Close-fit am Tegernsee
Aufgrund der besonders hohen Schadensdichte hat der Zweckverband zur Abwasserbeseitigung am Tegernsee (AZV) das Kanalsystem in der Adrian-Stoop-Straße in Bad Wiessee als Sanierungsschwerpunkt für das Jahr 2012 festgelegt. Während der Regenwassersammler im Berstlining-Verfahren erneuert wurde, setzte der Auftraggeber bei der Sanierung des Abwassersammlers aus bautechnischen und wirtschaftlichen Erwägungen auf eine Auskleidung im Close-fit-Lining-Verfahren.
Zur Anwendung kam das Compact-Pipe-System, das von der Diringer&Scheidel Rohrsanierung GmbH & Co. KG, Niederlassung München, eingebaut wurde. Dabei wird ein werkseitig C-förmig vorverformtes HDPE-Rohr in die gereinigte Haltung eingezogen. Druck und Wärme sorgen dann beim weiteren Arbeitsablauf dafür, dass der Inliner sich durch den so genannten Memory-Effekt close-fit an die Innenwandung des alten Rohres legt. Das Ergebnis ist ein statisch eigenständiges und belastbares Rohr, das in Bezug auf die Qualität mit einer Neuverlegung vergleichbar ist. Zu den weiteren Vorteilen zählt neben der kurzen Einbauzeit der Umstand, dass sich die Beeinträchtigungen für die Anwohner sowie für den Fußgänger- und Straßenverkehr in akzeptablen Grenzen halten – ein Aspekt, der vor allem in Hinblick auf den Fremdenverkehrscharakter des Kur- und Urlaubsortes Bad Wiessee eine wichtige Rolle spielte.
Hohe Qualitätsansprüche
Der Tegernsee liegt rund 50 km südlich von München in den Bayerischen Alpen und zählt zu den beliebtesten Ausflugs- und Fremdenverkehrszielen der Region. Bereits in den 1960er Jahren erhielt der See eine durchgängige Ringkanalisation, die entscheidend dazu beigetragen hat, dass der Tegernsee zu den saubersten Gewässern in Bayern zählt. Für seine Reinhaltung zeichnet der Zweckverband zur Abwasserbeseitigung am Tegernsee verantwortlich. Der Zweckverband reinigt und beseitigt die Abwässer von rund 25.300 Einwohnern und von fast 300.000 Touristen, die im Jahresdurchschnitt die Region besuchen. Hierzu betreibt der Verband ein ca. 260 km langes Kanalnetz im Trennsystem, in das nur häusliches Abwasser und Industrieabwasser eingeleitet werden dürfen. „Die anfallende Jahresschmutzwassermenge beträgt etwa 3,6 Mio. m³“, erläutert Dipl.-Ing. (Univ.) Markus Strohschneider, Techn. Betriebsleiter, Zweckverband zur Abwasserbeseitigung am Tegernsee. „Niederschlagswasser von Dachflächen und befestigten Flächen ist entweder vor Ort zu versickern oder kann in Teilbereichen über Regenwasserkanäle dem Tegernsee oder anderen Gewässern zugeleitet werden.“ Entsprechend der Eigenüberwachungsverordnung (EÜV) wird das öffentliche Kanalnetz seit 1991 regelmäßig mit einer Kamera befahren und etwaige Schäden dokumentiert. Die Ergebnisse fließen in ein so genanntes digitales Geografisches-Informations-System (GIS) ein und werden dort verwaltet. Gleichzeitig stellt das System die Grundlage für die Erstellung des Sanierungskonzeptes dar, nach dem die schadhaften öffentlichen Kanäle im Verbandsgebiet seit 1998 saniert werden. „Damit die Anstrengungen des Zweckverbandes wirklich Sinn machen, müssen auch die gesamten privaten Leitungen und Schächte der Grundstücksentwässerung vom jeweiligen Eigentümer untersucht und geprüft werden“, so Strohschneider weiter. Gegebenenfalls ist dann eine Sanierung erforderlich.“
Hochwertiges Verfahren
Wie in diesem Jahr in Bad Wiessee: „Entlang der Adrian-Stoop-Straße verläuft der Schmutzwasserkanal in der Nennweite DN 400, der aufgrund seiner Tiefenlage, der Seenähe und des verbauten Werkstoffes eine Vielzahl an undichten Rohrverbindungen aufwies“, erklärt der verantwortliche Planer Dipl.-Ing. (FH) Andreas Böhm, ing München West GmbH. Bei der Sanierung der insgesamt 25 Haltungen des rund 950 m langen Abschnittes des Ringkanals haben sich Auftraggeber und Planer für den Einsatz eines Close-fit-Lining-Verfahrens entschieden. Ausschlaggebend waren hierfür neben bautechnischen und wirtschaftlichen Gründen in erster Linie die Ansprüche in Bezug auf einen nachhaltigen Kanalbetrieb. „Für den Zweckverband und uns kam deshalb nur ein langlebiges und qualitativ hochwertiges Renovationsverfahren in Frage“, so Böhm weiter. Und das ist nicht unbedingt das billigste, sondern das wirtschaftlichste – ist er sich mit Betriebsleiter Strohschneider einig. Konsequent fiel die Entscheidung auf das so genannte Compact Pipe-System, bei dem ein werkseitig vorverformtes Rohr mit hoher Werkstoffqualität eingezogen und mittels Druck und Dampf rückverformt wird.
Verfahrenstypische Verformung
Compact Pipe wird als Standardrohr in Anlehnung an die Norm DIN 8074 mit entsprechenden Wanddicken gefertigt. Bereits bei der Herstellung im Werk erhält das Produkt die verfahrenstypische Verformung. „Dazu wird das HDPE-Rohr unter definierten Bedingungen axial C-förmig gefaltet“, beschreibt Dipl.-Ing. (FH) Stephan Oeder, Diringer&Scheidel Rohrsanierung GmbH & Co. KG, den Herstellungsprozess. Aus wicklungs- und einbautechnischen Gründen liegt die Falte an der Seite des Rohres. „Die daraus resultierende Reduzierung des Querschnittes ermöglicht das Einziehen über vorhandene Schächte in die zu sanierende Leitung“, so Oeder weiter. In Abhängigkeit von der Nennweite können mehrere hundert Meter auf eine Trommel gewickelt und eingezogen werden.“
Qualität einer Neuverlegung
Bereits beim Herstellungs- und Einbauprozess wird die Qualität von PE-Compact Pipe werkseitig durch Eigen- und Fremdüberwachung gesichert, „Darum weist das fertige Rohr in den gewünschten Materialeigenschaften keine messbaren Schwankungen auf und die Qualität der mit diesem Verfahren eingebauten PE-Rohre entspricht neu verlegten PE-Standardrohren“, stellt Dipl.-Ing. (Univ.) Martin Schuster, Niederlassungsleiter NL München, Diringer&Scheidel Rohrsanierung GmbH & Co. KG, fest. Zudem erfolgt der Einbau relativ schnell und die bei offenen Sanierungsmaßnahmen üblichen Beeinträchtigungen des Bauumfeldes halten sich in Grenzen.
Ergebnis close-fit
Im Vorlauf der Sanierung wird eine TV-Untersuchung durchgeführt, vorhandene Zuläufe eingemessen und das zu sanierende Rohr auf seinen Zustand überprüft. Hierbei festgestellte Hindernisse wie zum Beispiel Ablagerungen oder einragende Stutzen werden mit einem Roboter bündig mit der Innenwandung des Altrohres zurückgefräst. Auch die am Kanal angeschlossenen Grundstücksanschlüsse wurden vor der Sanierung des Hauptkanals mittels Schlauchliner saniert. Unmittelbar vor dem Liner-Einzug wird das Altrohr unter Einsatz eines HD-Spülfahrzeuges rückstandslos gereinigt. Danach wird ein Zugkopf an den PE-Rohrstrang geschweißt, das Compact Pipe in den vorhandenen Einstiegsschacht eingeführt und in die zu sanierenden Haltungen eingezogen. Nachdem beide Rohrenden druckfest verschlossen sind, wird die Haltung mit heißem Dampf beschickt. Der Druck ist abhängig von Dimension und Wandstärke des verwendeten Rohres. Am Compact Pipe angebrachte Fühler messen während der Einbauphase permanent Innen- und Außentemperatur. Die Erwärmung löst den so genannten Memory-Effekt aus, durch den das eingezogene Rohr den Außendurchmesser des extrudierten Rohres erreicht. Die Dauer der Erwärmungsphase ist ebenfalls von Parametern wie Wandstärke, Nennweite und Länge des Rohres abhängig. Das Ergebnis: Während der Erwärmungsphase wird es „close-fit“ an die Wandung des zu sanierenden Rohres gedrückt und durch die spätere Abkühlung in seiner ursprünglichen kreisrunden Form fixiert. Nachdem ein Roboter die Zuläufe aufgefräst hat, werden abschließend Hutprofile vom Typ CP-ZA 2012 gesetzt und verschweißt. Dabei handelt es sich um ein Hutprofil mit einer 5 mm starken PE-Krempe mit integriertem Dichtungsgummi und Heizwendeln zum Verschweißen mit dem PE-Rohr. Der Übergang zu den in den Anschlusskanal gestülpten 25 cm langem Gewebeschlauch ist vulkanisiert. Zudem schützt ein Stützschlauch den Gewebeschlauch gegen Überdehnung.
„Das Compact Pipe-Verfahren ist ausgereift und steht für wirtschaftliche und nachhaltige Kanalsanierung“, fasst Niederlassungsleiter Schuster zusammen. „Compact Pipe eignet sich für die Sanierung von Wasserleitungen, Industrierohrleitungen, Gasleitungen und Kanalrohrleitungen aus Werkstoffen wie Stahl, Guss, Steinzeug oder Beton und ist in einem Nennweitenbereich von DN 100 bis DN 500 einsetzbar.“ Laut Schuster setzt der D&S-Standort München seit geraumer Zeit auf das Sanierungsverfahren, für das sich zunehmend mehr Kunden entscheiden. Zufriedenheit herrscht jedenfalls auch beim Zweckverband zur Abwasserbeseitigung am Tegernsee. Die Sanierungsarbeiten konnten trotz eines straffen Zeitplans – unter anderem musste aufgrund der Lage der Baustelle im Kurviertel in den Mittagsstunden Baulärm vollständig vermieden werden – termingerecht und in der gewünschten Qualität abgeschlossen werden.
Diringer&Scheidel Rohrsanierung GmbH & Co. KG