Corona und andere Behinderungen am Bau
Aktuelle UrteileDas Thema „Behinderungen am Bau“ ist ein „Dauerbrenner“ auf den Baustellen, nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht. Die Corona-Krise hat diese Thematik um einen weiteren Aspekt ergänzt
Die neueste Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von Behinderungsschäden hat die Aktualität dieses Themas deutlich erhöht. Nachstehend soll dies anhand von 3 Beispielen erläutert werden.
Fall 1: Verzögerungen durch fehlende Baupläne
Beispiel: Der Architekt des Auftraggebers bringt die notwendigen Pläne nicht rechtzeitig bei. Hierdurch wird die Vertragsdurchführung behindert.
Hier liegt eine Behinderung vor, für die der Auftraggeber haftet. Er muss sich das schuldhafte Verhalten seines „Erfüllungsgehilfen“ nach § 278 BGB zurechnen lassen. Der Auftragnehmer kann daher vollen Schadensersatz verlangen. Bei einem VOB-Vertrag gilt: Ein Anspruch auf entgangenen Gewinn kann der Auftragnehmer nur geltend machen, wenn die Behinderung vom Auftraggeber vorsätzlich oder grob fahrlässig schuldhaft verursacht worden ist (§ 6 Abs. 6 VOB/B).
Fall 2: Verzögerung aufgrund fehlender Vorarbeiten
Beispiel: Wegen nicht rechtzeitig fertiggestellter Vorleistungen des Rohbauers kann der Trockenbauer mit seinen Arbeiten erst sehr verspätet beginnen.
Erbringt eine vom Auftraggeber ordnungsgemäß ausgewählte Firma die Vorleistungen nicht rechtzeitig, liegt kein schuldhaftes Verhalten des Auftraggebers vor, weil der Vorunternehmer i.d.R. nicht dessen „Erfüllungsgehilfe“ ist. Allerdings haftet der Auftraggeber wegen Annahmeverzugs (§ 642 BGB), weil er (schuldlos) seine Mitwirkungshandlungen zur Fertigstellung der Bauleistung nicht rechtzeitig erfüllt hat.
Variante 1: Verzögertere Beginn der Ausführung: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.01.2020 steht dem Auftragnehmer hier eine „angemessene Entschädigung“ zu, deren Höhe sich ausschließlich nach den 4 Kriterien des § 642 Abs. 2 BGB richtet, nämlich „Dauer des Annahmeverzugs“ und „Höhe der vereinbarten Vergütung“ einerseits, „nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann“ andererseits. Somit hat das Gericht festzustellen, „inwieweit der Unternehmer während des Annahmeverzugs Produktionsmittel unproduktiv bereitgehalten hat und die hierauf entfallenden Anteile aus der vereinbarten Gesamtvergütung zu berücksichtigen, wobei dem Gericht erlaubt ist, den Schaden unter Würdigung aller Umstände frei zu schätzen (§ 287 BGB)“.
Dieser Entschädigungsanspruch deckt nicht die Mehrkosten des Auftragnehmers ab, die ihm erst nach Ende des Annahmeverzugs entstehen, etwa höhere Kosten bei Löhnen und Material während der verzögerten Arbeiten. Will der Auftragnehmer diese Kosten geltend machen, so muss er ein schuldhaftes Verhalten des Auftraggebers, also einen Schuldnerverzug (beim VOB-Vertrag: § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B) nachweisen. Außerdem ist jeder anderweitige produktive Einsatz der Produktionsmittel während des Behinderungszeitraums anzurechnen.
Darüber trägt der Unternehmer die Darlegungs-und Beweislast für die § 642 Abs. 2 BGB genannten Kriterien: Er muss, um einen Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB erfolgreich geltend machen zu können, möglichst genau definieren, in welcher Weise seine Produktionsmittel während des Annahmeverzugs eingesetzt waren.
Variante 2: Aufgrund der Behinderung ordnet der Auftraggeber eine neue Bauzeit für den Trockenbau an. Der Trockenbauer ist damit einverstanden. Welche Ersatzansprüche stehen hier dem Auftragnehmer zu?
Wenn der Auftraggeber diese Behinderung zum Anlass nimmt, um neue Ausführungsfristen mit dem Auftragnehmer festzulegen, liegt eine Vertragsänderung vor. Somit richten sich hier die erstattungsfähigen Mehrkosten des Auftragnehmers im BGB-Vertrag nach den „tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für Wagnis und Gewinn“ (§ 650c Abs. 1 BGB) und beim VOB-Vertrag nach den Preisermittlungsgrundlagen des Hauptangebots (§ 2 Abs. 5 VOB/B; siehe hierzu das Urteil des Kammergerichts vom 22.06.2018 im Baurechts-Report 2020 Seite 15).
Fall 3: Bauablaufstörungen in der Corona-Krise
Infolge der Corona-Krise stehen dem AN seine tschechischen Mitarbeiter nicht zur Verfügung, die aufgrund Reisebeschränkungen die Baustelle nicht erreichen können. Ein Ersatz ist dem AN nicht möglich. Das Bundesbauministerium hat hierzu am 23. März 2020 – AZ: 70406 /21/1 – einen Erlass herausgegeben:
Verlängerung der Bauzeit: Die Durchführung der Baumaßnahme verzögert sich. Beruft sich hier der Unternehmer auf „höhere Gewalt“, kann dies zu einer entsprechenden Verlängerung der Bauzeit führen. Allerdings muss der AN die Gründe für „ein unvorhersehbares, von außen einwirkendes Ereignis versteht, das auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt wirtschaftlich vertretbar nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist“, darlegen, etwa:
– Ein Großteil der Beschäftigten wird von der Behörde unter Quarantäne gestellt und es findet sich kein angemessener Ersatz.
– Mitarbeiter aus dem Ausland sind aufgrund von Reisebeschränkungen nicht mehr erreichbar. Haben die Vertragspartner einen VOB-Vertrag geschlossen, so verlängern sich die Ausführungsfristen bei Vorliegen „höherer Gewalt“ um die Dauer der Behinderung zuzüglich eines angemessenen Zuschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten.
Behinderungsmehrkosten: Bauzeitliche Verzögerungen führen in der Regel auch zu höheren Kosten. Nach Meinung des Bundesbauministeriums ist der Auftragnehmer grundsätzlich nicht berechtigt, hieraus folgende Mehrkosten vom Auftraggeber zu verlangen. Dies deshalb, weil der Auftraggeber weder an der Behinderung schuld ist noch in sogenannten Annahmeverzug gerät, weil bei „höherer Gewalt“ eine Verzugslage natürlich ausscheidet.
Unter Zugrundelegung der Entscheidung des oben zitierten Urteils des Kammergerichts wird man die Sache anders sehen müssen, wenn die Unterbrechung durch die Corona-Krise den Auftraggeber veranlasst hat, mit dem Unternehmer eine gänzlich neue Ausführungsfrist zu vereinbaren. Hier wird die Baustelle nicht nur um die Dauer der Behinderung verzögert, sondern die Bauzeit wird völlig neu bestimmt. Hier ist unseres Erachtens von einer Vertragsänderung auszugehen, so dass sich – bei einem VOB-Vertrag – die hieraus ergebenden Kostenfolgen nach § 2 Abs. 5 VOB/B richten, so dass der Auftragnehmer einen „neuen Preis unter Berücksichtigung der Mehr-oder Minderkosten“ verlangen kann.
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