Für alle Wasser gebaut
Vergrößerung der Nesserlander Schleuse bei EmdenDie Ursprünge der Nesserlander Schleuse gehen auf das Jahr 1883 zurück.
Den heutigen Anforderungen entspricht sie jedoch schon lange nicht mehr –
deswegen wird sie nun grundsaniert.
Zum Hafen Emden gehören sowohl einer der größten tidefreien Binnenhafen Deutschlands, als auch eine der größten Seeschleusen. Die Große Seeschleuse ist 260 m lang, 40 m breit und 11,50 m tief. Ergänzt wird sie durch die kleinere Nesserlander Schleuse, die zurzeit saniert und erweitert wird. Sie ist der Küstenschifffahrt vorbehalten Schiffe bis 5500 Bruttoregistertonnen schleusen. Während der Bauphase bis voraussichtlich 2017 muss nun die große Seeschleuse den gesamten Verkehr abwickeln. Betrieben wird der Hafen von der Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG mit Sitz in Oldenburg. Im Auftrag der Niedersachsen Ports führt die ARGE Nesserlander Schleuse, bestehend aus Aug. Prien, Bremen und Gebr. Neumann, Emden, die umfangreiche Großsanierung durch.
Nutzbare Breite der Schleuse vergrößert
133 Jahre alt ist die am Nordende des Außenhafens liegende Nesserlander Schleuse, deren Komplettsanierung längst fällig war. Vor das alte Außenhaupt und das Binnenhaupt der Schleuse werden außendeichs bzw. binnendeichs jeweils neue Schleusenhäupter mit Schiebetoren erstellt. Dabei wird die nutzbare Breite auf rund 18 m, die Drempeltiefe auf NN -7,0 m und die nutzbare Schleusenkammerlänge auf etwa 170 m verändert. Die Gesamterneuerung, so der Betreiber, sichere ein sturmflutsicheres Niveau und berücksichtige die Belange der modernen Binnen-, Küsten- und Sportschifffahrt.
Zum bisherigen Ablauf erklärt Aike Wollersheim, Teilprojektleitung Ingenieurbau der Niedersachsen Ports: „Baubeginn war bereits 2010. Da sich jedoch die während des Baus vorgefundenen Bedingungen änderten und auch die Geometrie des Bauwerks verändert werden musste, verzögerte sich die Maßnahme“.
Ablauf der Sanierungsarbeiten
Die Gründungskonstruktion der Schleuse besteht aus glatten Lotpfählen zur Ableitung der vertikalen Lasten sowie verpresster Schrägpfähle zur Aufnahme der Horizontallasten. Die Sanierungsmaßnahmen gliedern sich in die Abschnitte:
– Neubau Außenhaupt
– Wiederherstellung Hochwasserschutz
– Abbruch Binnenhaupt und anschließender Neubau an gleicher Stelle
– Erneuerung der Schleusenkammerwände nach Abbruch der alten Schleusenkammer
– Neubau einer leistungsfähigen Klappbrücke und Anpassung an die neue Durchfahrtsbreite von 18,00 m
– Rückbau der Schleusendeiche, Einpassung der
Anlage in das Hafenensemble Nesserland /
Borkumkai
– Erneuerung und Ausbau der Straße „An der
Nesserlander Schleuse“
Bis zu 30.000 m3 Transportbeton
Das Projekt ist ausgeschrieben nach ZTV-W (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen – Wasserbau) und stellt besonders hohe Anforderungen an den Ortbetonbau. In einer einzigen Betonage wurden rund 5.000 m³ Beton als Unterwasserbeton zur Herstellung einer 1,50 m dicken Sohlplatte der Schleusenkammer eingebaut. Diese Unterwasser-Betonsohle hat eine Stärke von ca. 1,2 m und wurde teilweise von Industrietauchern eingebaut.
Es dauerte 54 Stunden, um den F5-Beton der Güte C30/37 fachgerecht einzubringen. Die unbewehrte Platte ruht auf 419
Lotpfählen, die zuvor bis zu 17,10 m in den Schlick, Sand und Ton gebohrt wurden. Auf dieser mächtigen Sohle stehen nun bis zu 14,50 m hohe Wände mit höchsten Anforderungen an die Sichtfläche. Die gesamte Betonversorgung für die Baustelle übernimmt eine Liefergemeinschaft aus Ostfriesische- und Union-Transportbeton.
Schalungen vom Profi
Von Anfang an mit im Boot: die Schalungsspezialisten von Doka. Denn insgesamt sind rund 5.200 m² Ortbeton präzise zu schalen. Dafür liefern die Doka-Schalungstechniker die passenden Mietschalungen, einsatzbereit vormontiert im Doka-Fertigservice.
An den aufwändigen Schleusenhäuptern kommt die Doka-Trägerschalung FF20 zum Einsatz. Sie ist mit ihren einfach aufstockbaren Elementen in metrischen Breiten von 0,50 m bis 2,00 m besonders anpassungsfähig und liefert hierfür genau das richtige Betonbild. In drei Kletterschritten erreicht die Schalung am seeseitigen Außenhaupt eine Betonierhöhe von 14,50 m. Dabei ist sie ab dem zweiten Takt durch eine 2,40 m breite sicher begehbare Bühnenkonstruktion aus Kletterkonsolen MF240 unterstellt.
Dabei höchste Präzision gefragt: Die Stahleinbauteile der Tortechnik sind haargenau in Zweitbeton zu setzen. Weil die Schleuse gegenüber dem bisherigen Bauwerk um rund 75 m länger wird, entsteht das Außenhaupt vorgelagert im Schutze von Spundwänden außendeichs im Wasser. Es gibt keine erreichbaren Lagerflächen an Land. Die gesamte Materiallogistik findet auf Pontons statt.
Trägerschalung für die Schleusenwände
Die einhäuptigen Wände der Schleusenkammer entstehen mit Doka-Trägerschalung FF100 tec. Sie zeichnet sich durch besonders wenige Ankerstellen bei gleichzeitig geringen Verformungen aus. Basis dafür ist der hoch belastbare Verbundschalungsträger I tec 20. Im Vergleich zu üblichen Vollwandträgern mit 20 cm Höhe trägt der bauaufsichtlich zugelassene Verbundschalungsträger I tec 20 bei identischer Bauhöhe rund 80 % mehr. Beste Voraussetzungen für präzise Ergebnisse.
Im Pilgerschritt-Verfahren werden jeweils 15,00 m lange und 3,90 m hohe Wandabschnitte betoniert. Nach Fertigstellung der ersten kompletten Wand mit rund 170,00 m Länge kommen die Elemente erneut für den zweiten und dritten Höhenabschnitt zum Einsatz. Sie stehen dann auf Kletterkonsolen MF240 und erreichen eine Betonierhöhe von 10,50 m. Die Schalung bleibt zur Nachbehandlung der Flächen immer eine Woche stehen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Auf 170,00 m Länge stehen die Kammerwände ohne Abweichung, wie an einer Schnur entlanggeschlagen.
Spezial-Schalhaut
Eine Herausforderung an die Schalhaut waren die außergewöhnlich hohen Anforderungen der ZTV-W nach einem möglichst geringen Lunkeranteil des Betons. Zum Einsatz kam deshalb die saugende, hochverdichtete Holzwerkstoffplatte RS special von Westag & Getalit. Da die Betonoberflächen der Kaianlagen permanent der Witterung ausgesetzt sind, mussten sie besonders witterungsbeständig und langlebig gebaut werden. Westag-Fachberater Gerd
Ploeger erklärt: „Die RS special ist seit Jahren auf zahlreichen ähnlichen Baustellen erprobt und ihr Einsatz ermöglicht eine ausreichende Oberflächenhärte“. Als saugende Patte nimmt die RS special das beim Betonieren an der Schalungsplatte sich bildende Überschusswasser auf. In der Folge reduziert sich der W/Z Faktor und die Oberflächendichte nimmt signifikant zu. Darauf kommt es im Randbereich hauptsächlich an, denn dies mache den Beton widerstandsfähiger gegen äußere Einflusse wie z.B. Chloride, Carbonatisierung, Meerwasser und Frostschäden.
Westag & Getalit produziert die RS special-Schalungsplatten mit einer nur geringen Eigenfeuchte von ca. 8 %. Ein gleichmäßiges Saugverhalten wird bewirkt, wenn die Schalhaut vor dem erstmaligen Einsatz auf ca. 15 bis 18 % Holzfeuchte angehoben wird, was normalerweise schon durch die Luftfeuchtigkeit auf der Baustelle geschieht.
Der Doka-Fertigservice belegte die Schalungsroste mit der 21 mm starken großflächigen Schalhaut und verschraubte sie für ein tadelloses Betonbild von hinten. Dadurch zeichnen sich keine Schrauben- oder Nagellöcher auf der Sichtfläche ab. Just-in-time kommen fix und fertig einsatzbereite Schalungselemente auf die Baustelle, in Summe rund 2.800 m².
Ankertechnik für einhäuptige Wände
Die Wände der Nesserlander Schleuse haben Wandstärken von 0,70 m bis 3,00 m sowie eine einheitliche Betonüberdeckung von 6 cm. Sie werden meist einhäuptig gegen Spundwände aus Arcelor-Profilen AZ50 und S350 GP betoniert. An diesen Profilen sind im Regelbereich im Ankerraster von 1,25 m x 1,75 m spezielle Anschweißmuffen 15,0 präzise angeschweißt. Dort hinein wird ein Ankerstab 15,0 gedreht und über wiedergewinnbare Spannkonen mit dem Schalungselement verschraubt. Durch den Einsatz der hoch tragfähigen Trägerschalung FF100 tec, im Vergleich zu einer üblichen Wandschalung, werden bei dem gesamten Bauwerk mehr als 2.400 Ankerstellen eingespart.
Hohe Zufriedenheit
ARGE-Bauleiter Lüder Ahrens von Aug. Prien hat auf seiner anspruchsvollen Baustelle alles im Griff. „Ganz besonders freue ich mich über die hohe Exaktheit und Ausführungsqualität“, so Lüder Ahrens. „Das ist das gemeinschaftliche Ergebnis einer durchdachten Planung, Zusammenarbeit mit renommierten Herstellern und Lieferanten und einer bestens eingespielten Mannschaft.“
AUG. PRIEN: www.augprien.de
Gebr. Neumann: www.gebr-neumann.de
Ostfriesische Transport-Beton: www.sibo.de
Union Transportbeton: www.vetra-beton.de
Westag & Getalit: www.westag-getalit.de
Doka: www.doka.de