Auch die Netze werden digital
31. Oldenburger Rohrleitungsforum„Rohrleitungen in digitalen Arbeitswelten“ lautete das Motto des 31. Oldenburger Rohrleitungsforums. Was bedeutet die Digitalisierung der Arbeitswelt für unsere Rohrleitungsnetze? Was können Systemlösungen zum Beispiel für den optimierten Betrieb von Netzen beitragen? Was erwarten wir für die Zukunft? Fragen wie diese bildeten den roten Faden der feierlichen Eröffnung des Forums im ehemaligen Plenarsaal des Oldenburger Landtages und der anschließenden zweitägigen Veranstaltung, die traditionell von einer Fachausstellung begleitet wurde.
Mehr als 3.000 Besucher aus dem In- und Ausland, rund 400 Aussteller und etwa 145 Referenten und Moderatoren bildeten den Rahmen für ein Forum, auf dem die Bedeutung der Digitalisierung für unsere Rohrleitungsnetze erörtert wurde. Das breitgefächerte Tagungsprogramm umfasste 30 Themenblöcke, in denen sich nicht alles aber vieles um das Tagungsmotto drehte. Inhaltlich knüpfte das Forum damit konsequent an die Vorjahresveranstaltung an und erfüllte einmal mehr den Anspruch, nicht nur den Finger am Puls der Zeit zu haben, sondern immer wieder über den Tellerrand hinaus zu schauen und Impulsgeber für die Branche zu sein. Selbstverständlich waren auch die unverzichtbaren Klassiker am Start, die das Oldenburger Branchentreffen seit vielen Jahren prägen. Hierzu zählte die „Diskussion im Cafe“ ebenso wie der „Ollnburger Gröönkohlabend“ in der Weser-Ems-Halle, der den ersten Tag des Forums traditionell beschloss.
Experten- und „Familien“-Treffen
In der Eröffnungsrede im ehemaligen Plenarsaal des Oldenburger Landtages gab Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V. und Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg, seiner Freude über die wiederum hohen Teilnehmerzahlen an der 31. Auflage des Oldenburger Rohrleitungsforums Ausdruck: „Der ungebrochene Zuspruch ist Beleg dafür, welch guten Ruf sich die Veranstaltung als Expertentreffen aber auch als Treffen der großen Rohrleitungsfamilie erarbeitet hat“, so der Vizepräsident der Jade Hochschule. Mit Blick auf das diesjährige Motto skizzierte Wegener die Chancen, aber auch die Risiken, die die Digitalisierung mit sich bringt: In Bezug auf den Bau und Betrieb von Rohrleitungen und Anlagen sei schon heute die umfassende Zustandsbewertung von Anlagen, Leitungen und Vermögenswerten auf der Basis belastbarer Daten Grundlage für die Entwicklung von Sanierungsstrategien und effektiven Investitionsmanagementsystemen. Vor diesem Hintergrund gäbe es keine Alternative zur Digitalisierung. Leitungsbau, Netzbetreiber und Versorger müssten sich möglichst schnell in den Prozess einbringen, gab er sich überzeugt. Damit böte sich den Beteiligten ein enormes Potenzial in der Wertschöpfung. Wegener machte allerdings auch keinen Hehl daraus, dass zunächst einmal in Technik und gut ausgebildete Mitarbeiter investiert werden müsse. Überhaupt sei der Mensch bei aller Digitalisierung immer noch eine wichtige Komponente, denn letzten Endes entscheide er über das Gelingen oder Scheitern der digitalen Transformation.
Vom Modeling zum Management
Die Brücke von der Digitalisierung zur Methode des Building Information Modelings (BIM) schlug Prof. Dr.-Ing. Manfred Weisensee. Wobei der Präsident der Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth in seiner Begrüßung bewusst den Begriff „Management“ wählte, um deutlich zu machen, „dass wir aus dem Modeling längst heraus und beim Managen angekommen sind“. Das Datenmanagement mache zentrale Informationen von der Planung über den Bau einer Anlage oder einer Leitung über den Betrieb und Umbau bis zum Abriss immer und überall verfügbar und somit nutzbar. Alle am Bau Beteiligten seien miteinander verbunden, jeder könne auf alle Daten zurückgreifen, und es werde elektronisch miteinander kommuniziert. Weisensee zeigte sich gespannt, wie die Entwicklung weiter fortschreitet. Einen Vorgeschmack davon werde das Rohrleitungsforum geben, das mit seinen Themen wie immer hochaktuell und damit innovativ im eigentlichen Wortsinn sei.
Rohleitungsbau trägt zu hohem Lebensstandard bei
Auch für Bürgermeisterin Germaid Eilers-Dörfler passte das Thema „Rohrleitungen in digitalen Arbeitswelten“ hervorragend nach Oldenburg. In ihrem Grußwort machte sie deutlich, dass man sich in der niedersächsischen Universitätsstadt auf den Weg zu einer regelrechten Smart City befinde. Der Begriff Smart City bezeichnet per definitionem gesamtheitliche Entwicklungskonzepte, die darauf abzielen, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten. Die Konzepte beinhalten technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen. In diesem Prozess befindet sich auch die Stadt Oldenburg, wie die Bürgermeisterin anhand der Schilderung von zahlreichen Bauprojekten belegen konnte. Auch der Rohrleitungsbau spiele dabei eine wichtige Rolle und stehe beispielhaft für den Fortschritt, so Eilers-Dörfler. Im Mittelpunkt müsse aber immer der Mensch stehen; die Technik sei nur Mittel zum Zweck, den Lebensstandard der Menschen zu erhöhen. Und hier leiste der Rohrleitungsbau einen erheblichen Beitrag.
Konstruktiver Nonkonformismus
„Wissenstransfer und Start-Up-Förderung“ machte Stephan Albani, Mitglied des Bundestages (MdB) und des MdB-Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, zum Thema des ersten Festvortrages des Eröffnungsabends. Eine Existenzgründung sei weniger eine Frage der staatlichen Förderung, als vielmehr auch der Bereitschaft, ein gewisses Risiko einzugehen. Von den angehenden Hochschul-Absolventen wünschte sich Albani etwas weniger Konformismus und mehr konstruktiven Nonkonformismus, denn „was nützt der Tiger im Tank, wenn man nur Fahrradreifen hat“, so der Redner. Entscheidend sei ein Zusammenspiel staatlicher Förderung der Hochschulen mit der entsprechenden individuellen Geisteshaltung derer, die dort lernen. In diesem Zusammenhang hob Albani erneut die Bedeutung der Oldenburger Hochschule in der Bildungslandschaft der Bundesrepublik hervor.
Wasserregulierung braucht Strategien
Der nachfolgende Vortrag über die Entwicklung der Wasserwirtschaft im Küstenraum bot dann auch ein gutes Beispiel dafür, dass es an der Jade Hochschule durchaus Querdenker gibt. Der Klimawandel wird die Wasserregulierung – sowohl die Ent- als auch die Bewässerung – vor zunehmende Herausforderungen stellen, da ist sich Prof. Dr. Helge Bormann von der Jade Hochschule sicher. Vor diesem Hintergrund werde das Risikomanagement gerade im küstennahen Bereich an Bedeutung gewinnen. Der Experte für Hydrologie, Wasserbewirtschaftung und Klimafolgen näherte sich dem Forumsthema aus wissenschaftlicher Sicht. Ziel der Forschung ist unter anderem die Entwicklung von Werkzeugen und Modellen zur Abschätzung künftiger Risiken und zur Identifizierung künftiger Risikoregionen, das heißt von Gebieten, die zunehmend von Überflutung oder Trockenheit betroffen sind. Doch die Modellentwicklung sei das eine, vorbeugende Maßnahmen das andere. Dazu gehören laut Bormann, für den das Wassermanagement der Zukunft eng mit der Digitalisierung verknüpft ist, auch technische Maßnahmen, die aber nicht ausreichen würden. Weiterreichende Konzepten und Strategien seien gefragt, an denen auch die Hochschule Jade arbeite.
Digitalisierung lernen
Die Digitalisierung scheint somit in immer mehr Bereichen Einzug zu halten und die Welt zu verändern. Wie sie das tut, darüber sprach Prof. Dr.-Ing. habil. Gerd Buziek, Mitglied des Hochschulrates der Jade Hochschule und Unternehmenssprecher der Esri Deutschland Group GmbH, Kranzberg. Der Redner zeigte auf, dass erst die Digitalisierung das Internet of Things, Big Data und Cloud Computing möglich gemacht hat. Die Herausforderung sei aber nicht etwa die Gewinnung von Daten, sondern die Daten aufzubereiten, die richtigen Schlüsse aus den großen Datenmengen zu ziehen und darauf aufbauend neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. „In Sachen Digitalisierung muss die Gesellschaft noch viel lernen“, so die Auffassung von Buziek, der in diesem Zusammenhang insbesondere den Schutz der Privatsphäre und den Umgang mit digitalen Medien nannte.
Mit dem Vortrag von Buziek ging eine Eröffnungsveranstaltung zu Ende, die den digitalen Bogen von der Arbeitswelt und der städtischen Entwicklung über die Möglichkeiten der Nutzung digitaler Daten zur Minderung der Folgen des Klimawandels bis hin zu den Chancen für die Entwicklung ganz neuer Geschäftsmodelle spannte und damit eine regelrechte Steilvorlage für das anschließende Forum lieferte. Unterteilt in fünf thematische Handlungsstränge bot das Forum dementsprechend eine inhaltliche Vielfalt, mit denen sich die Gäste aus dem Wasser- und Abwasserbereich ebenso identifizieren konnten wie aus dem Gas- und Ölsegment. Wie gewohnt gab es Neuigkeiten von den Herstellern der unterschiedlichsten Rohrleitungsmaterialien, aus dem Bereich der grabenlosen Verlegetechniken, der Schweißtechnik, der Fernwärme oder von den Verbänden. Daneben standen die Vortragsblöcke, bei denen es um „Rohrleitungen in digitalen Arbeitswelten“ ging.