Entscheidend für die Infrastruktur
Dezentrale RegenwasserbehandlungBei der Auswahl dezentraler Systeme zur Behandlung von Regenwasser liefern viele Details des laufenden Betriebs entscheidende Kriterien für die Wahl des passenden Systems. Hier hat Sweco bereits zahlreiche Kommunen intensiv beraten.
Häufigere Starkregen-Ereignisse, Schadstoffbelastung, zunehmende Flächenversiegelung und Überplanung von Gebieten: Es sind nicht wenige Faktoren, die die Anforderungen an die Niederschlagswasserbehandlung nach oben treiben. Quantität und Qualität der bestehenden Systeme kommen spätestens dann auf den Prüfstand, wenn Reparaturen oder Erweiterungen anstehen. Dabei ist es zwingend notwendig, die veränderten Bedingungen mit zu berücksichtigen, um zukunftsfähige, belastbare Systeme und damit eine tragfähige Wasser- und Straßeninfrastruktur zu gewährleisten. Der finanzielle Blickwinkel spielt eine wesentliche Rolle für die Entscheider. Es geht um Investitionen für Neubau / Erweiterung, Erhalt und Ertüchtigung und die Frage, was wann notwendig und sinnvoll ist. Sinnvoll, damit die Anlagen auch morgen und übermorgen ihren Aufgaben gerecht werden können. Sinnvoll, um im ökonomischen Rahmen der jeweiligen Stadt oder Gemeinde zu bleiben.
Die Planer stehen vor der Herausforderung, all diese Anforderungsebenen mit einzubeziehen und schließlich die passende Lösung für die jeweilige Situation zu finden. Häufig ist inzwischen ein Mix aus verschiedenen Systemen – zentral, dezentral oder semizentral – die Basis für eine erfolgreiche Entwässerung. Die möglichst effiziente Regenwasserbehandlung ist auch für die Gewässerreinhaltung von großer Bedeutung.
Verfahrenswahl
Welches Verfahren in Frage kommt, hängt davon ab, wo das Niederschlagswasser behandelt wird. Die herkömmlichen zentralen Systeme sammeln die Wasserströme von verschiedenen Niederschlagsorten, um sie schließlich in einer zentralen Anlage zu behandeln. Das Verfahren wird bundesweit vielfach eingesetzt und eignet sich vor allem für große Gebiete. Das Niederschlagswasser wird über Kanaltransportsysteme zur Anlage geführt. Bestandteile der Anlage sind dann Regenklärbecken, -filterbecken oder Bodenfilter.
Wesentlich anders arbeiten dezentrale Systeme: Sie behandeln direkt am Ort des Niederschlags. Der Effekt: Unterschiedlich belastete Niederschlagswasser werden nicht erst zusammengeführt, sondern separat spezifisch behandelt. Wenn Niederschlagswasser unbelasteter Flächen gar nicht erst behandelt werden, können Kosten eingespart werden. Das bedeutet auch, dass Niederschlagswasser sehr stark belasteter Flächen gezielt getrennt behandelt werden können, bevor sie den Abwassern zugeführt werden. Semizentrale Systeme können ab zwei Straßenläufen eingesetzt werden, die Behandlung findet vor der Vermischung der Wasser statt. Das Wesen der unterschiedlichen Verfahren lässt sich auch in Fläche ausdrücken: Die direkteste Behandlung, und damit den kleinsten Flächenbereich, erlaubt die dezentrale Variante. Die Fläche kann in der Praxis zwischen 100 und 800 m2 liegen. Entscheidend aus planerischer Sicht ist die Größe der Fläche in Bezug auf die Reinigungsleistung des eingesetzten Systems. Das können Nachrüst- oder auch Ersatzsysteme sein, unabhängig davon, ob es um den Straßenverlauf oder Parkplatzflächen geht. Bei behandlungspflichtigen Oberflächen, für die ein semizentrales System in Frage kommt, liegen die Flächen in einer Größenordnung von 1.000 bis über 10.000 m2.
Wirklich große, darüber hinausgehende Gebiete bieten sich nach wie vor für die zentralen Behandlungsformen an. Hier kommen Niederschlagswasser behandlungsbedürftiger und nicht behandlungsbedürftiger Flächen zusammen, da diese erst nach Sammeln und Transport zur zentralen Anlage behandelt werden.
Nordrhein-Westfalen fördert dezentrale Systeme
Der sogenannte Trennerlass [3] aus Nordrhein-Westfalen deutet in Richtung dezentraler Systeme bzw. Anlagenmix. Seit bald zehn Jahren werden dort Erkenntnisse gewonnen, die schließlich 2012 in eine Landesliste dezentraler Systeme mündeten. Damit einher ging eine größere Vielfalt an dezentralen Systemen. Aus planerischer Sicht ist es unabdingbar, die Systeme im Detail zu kennen, um die optimale Anlage oder die optimale Kombination für die jeweilige Kommune mit ihren Bedingungen und ihrer vorhandenen Systemstruktur zu finden.
Betriebsprüfung als Entscheidungsgrundlage
Neben der umfangreichen Kenntnis verfügbarer dezentraler Systeme liefert der laufende Betrieb entscheidende Kriterien für die Wahl des passenden Systems oder der passenden Systeme. Solche betrieblichen Prüfungen hat Sweco, herstellerunabhängig, bereits für zahlreiche Kommunen durchgeführt. Empfehlenswert ist die Untersuchung im laufenden Betrieb über den Zeitraum von einem Jahr. Findet der Test im laufenden Betrieb beispielsweise für bis zu drei Anlagen in der engeren Auswahl statt, kann eine sehr fundierte Entscheidung pro Behandlungssituation getroffen werden. Wichtig ist, die Behandlungsgebiete für den Testlauf sehr bewusst auszuwählen, so dass die Erkenntnisse auf andere Flächen in der Gemeinde übertragbar sind. Einbau, Reinigung und Wartung müssen konkret mit betrachtet werden.
Kommunenspezifische Einflussfaktoren
Systeme können nur vor dem Hintergrund ihrer konkreten Einsatzflächen faktisch bewertet werden. Ortsspezifische Randbedingungen des Einzugsgebietes sind die Verkehrsfläche und die Verkehrsstärke. Dazu kommen der Bestand an Trennkanalisation inkl. Tiefenlage von Sammler- und Anschlussleitungen oder die Gefälle-Anforderungen. Relevant ist auch die Vegetation, um die Systeme optimal zu wählen, sowie selbstverständlich die technischen Voraussetzungen in der Kommune, denn Reinigung und Wartung der Anlagen sind unterschiedlich. Auf Grundlage all dieser Faktoren kann eine engere Auswahl der am Markt befindlichen Systeme für die Untersuchung im laufenden Betrieb erfolgen. Daran knüpft dann die finale Entscheidung an. Da bei den dezentralen Anlagen sehr kleine Flächen behandelt werden, können Geoinformationssysteme dabei unterstützen, diese konkret zu bestimmen. Vergleicht man schließlich die Systeme und erhält beispielsweise technische Nutzengleichheit für eine dezentrale und eine semizentrale Lösung, so kann die Kostenvergleichsrechnung eingesetzt werden, um die Betriebskosten gegenüberzustellen. Grundlage für die sogenannte Barwertmethode sind die Investitionskosten pro Standort.
Entscheidungsfindung
Um eine fundierte wirtschaftliche Entscheidung zu treffen, ist eine umfassende Ermittlung notwendig, die zahlreiche Grundlagenkenntnisse voraussetzt. In der Umsetzung geht es um erhebliche Kosten für die Gemeinde: um Investition, Betriebsaufwendungen und weitere laufende Kosten. Deshalb lohnt sich die aufwendige Betrachtung und Planung, die gerade die dezentralen Systeme erfordern. Denn sie können über Jahre hinweg erhebliche Kosteneinsparungen mit sich bringen und nicht zuletzt für besonders belastete Gebiete zusätzlich unter Qualitätsgesichtspunkten ihre Vorteile ausspielen.
Sweco GmbH
Eine wichtige Grundlage für die Behandlung von Niederschlägen ist die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) [1]. Sie beinhaltet vor allem zwei Zielstellungen:
- Ordnungsrahmen für die europäische Wasserwirtschaft durch sukzessive Ablösung sektoraler Richtlinien
- Guter Gewässerzustand in allen Gewässern der EU: sprich in Oberflächengewässern einschließlich der Küsten- und Übergangsgewässer sowie im Grundwasser, innerhalb von 15 Jahren
Im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) [2] regeln die nachfolgenden Paragraphen die wesentlichen Rahmenbedingungen zur Behandlung von Niederschlagswasser:
– WHG § 54 Abs. 1, Definition Niederschlagswasser
– WHG § 55 Abs. 2, Grundsätze der Abwasserbeseitigung
– WHG § 57 Abs. 1, Einleitung von Abwasser in Gewässer
– WHG § 60 Abs. 1, Abwasseranlagen, Stand der Technik
In Nordrhein-Westfalen sind durch den sogenannten Trennerlass [3] die Anforderungen an die Regenwasserbehandlung geregelt. Hiernach kann die Behandlung von Niederschlagswasser z. B. in Regenklärbecken mit oder ohne Dauerstau (RKBoD) zur Anwendung kommen. Darüber hinaus gibt es für stark belastetes Niederschlagswasser der Kategorie III die Möglichkeit der weitergehenden Behandlung, z. B. durch einen biologisch wirksamen Bodenfilter (RBF) oder die Ableitung mit dem Schmutzwasser zur zentralen biologischen Kläranlage.