Mega-Damm mit Zugspitzblick
Staatsstraße 2062: Hochwasserfreilegung bei MurnauDas Murnauer Moos wird von der Staatsstraße 2062 durchzogen. Da die Straße selbst bei geringfügigen Hochwasserereignissen vollständig überflutet wird, wurde dieser Abschnitt durch den Bau eines Damms um ca. 2,75 Meter angehoben.
Das Murnauer Moos liegt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen am Nordrand der bayerischen Alpen. Mit einer Fläche von 32 Quadratkilometern gilt es als das größte zusammenhängende, naturnah erhaltene Moorgebiet Mitteleuropas. Durchzogen wird es u.a. durch die Staatsstraße 2062, die die Bundesstraße 2 im Markt Murnau am Staffelsee mit der Bundesstraße 11 in der Gemeinde Kochel am See verbindet. Weil die gesamte Straße innerhalb des Moores bereits bei geringfügigen, zum Teil jährlich stattfindenden Hochwasserereignissen vollständig überflutet wird, und es immer dann zu regelmäßigen Sperrungen der Straße kommt, wurde dieser Abschnitt durch den Bau eines Damms um ca. 2,75 Meter angehoben. Für einen geregelten Durchfluss des Wassers von Südwest nach Nordost durch den Damm sorgen 20 Rechteckdurchlässe mit einer Gesamtlänge von 460 Metern vom Betonwerk Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG aus Kißlegg im Allgäu.
Die Staatsstraße 2062 durchzieht das Murnauer Moos auf einer Länge von ca. 400 Metern.
© Staatliches Bauamt Weilheim
Die Staatsstraße St 2062 ist einer der beiden Hauptzubringer für die Unfallklinik in Murnau und bei einer Sperrung musste bisher stets ein längerer Umweg in Kauf genommen werden. Auch ansonsten war die Straße als Barriere und damit große Vorbelastung für den Wasserhaushalt zu sehen: Bisher konnte lediglich durch die wenigen bestehenden Durchlässe unter der Straße ein Wasseraustausch von Südwesten nach Nordosten entlang des natürlichen Abflusses stattfinden. Geplant war daher eine um 2,75 Meter angehobene Straße mit einem Querschnitt von 7 Metern und einem 1,5 Meter breiten Bankett entlang des nordöstlichen Fahrbahnrandes. Ebenso im Abstand von 2 Metern wurde ein bituminös befestigter Geh- und Radweg in einer Breite von 2,5 Metern mit einem 0,5 Meter breiten Bankett geplant. Dipl.-Ing. Wolfgang Rieger vom Staatlichen Bauamt Weilheim schildert die Maßnahme: „Rund 7.000 Kubikmeter Torf mussten wir zunächst für die Herstellung eines stabilen Arbeitsplanums für die Baugeräte ausheben, bevor die Bauarbeiten für den Damm beginnen konnten. Um den höherzulegenden Damm auf dem Torfuntergrund zu stabilisieren, wurden zunächst 2.835 Betonstopfsäulen mit einem Durchmesser von 0,6 Metern und Fußaufweitung bei einer mittleren Einbindetiefe von ca. 10 Metern hergestellt. Dies entspricht etwa 10.000 Kubikmetern Beton. Auf die fertiggestellten Betonstopfsäulen wurde abschnittsweise ein ca. 10.000 Quadratmeter großes, 40 Zentimeter dickes Lastverteilungspolster in Form von lageweise eingebauten Geogitter- und Feinschotterlagen hergestellt“, so Rieger.
Durch die 20 Stahlbeton-Rechteckdurchlässe vom Betonwerk Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG aus Kißlegg kann im Hochwasserfall das Wasser ungehindert weiter durch das Moor strömen.
© Hyna + Weiß Bauingenieure GmbH
Hydrologischen Zustand des Moores so wenig wie möglich verändern
Um den hydrologischen Ist-Zustand des Moores so wenig wie möglich zu verändern, wurde auf dem somit stabilisierten Untergrund der neue Straßendamm mit 20 Stahlbeton-Rechteckdurchlässen vom Betonwerk Hans Rinninger u. Sohn GmbH u. Co. KG aus Kißlegg aufgebaut. Im Hochwasserfall kann das Wasser so ungehindert weiter durch das Moor strömen. Die jeweils ca. 23 Meter langen Durchlässe – bestehend aus je 8 Rahmenprofilen und 2 Böschungsstücken – haben eine lichte Weite von 2 Metern und eine lichte Höhe von 1,6 Metern bei 20 Zentimetern Wandstärke rundum, wobei die Positionierung der Durchlässe auf das Raster der Betonstopfsäulen ausgerichtet ist. Hierzu Robert Hyna von der Hyna + Weiß Bauingenieure GmbH aus Friedberg: „Die Fertigteil-Durchlässe wurden auf dem 10 Zentimeter dicken Feinschotterplanum über dem Lastverteilungspolster aufgesetzt. Bei dem Achsabstand der Betonstopfsäulen von 1,85 Metern wurden die Durchlässe jeweils mit den Wandbereichen genau über den Betonstopfsäulen ausgerichtet. So stehen die Durchlässe über zwei nebeneinanderstehenden Säulenreihen“, so Hyna. Da jeder Rahmen nur ein Gewicht von ca. 10 Tonnen hat, konnten diese gut von der Richard Schulz Tiefbau GmbH & Co. KG mit einem Bagger versetzt werden, ohne dass ein schwerer Kran erforderlich gewesen wäre. Im Anschluss an die Dammschüttung erfolgte die Asphaltierung von Fahrbahn sowie des Geh- und Radweges.
Bereits während der Bauphase, am 29. August 2023, bestand der neue Damm seinen ersten
Hochwassertest.
© Staatliches Bauamt Weilheim
Fertigteile perfekt auf Anforderungen abgestimmt
Jörg Rinninger, geschäftsführender Gesellschafter des Betonwerks, schildert Besonderheiten des Projektes: „Unsere Planungsabteilung war von Beginn an in das Projekt eingebunden. So konnten wir die Bauteile bis ins kleinste Detail in der Art konstruieren, dass diese perfekt auf die Betonstopfsäulen abgestimmt waren – sicher ein großer Vorteil für die Logistik auf der Baustelle. Die Bauteile wurden aus Hochleistungsbeton C 60/75 mit sehr geringer Wassereindringtiefe und hochwertigen Sichtbetonoberflächen gefertigt“, so Rinninger. Wolfgang Rieger ergänzt: „In der Tat war die Fertigteillösung auch eine logistische Herausforderung. Schließlich mussten 200 Bauteile auf den schmalen Damm geliefert und platziert werden. Dank der guten Unterstützung durch den Hersteller – auch schon in der Planungsphase und einer perfekt abgestimmten Just-In-Time-Anlieferung – verlief die Montage nach Plan. Letztendlich war die Fertigteilbauweise deutlich schneller als eine Lösung mit Ortbeton“, so Rieger.
Am 27. Oktober 2023 wurde die Staatsstraße nach gut einjähriger Bauzeit wieder für den Verkehr freigegeben. Bereits während der Bauphase, am 29. August 2023, führte das Moor wieder reichlich Wasser und die Durchlässe wurden bereits einen Meter hoch durchströmt – ein erfolgreicher Testlauf für die gesamte Anlage. Wolfgang Rieger bemerkt abschließend: „Dank der Anhebung der Straße braucht diese künftig nicht mehr gesperrt werden – sogar der Blick über das Schilf auf die Zugspitze ist jetzt aus dem Auto möglich.“