Bedarfsplanung bei Kanälen im Fokus
„Kanalnetze – Fit für die Zukunft“ lautete das Motto des 1. Sanierungsplanungskongresses, zu dem der Verband Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB) gemeinsam mit der DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. am 12. und 13. Februar 2014 ins Kongress Palais Kassel eingeladen hatten.
Im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung, die vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung unterstützt wurde, nutzten rund 150 technisch Verantwortliche bei Kanalnetzbetreibern, Fachbehörden und planenden Ingenieurbüros die Gelegenheit zum intensiven Austausch. Wie lassen sich mit systematischer und strategischer Bedarfsplanung technische, betriebswirtschaftliche und bauliche Parameter so optimieren, dass sich Leitungsnetze auf lange Sicht erfolgreich betreiben und Vermögenswerte sichern lassen, lautete die Frage, deren Beantwortung den Kongress mit begleitender Fachausstellung wie ein roter Faden durchzog. „Der Netzbetreiber ist bei dieser Aufgabe allerdings nicht auf sich alleine gestellt“, so die klare Meinung von Dipl.-Ing. (FH) Markus Vogel, Initiator des Kongresses auf Seiten des Verbandes Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB). „Aber er muss seine Ansprüche formulieren und seine Bauherrenaufgaben konsequent wahrnehmen.“ Wie das aussehen kann, erfuhren die Teilnehmer in sieben inhaltlich aufeinander abgestimmten Themenblöcken, die von Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang Günthert, Universität der Bundeswehr München, moderiert wurden.
In seinem Impulsvortrag berichtete Schwanaus Bürgermeister Wolfgang Brucker exemplarisch über die Entwicklungen in seiner Gemeinde, in der erst weiträumige Überflutungen im Jahr 2003 dazu geführt hatten, einen kritischen Blick „unter die Erde“ zu werfen und die gesamte Leitungsinfrastruktur mithilfe eines Generalentwässerungsplanes grundlegend zu erneuern. Dabei habe sich schnell herausgestellt, dass ein solches Projekt nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller an der Sanierung beteiligten Partner zu bewerkstelligen sei, so Brucker. „Auftraggeber, Ingenieurbüro und ausführendes Unternehmen müssen an einem Strang ziehen, um die wichtigen Projektphasen von der Bestandsaufnahme über die Zustandserfassung und -beurteilung, das Sanierungskonzept, die Objektplanung und die Bauausführung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, technischen Aspekten und im Sinne der Nachhaltigkeit erfolgreich zu gestalten.“
Investitionen konsequent erhöht
In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf und der baden-württembergischen Gemeinde Kappelrodeck scheint das gelungen zu sein. Aus der kommunalen Praxis berichteten Dr. Claus Henning Rolfs, Stadtentwässerungsbetrieb Düsseldorf, und Bürgermeister Stefan Hattenbach in Themenblock 2, der sich mit „Kanalnetzunterhaltung als Generationenaufgabe – von der Strategie zur Finanzierung“ beschäftigte. In Düsseldorf verfolgt man beispielsweise einen ganzheitlichen Ansatz. „Investitionen werden erst dann getätigt, wenn alle Alternativen geprüft, neue Entwicklungen des Gesetzgebers berücksichtigt, die städtebaulichen Planungen eindeutig und die aktuelle Notwendigkeit der Maßnahme erwiesen sind“, erklärte Rolfs. Darüber hinaus muss die Finanzierung sichergestellt sein. Entsprechend der Selbstüberwachungsverordnung Kanal (SüwV Kann) wurden bereits 99,5 % des 1544 km langen öffentlichen Kanalnetzes inspiziert, dokumentiert und bewertet. Das Ergebnis: Der Anteil mit vordringlichem Handlungsbedarf ist in Düsseldorf mit einem Anteil von 1,15 % im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (8 %) erheblich geringer. Dennoch erhöht sich der mittelfristige Handlungsbedarf aufgrund des Alterungsprozesses. Konsequent werden die jährlichen Investitionen in Höhe von rd. 12 Mio. auf rund 25 Mio. Euro erhöht. Interessant in diesem Zusammenhang: Trotz Verdoppelung der Investitionen steigen die Gebühren nur minimal.
Umfassendes Sanierungskonzept erarbeitet
Im Gegensatz hierzu ist das Kanalnetz von Kappelrodeck nur 53 km lang, die Aufwendungen für Instandhaltungsmaßnahmen entsprechend geringer. Doch in der Sichtweise stimmte Hattenbach mit seinen Vorredner überein. Er betrachtet die Kanalinfrastruktur als Treuhandvermögen des Bürgers, das von der Kommune verwaltet wird. „Der Widerbeschaffungswert von rund 38. Mio. Euro nimmt uns dem Bürger gegenüber ebenso in die Pflicht wie gegenüber Umwelt und Kanal“, stellte Hattenbach fest. Konsequent hat man in der eher kleinen Gemeinde ein umfassendes Sanierungskonzept erarbeiten lassen, das sukzessive umgesetzt wird. Allerdings werden anstehende Sanierungsmaßnahmen in jedem Fall kritisch analysiert – etwa in Bezug auf Notwendigkeit, Umfang oder Wirtschaftlichkeit. Dazu gehört die offene Diskussion über den Zustand der Kanalisation und die Festlegung von Aufgaben, zu denen Bürgerinformationsveranstaltungen ebenso zählen wie das Umsetzen der Ergebnisse in den jährlichen Haushaltsberatungen und Maßnahmenplänen oder die Verbesserung der Datenbasis.
Alleine oder im Verbund?
Doch wie sehen die Voraussetzungen für eine optimale Kanalsanierungsplanung aus? Erfahrungsberichte von kommunalen Vertretern zeigten eindrucksvoll, dass eine finanziell eigenständige Organisation, fachlich gut ausgebildetes internes und externes Personal, die regelmäßige Überprüfung der Prozesse, der Einsatz moderner Technik und regelmäßige Kontrollen zu wichtigen Bausteinen einer erfolgreichen Kanalsanierung zählen. Damit kommt der Organisation kommunaler Aufgaben eine wichtige Rolle zu. Aber wer setzt sie um? Und sind Lösungen für den Netzbetrieb besser alleine oder im Verbund mit anderen zu realisieren? „Werden die Aufgaben der Abwasserentsorgung gebündelt – etwa in einem Zweckverband – lassen sich Synergien geschaffen, mit denen die Abwasserentsorgung auf hohem Standard unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit besser zu realisieren ist“, dieser Meinung ist Dipl.-Ing. Norbert Engelhard vom Erftverband in Bergheim.
Über den Tellerrand schauen
Mit Vorträgen über die Herausforderung ganzheitlicher, zukunftsorientierte Planung ging der Kongress in die zweite Runde. „Es regnet stärker, und wir werden weniger: Damit steigen die Einflüsse auf die Entwässerungsplanung“, lautete eine Botschaft von Prof. Dipl.-Ing. Dieter Sitzmann, Hochschule Coburg. „Bei der Planung der zukünftigen Netzinfrastruktur müssen wir sorgfältig und nachhaltig planen und den Blick über den Tellerrand heben“, so die Empfehlung des Redners. Unter anderem könnten auch die Stadtplaner in die Sanierungskonzepte einbezogen werden, um etwa Verkehrs- und Freiflächen bei der Risikovorsorge zu berücksichtigen.
Planung eine komplexe Ingenieursdisziplin
Die Planungsleistung hat im Sanierungsprozess einen enormen Stellenwert: Hierin waren sich auch Dr.-Ing. Martin Wolf, SiwaPlan Ing.-Ges. mbH, und Prof. Norbert Jardin vom Ruhrverband in Essen einig. Untersuchungen beim Ruhrverband haben gezeigt, dass eine integrale Entwässerungsplanung neue Möglichkeiten zur ganzheitlichen Optimierung und damit erhebliche Einsparungen möglich macht. Die Beispiele dokumentieren, dass in der ersten Phase eines Projektes die Basis für eine erfolgreiche und wirtschaftliche Sanierung gelegt wird. Aber was tun, wenn eine Sanierung ansteht? Zuspachteln, Schlauch einziehen oder gleich alles herausreißen? Jede Sanierungstechnik hat ihre eigenen Parameter, weshalb eine Entscheidung für Renovierung, Reparatur oder Neubau nicht pauschal zu treffen ist. Für Markus Vogel ist die bauliche Sanierungsplanung eine komplexe Ingenieursdisziplin, und die Qualität des Sanierungsergebnisses steht im direkten Zusammenhang mit der Qualität und der Weitsicht der Planung. „Deshalb gibt es die Standard-Sanierungstechnik auch nicht“ erklärte Vogel, „denn kein Unternehmen verfügt über alle geeigneten und bewährten Sanierungsverfahren und Einzeltechniken.“ Das „wie“ entscheidet deshalb die Planung. Ihre Aufgabe besteht unter anderem darin, ein VOB-konformes Vergabeverfahren zu ermöglichen. Zudem ist eine Festlegung der Sanierungstechnik des Schadensbildes in Abhängigkeit der örtlichen Randbedingungen durch den Planer unabdingbar. Letzendlich gilt: Nicht eine Firma entscheidet, welches Verfahren sie anbietet, sondern der Planer trifft die Vorgabe der technischen Spezifikation. Dabei hat er neben technischen Aspekten weitere wichtige Parameter wie eine Kosten-Nutzen-Analyse oder Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen.
Grundsätzliche Ziele festlegen
Allerdings nützt die beste Planung nichts, wenn die Ausführung nicht den gewünschten Anforderungen entspricht. Klare Anforderungen an Bieter und Technik sind zu formulieren und das Sanierungsergebnis zu definieren. Habe ich die Leistung bekommen, die ich mir vorgestellt habe? Diese Frage müssen sich viele Netzbetreiber stellen. Für die Ausführung von Sanierungsarbeiten ist ein hoher Grad an Erfahrung, Zuverlässigkeit und Kompetenz in Technik und Organisation unerlässlich. Und das ist nicht für kleines Geld zu haben – auch hierin bestand in Kassel Konsens.
Die Rolle der Ingenieurbüros bei der Erarbeitung und Vermittlung solcher Ziele und der damit verbundenen Strategien hat sich gewandelt. Gefordert ist mittlerweile eine interdisziplinäre technische, wirtschaftliche und rechtliche Beratung zu den grundlegenden strategischen Fragestellungen und eine diesbezügliche Kommunikation. Erfolgreich umgesetzt hat das der Abwasserverband Starnberger See. Bei der Realisierung eines neuen Abwassermodells hat der Verband mit emotionaler, nutzenorientierter und verständlicher Kommunikation Mitarbeiter und Bürger in seine Planungen einbezogen. Das Beispiel verdeutlicht, dass jedes Unternehmen seinen eigenen passenden Auftritt finden muss. Das reicht von der Suche nach einem passenden Berater über die Bereitschaft zum Umdenken und zum Perspektivwechsel bis hin zur Umsetzung eines professionellen Kommunikationskonzeptes.
Damit schloss sich der Themenkreis der Veranstaltung in Kassel. Viele Teilnehmer äußerten sich spontan ausgesprochen positiv über Inhalte und Programm. „Das hat sich gelohnt“, war zu hören. Auch: „Wir haben viel erfahren über die unterschiedlichen Aspekte einer ganzheitlichen Sanierungsplanung im Großen und im Kleinen“. Dazu beigetragen haben renommierte Referenten, die fachliche Themen anschaulich aufbereitet und mit ihren „ungeschminkten“ Erfahrungsberichten aus der eigenen Kommune die Grundlage für eine intensive Diskussion geschaffen haben.
Weitere Informationen
www.sanierungsplanungskongress.de