Sparschleusen für den Panama-Kanal
Den riesigen Tonnagen heutiger Frachtschiffe war der Panama-Kanal bisher nicht gewachsen: Schiffe mit großen Kapazitäten mussten Südamerika umfahren.
Dank neuer Sparschleusen ist dieser Umweg nun Geschichte.
Kanal für größere Schiffe erweitert
Die weiterhin bestehenden alten Schleusen gingen 1914, dem Jahr der Kanaleröffnung, in Betrieb. Mit vielen Reserven waren sie seinerzeit für die weltgrößten Schiffe ausgelegt. Doch infolge der immer gigantischeren Schifftonnagen wurden sie spätestens mit Beginn des neuen Jahrtausends zu klein. 2006 beschloss der Staat Panama im Rahmen einer Volksabstimmung eine Kanalerweiterung bzw. die Neuanlage der Schleusen. Der Bau begann ein Jahr später, endete im Juni 2016 und kostete rund 5,24 Mrd. Dollar.
Grundsätzlicher Kanalverlauf
Panama besitzt annähernd eine S-Form, der Panama-Kanal liegt etwa in der Mitte und verläuft in nord-südlicher Richtung. Der Atlantik liegt nördlich von ihm, der Pazifik südlich. Im Norden beginnt der Kanal in der Limón-Bay, einer gut 8 km langen, natürlichen Bucht.
Die Schiffe fahren zunächst in eine Dreifachschleuse ein, welche sie auf etwa 30 m über N.N. anhebt. Nach deren Passage sinken die Schiffe auf der Pazifik-Seite dann über eine ebenfalls neu angelegte Dreifachschleuse wieder auf Meereshöhe hinab.
Nach dem Durchqueren des Gatn-Sees führt die Wasserstraße durch den Gaillard-Kanal. Im bisherigen Kanalverlauf gelangten die Schiffe unmittelbar nach dem Gaillard-Kanal über die einzelne Pedro-Miguel-Schleuse an den Miraflores-See. Von dort ging es über eine Doppelschleuse wieder auf Meereshöhe.
Die Erweiterung
Die Erweiterung ist vergleichbar mit einer Umgehungsstraße. Zwar war mit der ersten Gaillard-Kanal-Erweiterung von 2002 der Kanal nun durchgängig in beiden Richtungen schiffbar. Fortan können Schiffe aber auch die zwei alten Schleusen auf der Pazifikseite umgehen. Denn auf dem Gatnsee-Niveau verläuft jetzt der Kanal bis hinter die alte Miraflores-Doppelschleuse und wird dann erst mit dem neuen Bauwerk wieder ganz auf Meereshöhe abgesenkt. Realisiert wurde das gigantische Projekt durch eine ArGe aus vier Bauunternehmen: der spanischen Sacyr Vallehermoso, der italienischen Impregilo, Jan de Nul aus Belgien und der lokal in Panama ansässigen Constructora Urbana.
Weltgrößtes Betonbauteil
Alle Dreifachschleusen des Panama-Kanals arbeiten nach dem gleichen Prinzip: Für jede Fahrrichtung gibt es drei Kammern hintereinander, in denen die Schiffe in Teilschritten angehoben oder abgesenkt werden. Dabei fahren die Schiffe beim Verlassen einer Kammer direkt in die folgende ein. Die Kammern werden durch dieselbe Toranlage getrennt.
Die neuen Schleusenkammern sind jeweils 427 m lang, 55 m breit und 18,3 m tief. Addiert man die Kammergrößen, ergibt sich ein Bauwerk von rund 1,5 km Länge, gut 120 m Breite und einer Höhe von mehr als 50 m. Tatsächlich handelt es sich bei der Gatn-Schleuse um das aktuell weltgrößte zusammenhängende Betonbauteil. Die neue Miraflores-Schleuse auf der pazifischen Seite ist unwesentlich kleiner.
6,6 Mio. m³ Beton
Zum Bau der beiden neuen Schleusen waren mehr als 6,6 Mio. m³ Beton erforderlich. Das entspricht einer Tagesleistung von rund 6.300 m³. Erstellt wurde der Beton von vier Mischanlagen des italienischen Betonherstellers Simen aus Minerbe. Auf atlantischer wie auf pazifischer Seite gab es jeweils zwei Produktionsstätten, welche die gesamte achtjährige Bauzeit durchliefen.
Die Steuerungen zu diesen hocheffizienten Betonmischwerken lieferte Dorner Electronic aus Egg. Um die geforderten Betonmengen in der richtigen Qualität und just-in-time liefern zu können, bezog Simem von dem österreichischen Anlagenbauer zehn Zuschlagwaagen, acht Zementwaagen, vier Wasserwaagen, acht Zusatzmittelwaagen, vier Eiswaagen, zwei Faserwaagen sowie vier Mischer à 4,5 m³.
Sparschleusenprinzip
Schleusen speisen sich gewöhnlich aus dem nachfließenden Wasser eines Flusses. Flussaufwärts fließt Wasser von oben in die Schleusenkammer, flussabwärts läuft es nach unten ab. Mit dem Panama-Kanal wird jedoch ein Höhenzug überwunden und kein Fluss schiffbar gemacht. Ein natürlicher Wassernachfluss ist also nicht gegeben. Vielmehr entweicht das vorhandene Süßwasser über zwei Mündungen ins Meer.
Daher entschlossen sich die Ingenieure sogenannte Spar-
schleusen anzulegen, mit denen der Wasserdurchsatz um ca. 60 % reduziert wird. Dabei sind jeder Dreifachschleusengruppe kaskadenförmig organisierte Ausgleichtanks zugeordnet. Diese sind seitlich in die Schleusenkammerwände integriert. Sie fangen das Süßwasser einer abwärts gewandten Schleusung auf und geben es bei der darauffolgenden aufgehenden Schleusung den Kammern wieder zu.
Schleusenmodell zur Simulierung der Vorgänge
Bei der Planung der Schleusen kam außerdem ein Modell der Fischerwerke GmbH & Co. KG aus Fischertechnik Bausteinen zum Einsatz. Die hydraulischen Prozesse in der
Schleuse mussten mehr als 2.000 Mal durchgerechnet und getestet werden. Mehr als 300 Szenarios wurden entworfen. Doch die komplexen Vorgänge sollten nicht nur am Computer simuliert, sondern auch physikalisch ausprobiert werden.
Dazu ließ das mit dem Kanalausbau beauftragte Unternehmenskonsortium Grupo Unidos por el Canal (GUPC) den Robotic Club Rbots ein Schleusenmodell im Maßstab 1:200 bauen. Mit dem Modell wurden alle Schritte des Betriebs durchgeführt.
Der 2002 gegründete, an eine Schule angegliederte Club griff auf die Bausteine des Konstruktionssystems Fischertechnik zurück, um das Projekt zu realisieren.
Aus den Baukästen der Produktlinien Robotics, Profi und
Advanced baute die Gruppe Aufzüge und horizontale Transportbänder, Antriebe für die Schleusentore, Hebemechanismen für die Wassersparbecken sowie Rondelle zum Drehen der Schiffe auf beiden Seiten der Schleuse. Darüber hinaus entwickelte das Rbots-Team eine App zur Steuerung der drei Kammern der Schleuse. Dank der Programmierung ließ sich die Anlage leicht verständlich per Touchscreens bedienen. Das System von Fischertechnik bot somit vielfache Möglichkeiten, die Strukturen zur Bewegung der Schiffe in den Schleusenkammern nachzubilden.
Gleitschalung für die Schleusenwände
An der Erstellung der Schleusenbauwerke arbeiteten 4.200 Bauarbeiter mehr als drei Jahre lang im Zweischichtbetrieb. Dabei umfasste die einzuschalende Fläche 2,2 Mio. m², hinter der insgesamt 337.500 t Stahl mit 70 Kranen eingehoben und schließlich 6,6 Mio. m³ Beton über 30 Fördersta-
tionen eingebracht wurden.
An der erfolgreichen Realisierung dieses Mammutprojekts hatte die Peri GmbH einen erheblichen Anteil. Insgesamt lieferte sie zwischen 2011 und 2014 insgesamt 1.100 Schiffscontainer an Schalungs- und Gerüstma-
terial nach Panama: Der bislang größte Einzelauftrag in der Firmengeschichte. Vor allem verwendet wurde hier das SCS Klettersystem für einhäuptige Anwendungen des süddeutschen Unternehmens.
Dabei handelt es sich um ein flexibles Baukasten-
system mit einer mehrteiligen Konsole. Diese konnte an die Dimensionen der Schleusenkammerwandungen angepasst werden.
Eingesetzt wurde hier die Version SCS 250 mit Fahrwagen. Dessen Rückfahrweg von 60 cm schuf einen ausreichenden Arbeitsraum. Entsprechend der Detaillierung der unterschiedlichen Schleusenteilbereiche ließen sich diese Konsolen mit der
Träger-Wandschalung „Vario“ oder der Rahmenschalung „Trio“ kombinieren.
Bei dem Panama-Kanal-Projekt kamen noch weitere Traggerüstsysteme von Peri zur Anwendung, allen voran das Modell „Up Rosett“. Verwendung fand es vor allem bei Deckenschalungen und -tischen, insbesondere zur Errichtung sicherer Zugänge.
Kanalkapazität
Die Anzahl der Frachtschiffe der größeren „Neo-
panamax“-Klasse nahm schon vor der Kanalerweiterung beträchtlich zu. Jetzt können fast alle Schiffe die panamerikanische Passage befahren. Mit der Baumaßnahme verdoppelten sich ihre Kapazitäten und die Panama Canal Authority geht davon aus, dass die künftigen Einnahmen sich auf rund 3 Mrd. Dollar pro Jahr belaufen werden.