Bauen in gleisnahen Bereichen
Arbeiten in der Nähe von Gleisanlagen erfordern wegen der hohen Unfallgefahr sowie den Besonderheiten des Bahnbetriebes immer besondere Maßnahmen hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der Arbeitsorganisation.
Diese Arbeiten können neben den bekannten Baustellen der DB AG auch bei Arbeiten anfallen, die nicht im Zusammenhang mit der DB AG stehen. Beispiele für diese Baustellen im gleisnahen Bereich sind Brückenbauwerke über den Gleisen, Hochbau-, Tiefbau-, Kabel-, Korrosionsschutzarbeiten in deren Nähe, Durchörterungen unter Gleisen oder sonstige gleisnahen Arbeiten, wie z. B. Baumfällarbeiten. Für nicht fachkundige Personen fehlt bei diesen Arbeiten oft das notwendige Wissen im Umgang mit den Anforderungen des Bahnbetriebes. Dieser Artikel soll dazu die wichtigsten Grundlagen zusammenfassen. Diese gelten hauptsächlich für Bahnanlagen der DB AG, sinngemäß aber auch für Anlagen anderer Bahnbetreiber wie z. B. kommunaler Verkehrsbetriebe (Straßenbahnen).
1. Gefahrenpotenzial
Gefahrenpotenziale entwickeln sich grundsätzlich aus und für den Bahnbetrieb. Bei Arbeiten in der Nähe von Gleisanlagen bestehen folgende Gefahren: Unfälle durch elektrischen Strom (Oberleitungen, Umgehungs-/Speiseleitungen, Stromführungen im Gleisbereich), Unfälle durch Kollision mit Bahnfahrzeugen (Personen und Geräte) und Beschädigung von Kabeln bei Bauarbeiten. Darüber hinaus besteht auch die Gefahr, durch übermäßige Staub-/Rauchentwicklung oder Lichtraumreduzierung den Bahnbetrieb einzuschränken oder durch Erschütterungen (z. B. bei Rammarbeiten) an Bahnanlagen Schaden zu verursachen.
2. Gefahrenbereiche
Übliche Bahnanlagen (= Grundstücke, Bauwerke und sonstige Einrichtungen einer Eisenbahn) befinden sich in der Regel immer auf Flächen, die sich im Eigentum eines Bahnbetreibers befinden. Gemäß Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) dürfen diese Anlagen von Unberechtigten grundsätzlich nicht betreten oder benutzt werden. Insofern ist für das Nutzen von Bahnanlagen zwingend die Genehmigung des Bahnbetreibers erforderlich.
Für das berechtigte Nutzen von Flächen in gleisnahen Bereichen sind folgende Mindestabstände einzuhalten:
Der Mindestabstand zu spannungsführenden Teilen (Oberleitungsanlagen, Bahnstromschaltanlagen, elektrische Energieanlagen) beträgt 3,0 m. Dieser Abstand gilt für Personen, aber auch für Geräte und Maschinen, Werkzeuge und Werkstücke. Besonders gefährdet sich Krane und Bagger sowie Personen beim Transport von langen Gegenständen, wie z. B. Leitern oder Stangen. Bei Arbeiten in Dunkelheit sind die gefährdenden Bereiche (Leitungen) ausreichend gut zu kennzeichnen. Weiterhin ist darauf zu achten, dass alle elektrisch leitenden Gegenstände (Geräte, Bauzäune, Materialien, Verbauten usw.), die sich näher als 4,0 m zur Gleisachse im sogenannten Rißbereich der Oberleitung befinden, an die Bahnerde (Schiene) angeschlossen sein müssen. Diese Erdung erfolgt nach Festlegung des Bahnbetreibers und darf ausschließlich durch von ihm zugelassene Fachkräfte montiert werden. Informativ sei abschließend erwähnt, dass sich der Fahrdraht der Oberleitung elektrifizierter Gleise in der Regel mehr als 5,0 m über der Schienenoberkante befindet.
Der einzuhaltende seitliche Mindestabstände bei Arbeiten in gleisnahen Bereichen und beim Abstellen von Geräten, Baustoffen und Bauteilen in der Nähe von Gleisen beträgt, eine Genehmigung des Bahnbetreibers vorausgesetzt, im Regelfall mindestens 3,0 m von der Gleisachse. Hier wird eine ausreichend standsichere sichtbare Abgrenzung des Arbeitsraumes zum Gefahrenbereich empfohlen (Leine, Kette in den Farben rot-weiß). Material und Geräte sind so zu lagern, dass sie durch vorbeifahrende Schienenfahrzeuge (Druck- und Sogwirkung) und Wind nicht in den Gleisbereich gelangen können.
Bei Tiefbauarbeiten in der Nähe von Bahnanlagen ist grundsätzlich immer mit Kabeln der Bahnbetreiber zu rechnen. Diese können nahe am Gleis in einem Kabeltrog, aber auch in einem größeren Abstand dazu außerhalb des Böschungsfußes als Erdkabel verlegt sein. Bei Arbeiten in diesen Bereichen ist vorab die entsprechende Schachterlaubnis von den jeweiligen Eigentümern (z. B. DB Energie, Arcor, Vodafone) einzuholen.
3. Krane, Betonpumpen und sonstige Großgeräte
Befindet sich der Schwenkbereich von Kranen oder Betonpumpen über, vor oder unter spannungsführenden Leitungen ist vor deren Aufbau die Genehmigung des Bahnbetreibers einzuholen. Die Einhaltung der unter Punkt 2 genannten Mindestabstände, insbesondere auch von Krangehängen und angeschlagenen Lasten unter Beachtung von Ausschlagen und Pendeln bei Wind oder sonstigen Einflüssen, ist unbedingt einzuhalten. Bei Hebezeugen wird dazu der Schwenkbereich im gefährdenden Bereich durch eine automatische Arbeitsbereichsbegrenzung (ABB) eingeschränkt. Das Überschwenken von Gleisanlagen mit und ohne Last ist, auch unter Beachtung der genannten Mindestabstände, ohne Genehmigung des Bahnbetreibers nicht erlaubt. Befinden sich Großgeräte in der Nähe von elektrifizierten Gleisen, müssen diese in der Regel an der Bahnerde angeschlossen werden. Diese Erdung muss aus Sicherheitsgründen zweifach ausgeführt werden. Erfolgt die Energieversorgung von Turmdrehkranen aus dem Netz eines externen Energieversorgungsunternehmens, so muss diese oft mittels eines Trenntrafos erfolgen, um eine Potenzialverschleppung im Schadensfall zu vermeiden.
4. Arbeitsorganisation
Gleisnahe Arbeiten sind immer mit dem Bahnbetreiber abzustimmen. Arbeiten im Bereich von Betriebsgleisen müssen je nach Umfang (Sperrung Gleis, Abschaltung Oberleitungsanlagen usw.) bis zu mehr als ein Jahr vorher beim Bahnbetreiber angemeldet werden und erfolgen auf Grundlage einer von ihm genehmigten Betriebs- und Bauanweisung (BETRA) sowie der zugehörigen Sicherungsplänen. In der Regel dürfen diese Arbeiten nur unter Beobachtung einer Sicherungsaufsicht und mit zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen, erfolgen. Abschließend wichtige Praxishinweise für das Arbeiten im gleisnahen Bereich: Grundsätzlich ist bei Arbeiten im Gleisbereich immer Warnkleidung, mindestens in Form einer Weste in orange-rot zu tragen. Gelbe Warnwesten sind ausschließlich der Sicherungsaufsicht vorbehalten. Das Überqueren von Gleisanlagen sowie von „Festen Absperrungen“ (= rot-weiß markierte „Geländer“ parallel zum Gleis, vgl. Bild links) ist grundsätzlich ohne Einweisung verboten. Für Nachunternehmer gelten gleiche Regelungen – eine ausreichende Belehrung aller im Bereich arbeitenden Mitarbeiter sowie Dritter ist hier geboten. Eine Verschmutzung des Schotterbettes von Gleisanlagen, z. B. durch Bauschutt, sowie der Oberleitungsanlagen, z. B. durch Betonspritzer, ist in jedem Fall zu verhindern. Der Verursacher von Schäden an den Anlagen des Bahnbetreibers haftet in der Regel für diese Schäden, darüber hinaus auch für verursachte Zugverspätungen. Kontakt zu den zuständigen Ansprechpartnern bei der DB AG kann über den jeweiligen Regionalbereich der DB Netz AG erfolgen (www.dbnetze.com) – Kontaktdaten weiterer Bahnbetreiber siehe Internet. Das zuständige Exekutivorgan für den Bereich der Bahnanlagen des Bundes ist die Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz), nicht die örtliche Polizeibehörde.
5. Weiterführende Informationen
Weitere Informationen zu Besonderheiten von Arbeiten im Bereich von Bahnanlagen finden sich in folgenden Regelwerken sowie in den Vorschriften der Eisenbahn-Unfallkasse (EUK):
– Richtlinie DB AG 132.0118 (Arbeiten im Gleisbereich),
– Richtlinie DB AG 132.0123 (Sicherheit bei Arbeiten an oder in der Nähe von elektrischen Anlagen),
– Richtlinie DB AG 132.0135 (Sicherheit bei Arbeiten an oder in der Nähe von Oberleitungsanlagen),
– Richtlinie DB AG Ril 824.0105 (Arbeiten auf Strecken mit in Betrieb befindlichen Oberleitungen),
– Richtlinie DB AG Ril 824.0106 (Einsatz von Baumaschinen unter Oberleitung),
– GUV-V D33 (Arbeiten im Bereich von Gleisen),
– GUV-R 2150 (Sicherungsmaßnahmen bei Arbeiten im Gleisbereich von Eisenbahnen),
– GUV-I 8603 (Arbeiten an Bahnanlagen im Gleisbereich von Eisenbahnen),
– BGI 781 (Sicherheitshinweise für Arbeiten im Gleisbereich),
– Gelbe Mappe D151 (Arbeiten im Gleisbereich),
– Info-Mappe C15 (Arbeiten im Gleisbereich)