bauablauf orientierende Frist deutlich überschritten sei. Gleiches gelte, wenn er Anhaltspunkte dafür habe, dass der AG nicht mehr gewillt sei, die Mängelbeseitigung überhaupt vorzunehmen. Damit habe die Verjährungsfrist nicht vor dem 1. Januar 2003 begonnen und frühestens am 31. Dezember 2006 geendet.
Zur Haftungsfreistellung für Auftraggeber im Tiefbau
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 17. 12. 2009 – VII ZR 172/08 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:
Der vom Auftraggeber (Hauptunternehmer) mit dem von ihm beauftragten Tiefbauunternehmer (Nachunternehmer) vereinbarte eigene Haftungsausschluss für Beschädigungen von Fremdleitungen kann sich auf den mit der Einweisung des Tiefbauunternehmers beauftragten Bauleiter erstrecken.
Ein mit der Verlegung zweier Trassen für Lichtwellenleiter beauftragter Hauptunternehmer (HU) übertrug einem Ingenieur die Bauleitung für die Verlegung eines Leerrohres. Daneben beauftragte er ein Tiefbauunternehmen (AN) mit den diesbezüglichen Bohrarbeiten. Im Vertrag zwischen HU und AN wurde vereinbart, dass vorhandene Fremdanlagen bauseits nicht freigelegt, sondern dem AN Bestandspläne der Fremdversorger übergeben würden. Die Haftung des HU für Beschädigungen von Fremdleitungen wurde ausgeschlossen. Bei den folgenden Arbeiten wurde eine Gasleitung eines Versorgers beschädigt, wodurch es zu einer Verpuffung kam. Aufgrund des dadurch entstandenen Sach- und Personenschadens nahm der geschädigte Versorger den AN erfolgreich auf Schadenersatz in Anspruch. Der Versicherer des AN verklagte daraufhin den HU im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs. Die Klage wurde aufgrund der vereinbarten Haftungsfreizeichnung abgewiesen. Daraufhin nahm der Haftpflichtversicherer des AN den Ingenieur in Anspruch, der sich ebenfalls auf die Haftungsfreistellung berief. Der BGH schließt sich der Auffassung der Vorinstanz an, wonach die zwischen HU und AN vereinbarte Haftungsfreizeichnung auch zu Gunsten des bauleitenden Ingenieurs gelte. Durch diese Vereinbarung sei dem AN als Tiefbauunternehmer das Risiko der Beschädigung einer Fremdleitung im vollen Umfang zugewiesen worden, so dass er im Schadensfalle nach dem Willen der Parteien allein voll haften sollte; der HU sollte dagegen von jeder Haftung freigestellt werden. Aus Sicht des AN mache es keinen Unterschied, ob für den HU ein Angestellter oder der beauftragte Ingenieur tätig geworden sei. Da die Parteien eine Haftungsverlagerung von der Auftraggeber- auf die Auftragnehmerseite beabsichtigt hätten, gelte die Haftungsfreistellung auch für den Ingenieur, da er zum Auftraggeber gehöre. Dieses Ergebnis sei auch interessengerecht, da der Tiefbauunternehmer mit unterirdischen Versorgungsleitungen zu rechnen habe und daher besondere Vorsicht hätte walten lassen müssen.
... bei verbrauchten Vorschüssen könne die Rückzahlung entfallen ...