Durch den Main: Abwasserdruckleitung verlegt
Was lange währt, wird endlich gut. In diesem Sinne muss wohl auch die in 2011 erfolgte erfolgreiche Verlegung eines im Auftrage der SEF (Stadtentwässerung Frankfurt am Main) erstellten Abwasserdükers DN 500 durch den Main zwischen Okriftel und Kelsterbach gesehen werden.
Bislang wurde das Abwasser der am südwestlichen Stadtrand der Mainmetropole gelegenen Stadt Kelsterbach vom linksmainischen Pumpwerk bis zur ARA Sindlingen durch eine Druckleitung der Nennweite DN 500 gepumpt. Die maximale Fördermenge betrug ca. 240 l in der Sekunde. Diese Druckleitung quert nach ca. 450 m auf der Höhe der zur Stadt Hattersheim gehörenden Ortschaft Okriftel den Main und wird noch circa 2250 m rechtsseitig des Mains bis zur Einmündung in einen Freispiegelkanal an der ARA Sindlingen geführt. Auf der kompletten Länge von rund 2700 m existieren weder Umleitungs- noch Rückhaltemöglichkeiten. Da im Zuge der gemäß Eigenkontrollverordnung durchzuführenden Prüfungen eine Schadstelle am seit 1981 vorhandenen Düker entdeckt wurde, sah man beim Betreiber der Leitung Handlungsbedarf.
Alle Varianten geprüft
Im Rahmen einer durch die Moll-prd aus Schmallenberg erstellten Machbarkeitsstudie wurden verschiedene Varianten der Kreuzung des Mains auf unterschiedlichen Trassen, mit diversen Bauverfahren und Werkstoffen untersucht. Es stellte sich heraus, dass die offene Bauweise aus geologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten die zu favorisierende Variante war. Dies bedeutete, dass vom Gewässer aus ein Dükergraben quer durch den Main gebaggert werden musste, in dem später die Leitung sowie weitere PEHD-Schutzrohre ihren Platz finden würden.
Nach der Entscheidung für das konventionelle Verlegeverfahren folgte die Entwurfs- und Genehmigungsplanung. Hierbei galt es neben den Naturschutz- und Wasserbehörden mehrerer betroffener Landkreise, das Wasser- & Schifffahrtsamt, weitere Ämter und Behörden sowie ein Vielzahl an Fremdanlagenbetreibern zu bündeln.
Die Baumaßnahme beginnt
Die Beauftragung der Leistungen erfolgte bereits frühzeitig an die Firma Hülskens Wasserbau aus Wesel. Planungsseitig sollten Stahlrohre mit einer Zementmörtelauskleidung verbaut werden. Diese wurden seitens verschiedener Rohrhersteller zwar angeboten, waren dann aber aufgrund der Abwasserparameter und der erforderlichen Auskleidungen in der benötigten Ausführung nicht lieferbar. Daraufhin fiel die Entscheidung, den Düker sowie die zugehörigen Landleitungsabschnitte mit duktilen, zugkraftschlüssigen Gussrohren zu bauen. Diese sind im Dükerbau, im Gegensatz zur Verlegung im Landleitungsbereich, mit besonderen konstruktiven Maßnahmen zu gestalten, um eine möglichst lagegenaue Verlegung unter Wasser unter den Bedingungen eines Fließgewässers bewerkstelligen zu können.
Als Konstruktion wurde eine Blechbahn gewählt, die mit Stahlbauprofilen so ausgesteift wurde, dass auch ein Hohlliegen des Dükers („free span“) nicht zu unzulässigen Abwinklungen der Muffenverbindungen und dadurch zu Undichtigkeiten führen konnten. Die Blechbahn wurde zur Gewährleistung der geforderten Auftriebssicherheit mit Ortbeton gefüllt und die zu verlegenden Rohre (Abwasserrohr DN 500, 2 x PE-Rohre DN 100) mittels Schellenbändern darauf befestigt. Zum Einsatz kamen letztendlich duktile Abwasserrohre nach DIN EN 598 mit BLS®-/VRS®-T-Verbindungen und einer Zementmörtel-Umhüllung (ZMU). Im Sinne einer möglichst langen Betriebsdauer erhielten die Rohre eine fünf Millimeter dicke Innenauskleidung mit Tonerdeschmelzzement, die widerstandfähig gegen aggressive Wässer und biogene Schwefelsäurekorrosion ist.
Durch die zeitlichen Verzögerungen aufgrund der alternativ zu liefernden Gussrohre, einschließlich den damit verbundenen, umfangreichen Umplanungen, konnte mit den eigentlichen Bauarbeiten Anfang Oktober 2010 begonnen werden. Der Düker wurde in Verlängerung der späteren Baggerrinne auf der rechten Mainseite vorgebaut. Die Montagebahn musste dabei mehrere, zu einer ehemaligen Mühle gehörende Wassergräben kreuzen. Noch vor dem Jahreswechsel und dem frühzeitig einsetzenden Winter konnte die Dükerkonstruktion samt aufsteigenden Ästen fertig gestellt werden.
Hochwasser – nichts geht mehr
Die weiteren Arbeiten, insbesondere die Arbeiten im Gewässerbereich, wurden im Folgenden durch die jahreszeitlich bedingen schlechten Witterungsverhältnisse erheblich behindert. Massive Schneefälle sowie ein Hochwasser in dessen Folge der Main für mehrere Tage komplett für die Schifffahrt gesperrt war und welches den gesamten Baubereich unter Wasser setzte, verzögerten den Einzug des Dükers.
Die Nassbaggerarbeiten hatten darüber hinaus ständig Rücksicht auf die Mainschifffahrt und insbesondere die Andienung des unmittelbar neben der Dükerrinne befindlichen Hafens der HBG (Hydranten-Betriebs-Gesellschaft) zu nehmen.
Düker erfolgreich eingezogen
Am 10. März 2011 konnte der Düker sodann eingezogen werden. Die Konstruktion wurde dabei durch eine Seilwinde mit Umlenkkonstruktion und einer Unterwasserseilführung („Flaschenzugprinzip“) unter Vollsperrung des Mains innerhalb weniger Stunden eingezogen. Der Düker wurde dabei durch ein Kranschiff in seiner Lage gesichert. Auf die Vollsperrung, so ergaben die zuvor durchgeführten Berechnungen, hätte aufgrund des Seildurchhangs verzichtet werden können. Um die Schifffahrt jedoch nicht zu gefährden, bestand man seitens des Wasser- und Schifffahrtsamtes auf diese Sicherheitsmaßnahme. Eine weitere Besonderheit beim Einzug stellte die Positionierung der Seilwinde auf einem extra hierfür antransportierten Ponton dar. Von einer üblicherweise in Verlängerung der Dükerrinne befindlichen Installation und Verankerung der Seilwinde musste aufgrund der Vielzahl an Fremdanlagen und der aus feuerschutztechnischen Gründen freizuhaltenden Zufahrt zum Hafen der HBG abgesehen werden.
Fremdleitungen gekreuzt
Nach Einbau des Dükers waren noch die Landleitungsabschnitte am linken und rechten Mainufer bis hin zu den neu zu erstellenden Übergabeschächten zu verlegen.
Hierbei mussten auf der linken Mainseite diverse Umtrassierungen vorgenommen werden, da im Uferbereich eine große Anzahl von Fremdleitungen vorhanden war, deren Lage sich vor Ort vielfach als nicht konform zu den Bestandsunterlagen herausstellte. Hier erwiesen sich die Muffenverbindungen der Gussrohre als vorteilhaft.
Die Einbindung der neuen in die vorhandene Leitung wurde so vorgenommen, dass der alte Düker weiterhin in Betrieb bleiben kann. Hierzu wurden sowohl auf der linken als auch auf der rechten Mainseite druckwasserdichte und auftriebssichere Schachtbauwerke aus Ortbeton errichtet.
In den Schachtbauwerken wurde neben der Verbindung zwischen neuer und alter Leitung auch der Einbau eines Reinigungskastens und einer Molchempfangsschleuse vorgesehen. Über diese beiden Einrichtungen ist es im laufenden Betrieb der Leitung möglich, den Düker bei Bedarf durch Einsatz eines Reinigungsmolches von Ablagerungen etc. zu befreien. Der Reinigungsmolch wird dazu im Reinigungskasten eingesetzt und in der Empfangsschleuse wieder entnommen. Der Vortrieb des Molches wird mit dem Abwasser aus der zuführenden Leitung, alternativ mit Frischwasser oder Druckluft, durchgeführt.
Die Gesamtmaßnahme wurde im August 2011 mit der Druckprüfung der Schachtbauwerke beendet. Düker „Siegfried 1“ ist seitdem in Betrieb.
Ende gut alles gut
Die Bildzeitung titelte in seiner Ausgabe vom 11. März 2011 mit der Schlagzeile „Monsterrohr unter dem Main verlegt“. Ob ein Düker dieser Dimension die wohl eher populistisch gemeinte Formulierung verdient, sei dahingestellt, es verdeutlicht jedoch, dass ein solches Projekt nicht jedes Jahr durchgeführt wird und daher die besondere Aufmerksamkeit durchaus angemessen war.
Es bleibt festzuhalten, dass diese von den Dimensionen vermeintlich einfache Baumaßnahme aufgrund der vorgefundenen und im Zuge der Planung nicht abzusehenden Randbedingungen nur durch ein erhebliches Maß an Know-How und Flexibilität sowohl auf Seiten des ausführenden Unternehmens (Fa. Hülskens Wasserbau), des Bauherrn, der Behörden, als auch des Wasser- und Schifffahrtsamtes sowie des Planers in dieser Form abgewickelt werden konnte.