Ein wichtiger Beitrag zum Schutz des Meeres
Am Kieler Ostseekai wurde am 14. Juni Europas modernste Annahmeeinrichtung für Schiffsabwasser in Betrieb genommen. Zum Einsatz kamen Steinzeug- Rohre mit zahlreichen Sonderbauteilen in DN 1200.
Auf Beschluss der Ostseeanrainerstaaten müssen Kreuzfahrtschiffe ihre Abwässer ab dem Jahr 2021 – Neubauten bereits ab 2019 - vollständig in den Häfen abgeben bzw. unter Einhaltung bestimmter Grenzwerte an Bord klären. Um diesen neuen Rahmenbedingungen bereits frühzeitig Rechnung zu tragen, hat das in Kiel ansässige Ingenieurbüro IPP im Auftrag der Port of Kiel für den Ostseekai im Seehafen Kiel einen Abwasserreaktor zur Behandlung von Abwässern von Kreuzfahrtschiffen geplant. Das auf Kreuzfahrtschiffen anfallende, unterschiedlich geklärte Abwasser ist noch extrem aggressiv und bedarf einer weiteren Behandlung bevor es in die öffentliche Kanalisation abgegeben werden kann. Diese Vorbehandlung erfolgt in der neuen Aufnahmeeinrichtung, wo das Wasser mittels Druckluft- und Ozoneinspeisung in großen Steinzeug-Rohren belüftet wird. Bedarfsweise kann zudem eine Regulierung des pH-Wertes durch Natronlauge erfolgen, damit das behandelte Abwasser dem Klärwerk zuge
führt werden kann.
Anlage mit Modellcharakter
Die neue Annahmeeinrichtung für Abwasser entstand am Ostseekai in einem Zeitraum von fünf Monaten. Parallel zu den Schiffsliegeplätzen wurden mehrere 100 m Druckrohrleitungen mit einem Durchmesser von 225 mm und acht Anschlusspunkten verlegt. Die Leitungen münden nördlich des Terminalgebäudes in bis zu 75 m³ fassende Speicherbehälter aus Steinzeug-Rohren DN 1200, die mit Analyse- und Behandlungstechnik zur Druckluft- und Ozoneinspeisung ausgestattet sind. Die Steinzeug-Leitungen sind komplett geschlossen und in der Anlage sorgen Filter und Adsorber für eine Eliminierung von Schwefelwasserstoffen. Die gereinigte Abluft wird über einen Schornstein abgeführt. Das behandelte Abwasser wird anschließend in 2 neu verlegte Druckrohrleitungen gepumpt, die unter dem Prinzengarten und dem Jensendamm zum kommunalen Übergabepunkt führen. Die Schiffsabwässer werden von dort dem städtischen Klärwerk in Bülk zugeführt und gereinigt.
Die gut 1,8 Mio. Euro teure Anlage hat Modellcharakter und verzehnfacht die bisherige Annahmekapazität für Schiffsabwasser auf bis zu 300 m³ je Stunde. Dr. Dirk Claus, Geschäftsführer der Seehafen Kiel GmbH & Co. KG: „Wir investieren in eine saubere Ostsee. Mit der Kapazitätserweiterung leistet Kiel einen wichtigen Beitrag zum Schutz des Meeres und erfüllt damit bereits heute erst im Jahr 2021 in Kraft tretende Anforderungen.“ Bisher geben bereits Schiffe der Reedereien AIDA Cruises, Phoenix Seereisen und TUI Cruises regelmäßig Abwasser in Kiel an Land, im vergangenen Jahr zusammen gut 10.500 m³. Am Ostseekai wird nunmehr den mengenmäßigen Anforderungen der Kreuzfahrtreedereien zur Annahme von bis zu 300 m³ je Stunde vollständig entsprochen. Dirk Claus: „Mit der neuen Anlage nehmen wir eine Vorreiterrolle ein. Kaum ein anderer Hafen kann bisher derartig große Abwassermengen annehmen.“ Der Port of Kiel erwartet, dass künftig nahezu alle am Ostseekai liegenden Kreuzfahrtschiffe Abwasser abgeben werden. Die ersten beiden Kreuzfahrtschiffe, die die neue Annahmeeinrichtung nutzten, waren am Morgen der Inbetriebnahme die „Mein Schiff 3“ und die „Mein Schiff 6“.
Steinzeug – Werkstoff für extreme Bedingungen
Um eine effektive Behandlung der angefaulten Schiffsabwässer mit Ozon und Druckluft sicher zu stellen, entschied sich das planende Ingenieurbüro IPP für den Einsatz von Steinzeug- Rohren mit zahlreichen Sonderbauteilen in DN 1200. Die extrem korrosionsbeständigen Bauteile wurden in kompakter Bauform auf einer Länge von rund 60 m mit einem Fließgefälle von ca. 0,4% mit Richtungsänderungen (4 Leitungsstränge) verlegt. Der Inhalt der Speicherbehälter beträgt maximal 75 m³. Zum System gehören darüber hinaus Pumpenschächte sowie ein Technikcontainer mit Anschlussleitungen für die Installationen des Technikausrüsters. Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten der langlebigen Rohrsysteme der Steinzeug-Keramo GmbH waren nicht zuletzt der laborseitig lückenlos belegte Nachweis über die Beständigkeit des Materials sowie der Dichtelemente.
Besondere Anforderungen
Steinzeug-Rohrsysteme verfügen aufgrund ihrer herausragenden chemischen und physikalischen Materialeigenschaften über eine hohe Festigkeit, Dichte und Härte, verbunden mit hoher Verschleiß- und Korrosionsfestigkeit. Dies garantiert eine lange Nutzungsdauer. Über diese besonderen Qualitätsmerkmale des Werkstoffs hinaus waren weitere Kriterien ausschlaggebend für die Entscheidung pro Steinzeug. Hier in erster Linie die Auftriebssicherheit der Bauelemente auch bei höchstem Grundwasserstand in Folge eines Sturmflutereignisses sowie die statische Stabilität unter Schwerlastverkehr bei einer extrem geringen Überdeckung. Dies wurde über Zeichnungsdetails, Statiken, Auftriebssicherheits-Nachweise und Datenblätter im Vorfeld lückenlos nachgewiesen. Auch die hohe Flexibilität des Unternehmens im Rahmen der Auftragsabwicklung und der Bauausführung trugen entscheidend zum Erfolg der Baumaßnahme bei. „Der Bau der Abwasserannahmeeinrichtung im Seehafen Kiel war mit besonders hohen Anforderungen an die Planung und die Betreuung des Projekts verbunden. Wir haben hier unter Beweis gestellt, dass wir neben den Standardprodukten auch Potential für sehr komplexe, kundenorientierte Sonderlösungen haben. Dies hat gut funktioniert, weil hierbei Vertrieb, Technik und Produktion sehr gut zusammengearbeitet haben. Dadurch konnten kleine Änderungswünsche noch rechtzeitig vor Auslieferung berücksichtigt werden.“ resümiert Jürgen Schneider, Projektverantwortlicher bei der Steinzeug-Keramo GmbH.
Ein außerordentlicher Projekterfolg
Der Einbau der Steinzeug Segmente konnte im Februar 2017 termingerecht abgeschlossen werden. Durch die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten konnte das System mängelfrei im engen Zeitrahmen abgewickelt werden. Die Installation der gesamten Systemtechnik und der Oberflächenanschluss erfolgten bis April 2017. Pünktlich zur Reisesaison können nun die ersten Kreuzfahrtschiffe Ihre Abwässer in das Behandlungssystem abgeben.
Mit diesem besonderen Projekt wurde bei der Steinzeug-Keramo GmbH ein komplett neues Anwendungsgebiet für Steinzeug-Rohrsysteme erschlossen. Wurden diese bislang in erster Linie für die Erstellung von Abwasserkanälen genutzt, so wurde in Kiel ein Speichersystem mit Behandlungsmöglichkeit für besonders aggressives Abwasser gefertigt. Jürgen Schneider ist überzeugt von der Strahlkraft und den Perspektiven dieses besonderen Projekts: „Mit der Herstellung verschiedener Sonderbauteile haben wir unter Beweis gestellt, was mit Steinzeug möglich ist. Und wir haben gezeigt, was bei effektiver Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen von Vertrieb, Technik und Produktion umgesetzt werden kann. Mit diesem Projekt haben wir unsere Grenzen des Machbaren ein Stück weit verschoben. Hier ist ein Vorzeigeprojekt entstanden, das uns viele neue Möglichkeiten eröffnen kann. Bereits jetzt interessieren sich zahlreiche Planer und Auftraggeber für die Projektdetails und unsere erweiterten Möglichkeiten der Sonderbauteile- Produktion.“
Steinzeug-Keramo GmbH
– 4 integrierte Steinzeug- Revisionsöffnungen DN 1000
mit korrosionsfesten Abdeckplatten
– Winkelsegmente in geklebter Bauweise
– Endstücke mit Zu- und Ablaufanschlüssen
(DN 500/DN 250)
– 2 exzentrische Anschlüsse für Abluftleitungen DN 300
– 8 Anschlüsse für Druckleitungen und Messtechnik
jeweils als Steinzeugstutzen mit Ringraumdichtungen
in den Nennweiten DN 125, DN 150, DN 200.
– Einbauelemente wie Edelstahl- Prallbleche und Bega-
sungsleitungen mussten am Innenrohr zu fixieren sein.