Auf dem Prüfstand

Was bringt der Masterplan Bauen 4.0

Mit dem Beginn der zweiten Phase des Stufenplans „Digitales Planen und Bauen“ des BMVI wurden bereits erste Pilotprojekte verwirklicht. Die CMS-Rechtsanwälte
Dr. Paul Popescu und Martin Krause ziehen eine Zwischenbilanz.

Der Digitalisierungsfortschritt ist unaufhaltbar und hat auch die Baubranche erreicht. Mit Building Information Modeling (BIM) sollen künftig die geplanten Bauprojekte lange Zeit vor Ausführungsbeginn unter Darstellung aller technisch relevanten Abläufe digital simuliert werden. Zudem ist mit BIM die digitale Erfassung aller wesentlichen Prozesse des Lebenszyklus eines Bauobjektes beabsichtigt. Dieses Vorhaben folgt nicht nur dem schlichten Wunsch nach Modernisierung. Vielmehr ist es als effektiver Lösungsansatz zur Bekämpfung der Schwächen des heutigen Bauens konzipiert, die gerade bei den Prestigeobjekten zu beobachten sind: Enorme Kostenexplosionen und drastische Terminverzögerungen. In der digitalisierten Simulationsphase können problembehaftete Schnittstellenbereiche rechtzeitig erkannt und ergebnisorientiert gelöst werden.

Digital wird Standard

In vielen europäischen Ländern ist BIM bereits für Bauvorhaben der öffentlichen Hand zwingend vorgeschrieben, zum Beispiel in Großbritannien, Dänemark, Finnland, Norwegen und den Niederlanden. Diesem Ziel will sich die Bundesregierung anschließen und das digitale Planen und Bauen als bundesweiten Standard für alle öffentlichen Auftraggeber durchzusetzen.Hierzu verabschiedete das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) am 15.12.2015 den „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“.

Damit soll BIM in der zu verwirklichenden Stufe des Leistungsniveau 1 ab dem Jahr 2020 in allen neu zu planenden Projekten eingeführt werden. Das Leistungsniveau 1 beinhaltet die Anforderungen, welche die öffentlichen Auftraggeber bei der Ausschreibung der Bauvorhaben nach der BIM-Methode erfüllen müssen. So sind zum Beispiel in den Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) der Umfang und der Zeitpunkt der benötigten Daten genau festzulegen. Zudem sind alle zu erbringenden Leistungen auf der Basis des fachmodellbasierten Arbeitens in digitaler Form zu liefern. Darüber hinaus ist eine „Gemeinsame Datenerhebung“ zur organisierten Aufbewahrung und zum verlustfreien Austausch der im Planungs- und Bauprozess erzeugten Daten zu schaffen.

Realisierung in drei Stufen

Der Stufenplan vom 15.12.2015 dient der Feststellung und Definition der zur erfüllenden Mindestkriterien des Leistungsniveaus 1 für das BIM-Verfahren ab dem Jahr 2020. Dabei sieht der Stufenplan die Verwirklichung sowie die Umsetzung des Leistungsniveaus 1 in drei Etappen vor.

In einer ersten Stufe sollen bis 2017 erste Pilotprojekte zur Sammlung von Erfahrungen realisiert werden. In der zweiten Stufe soll im Zeitraum von 2017 bis 2020 die Zahl der Pilotprojekte deutlich erhöht werden.

Dabei sind umfangreiche Leitfäden, Checklisten und Muster zu erarbeiten. Die dritte Stufe schließt mit der Implementierung des Leistungsniveaus 1 ab. Zu den bisherigen Ergebnissen der ersten Stufe resümieren das BMVI und der Bundesminister Dobrindt eine positive Zwischenbilanz.

Der Masterplan 4.0

Mit dem am 24.01.2017 vom BMVI veröffentlichten Masterplan 4.0 sollen die bisherigen Erfolge weiter ausgebaut werden. Für die Durchführung der zweiten Stufe steht eine Investitionssumme von 30 Millionen Euro für zusätzliche Pilotprojekte in den Bereichen Schienen, Straße und Wasserstraße zur Verfügung. Der insgesamt fünf Punkte umfassende Masterplan 4.0 sieht neben dem vorgeschilderten Aspekt auch Pilotprojekte zum Einsatz von Drohnen vor. Baufelder sollen dadurch deutlich präziser, schneller und kostensicherer als mit herkömmlichen Methoden vermessen werden.

Des Weiteren wird eine BIM-Cloud gestartet, welche zur Beschleunigung des digitalen Bauens Daten zu Eigenschaften von Materialien bereitstellt. Hinzukommt die Einrichtung eines nationalen BIM-Kompetenzzentrums, um die Umsetzung von BIM in allen Bereichen weiter voranzutreiben. Die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen mit der digitalen Planungsmethode werden in einer neuen, zentralen Anlaufstelle gesammelt. Schließlich wird ein „Construction Cluster“ für den Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Wirtschaft gegründet. Dies soll der bestmöglichen Verwertung der erprobten und eingesetzten Wertschöpfung dienen.

Herausforderung Hochbauprojekte

Die Zielsetzungen des BMVI sind uneingeschränkt zu begrüßen, zumal zahlreiche Industrieländer im Bereich des digitalen Planens und Bauens Deutschland weit vorausgeeilt sind. Allerdings wäre es wünschenswert, BIM nicht auf öffentliche Bauaufträge zu beschränken, sondern in allen Bereichen des Bauens einzusetzen.

Spannend und herausfordernd ist in diesem Zusammenhang die vom BMVI bisher noch nicht aufgegriffene Anwendungsmöglichkeit von BIM im Hochbau zu betrachten.

Insbesondere die hochkomplexen und detailintensiven technischen Schnittstellen der einzelnen Hochbauabschnitte, die nicht selten sehr anfällig für Nachtragspotentiale sind, stellen eine echte Herausforderung für die BIM-Methode dar. Es ist daher bedauerlich, dass gerade dieses Themenfeld nicht Gegenstand der derzeitigen BIM-Bestrebungen bilden.

BIM im Bauablauf

Zukunftsfähig und bisher noch nicht behandelt ist die Erweiterung der Digitalisierung auf den unmittelbaren Bauablauf. Die BIM-Methode konzentriert sich augenscheinlich nur auf das Endprodukt des fertiggestellten Objekts. Gerade Störungen im Bauablauf zählen aber zu einen der umfangreichsten und kostenintensiven Auseinandersetzung der Bauvertragsparteien.

Die Digitalisierung der einzelnen Abläufe der Bauausführung würde nicht nur zur Klärung der in strittigen Fällen im Nachhinein kaum noch feststellbaren Ursachen beitragen. Vielmehr besteht die Hoffnung, dass digitale Prozesse zu deutlich mehr Rechtssicherheit im Umgang mit baubetrieblichen Nachträgen beitragen und damit der bisherigen weitverbreiteten Praxis ein Ende bereiten kann, welche in großen Teilen auf einer missverstandenen Rechtsprechung aus den Jahren 2002 und 2005 beruht.

Mehrparteienverträge kein Muss

Das Erfolgsrezept des digitalen Planens und Bauens beruht auf Transparenz, Vertrauen, Offenheit und insbesondere auf einer kooperativen Zusammenarbeit aller Prozessbeteiligten in sämtlichen Bauabschnitten. Dieses Prinzip deckt sich nicht ganz mit der Denkweise unseres gegenwärtigen Rechtssystems, das in der Baupraxis auf dem Vorliegen einer Vielzahl von nebeneinander bestehenden Einzelverträgen beruht.

Das Pendant hierzu bilden die im Ausland schon seit längerer Zeit auf Basis der BIM-Methode praktizierten Mehrparteienverträge. Damit geht im Wesentlichen ein einziger Vertrag einher, der zwischen dem Bauherrn und allen Projektbeteiligten gleichzeitig geschlossen wird.

Ein Mehrparteienvertrag ist für die Erfolgsnote von BIM jedoch keineswegs zwingend. Denn die Digitalisierung des Lebenszyklus eines Bauvorhabens und die damit einhergehende Simulation vor der Ausführung beanspruchen automatisch eine rechtzeitige
kooperative Zusammenarbeit aller Akteure.

Rechtliche Herausforderungen

Trotz dieser Sichtweise wird BIM in der künftigen Vertragsgestaltung sehr herausfordernd sein. Dies betrifft beispielhaft datenschutzrechtliche Aspekte, die in der bisherigen Baupraxis – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle spielen. Denn mit der digitalen Erfassung, Speicherung und der nicht nur vorübergehenden Verwendung vereinzelter Vorgänge ist immer auch ein Eingriff in bestimmten geschützten Persönlichkeitssphären
verbunden.

Hinzu kommt ein beachtenswerter Schutzbedarf auch unterhalb der gesetzlichen Schwelle des Urheberrechts, sei es im Hinblick auf Preisinformationen, Materialangaben, Haltbarkeitsdauern oder anderen Geschäftsgeheimnissen. Führt die Datensammlung mittelbar zu einer faktischen Überwachung einer einzelnen Person, so können sich zudem auch arbeitsschutzrechtliche Fragestellungen ergeben. Dieser Aspekt erschwert insoweit die Vertragsgestaltung, da er rechtlich interne Vorgänge der einzelnen Planungs- und Bauunternehmer betrifft, die dem Einflussbereich des Auftraggebers entzogen sind.

Haftungsrechtliche Fragen

Eines der zentralen Themen bildet das Haftungsrecht und die damit verbundenen versicherungsrechtlichen Aspekte. Bei gleichzeitiger Mitwirkung mehrerer Personen in Schnittstellenbereichen kann sich die rechtliche Beurteilung der Haftungsfolgen als äußerst schwierig erweisen. Darüber hinaus werden auch Vertragsbestimmungen in Bezug auf die Abwicklung und die Kommunikation der Beteiligten untereinander an Bedeutung gewinnen. Insbesondere der allen stets zu gewährleistende Datenzugang führt im Weiteren dazu, dass in vielfacher Hinsicht einheitliche Vertragsbestimmungen zu formulieren sind.

Die vom BMVI im Rahmen des Masterplans 4.0 für das Leistungsniveau 1 herauszukristallisierenden AIA decken nur in einem sehr geringfügigen Umfang die vorerwähnten Vertragsaspekte ab. Von Nöten werden daher weitere Regelungsinstrumentarien sein, die aber in jedem Einzelfall auf die technischen Anforderungen des für ein Projekt entwickelten BIM-Konzepts angepasst werden müssen.

HOAI und Vergaberecht

Das geltende Recht steht dem Einsatz und der Anwendung von BIM nicht ernsthaft im Wege. Als problematisch wird dabei zum Teil die möglicherweise Unverträglichkeit von BIM mit dem unabdingbaren Preisrecht der Honorarordnung für Architekten- und Ingenieursleistungen (HOAI) gesehen. Die HOAI gilt jedoch nur für die darin ausdrücklich geregelten Leistungen. Soweit BIM über den Leistungskatalog der HOAI hinausgeht, bestehen schon im Ansatz keine Konfliktpotentiale.

Lediglich das Vergaberecht kann sich aus gegenwärtiger Sicht als nicht unproblematisch erweisen, auch wenn BIM in vereinzelten Ausschreibungsnormen explizit aufgeführt wird. Denn das sehr einseitige sowie von einem enormen Formalismus geprägte Vergaberecht harmoniert nicht in Gänze mit dem gegenläufig auf eine Flexibilität der Beteiligten abzielenden BIM-Verfahren. Das Mithalten am Digitalisierungsfortschritt bietet aber die beste
Gelegenheit, den Schritt auch bei der Fortentwicklung des Rechts mitzuhalten.

CMS Hasche Sigle

www.cms.law

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