Öffentlich geförderter Wohnungsbau mit niedrigen Wasserkosten

Grauwasser statt Weihwasser

Denkmalschutz und Brandschutz forderten einen hohen Konstruktionsaufwand beim Einbau von Wohnungen in das 100 Jahre alte Kirchenschiff der Herz-Jesu-Kirche in Mönchengladbach. Der Investor ging noch einen Schritt weiter und integrierte ein Betriebswassernetz zum Recycling von Grauwasser für Waschmaschine und Toilettenspülung. Die Wasserrechnung der Mieter fällt dadurch deutlich niedriger aus.

Im Bistum Aachen war sie nicht die erste Kirche, die profaniert, d. h. als heiliger Ort außer Betrieb genommen wurde. Seit Jahren schon führen Kirchenaustritte zu sinkenden Einnahmen und gleichzeitig zu einem geringeren Raumbedarf. Die Folge ist zunächst die Schließung von Pfarrhäusern, Büchereien, Jugendheimen und auch Kirchen - in einem weiteren Schritt der Verkauf einiger der insgesamt 3.000 Immobilien. So wurde nach fast 104 Jahren Gottesdienst die Herz-Jesu-Kirche im Mönchengladbacher Stadtteil Pesch durch bischöfliches Dekret profaniert. Nach einigen Jahren Leerstand begann die Planung zur Umnutzung. Der drohende Verfall des denkmalgeschützten Gebäudes konnte abgewendet werden.

 

Denkmalschutz

Dr. Karl-Heinz Schumacher, Leiter der unteren Denkmalbehörde in Mönchengladbach befürwortet die Veränderung: „Die Minimierung der baulichen Eingriffe in die denkmalwerte Substanz findet ihre Ergänzung in einer intelligenten Ausbauplanung, die interessante und wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten eröffnet. Das lokale Interesse an der neuen Wohnadresse scheint dem Projekt Recht zu geben.“

 

Sein Anliegen war die weitgehende Erhaltung des äußeren und inneren Erscheinungsbildes beim Einbau der barrierefrei zugänglichen Wohnungen – und die Möglichkeit zum Rückbau. „Ein wichtiger Aspekt ist, dass der Innenausbau der Kirche nicht in konventioneller Bauweise erfolgt ist. Um die denkmalpflegerische Forderung nach Reversibilität zu erfüllen, entschieden sich Planer und Bauherren erfreulicherweise dazu, den kompletten Innenausbau als Holzständerkonstruktion auszuführen“, lobt Schumacher.

 

Innenarchitektur

In den Seitenschiffen sowie im Querhaus und Chorraum wurden auf vier Ebenen Wohnungen eingebaut, zwischen 48 und 82 Quadratmetern groß. Das ehemalige Mittelschiff blieb durch den breiten Erschließungsgang erkennbar, der sich innerhalb der Vierung aufweitet. Von hier eröffnen Treppen, Galerien und ein Aufzug als eingestellte Stahl-Glas-Konstruktionen die Obergeschosse.

 

Beim Betreten der Wohnungen lässt man die Halle mit neuen Elementen aus Stahl und Glas, getragen durch die alt-ehrwürdig da stehenden Bogenpfeiler  aus Stein, hinter sich. Je nachdem in welchem Geschoss man sich befindet, haben die Decken und Außenwände noch sichtbare Teile von Strebebögen, Gewölbe oder Steingesims, haben Fenster noch Anschluss an ein großes Ganzes, das von der Wohnung aus nur aber nur im Ausschnitt wahrgenommen werden kann. Und jede Einheit ist anders, als ob ein Designhotel die Vorlage gewesen wäre. In der ehemaligen Kirche wohnt man individuell, barrierefrei zugänglich und hochmodern ausgestattet für nur 4,85 € pro Quadratmeter. Allerdings benötigt, wer hier einziehen will, einen Wohnberechtigungsschein – denn die Baumaßnahme wurde mit öffentlichen Mitteln gefördert.

 

Sanitärinstallation

Frei vor Wände und Pfeiler gestellte Holzkonstruktionen mit Beplankung in Gipskartonplatten ermöglichten in den Zwischenräumen Leitungsführungen, so dass schwere bauliche Eingriffe in die schützenswerte Bausubstanz nicht erforderlich waren. „Gleichzeitig war dies eine Voraussetzung dafür, dass es nicht zu den bei Modernisierung und Umbau sonst üblichen Einschränkungen bei der Sanitäreinrichtung kam“, freut sich Georg Wilms, einer der beiden Geschäftsführer bei Schleiff, dem Projektentwickler. „Die Bäder sind vom Zuschnitt her nicht anders als in einem Neubau. Die doppelte Leitungsführung von Trinkwasser und Grau-/Betriebswasser war problemlos möglich“.

 

Die Toilettenspülkästen werden in allen 23 Wohnungen mit Betriebswasser aus der zentralen Grauwasseranlage versorgt. Für den Waschmaschinenanschluss gibt es gemäß gesetzlicher Vorschrift zwei Ventile an der Wand mit entsprechender Beschriftung. „Die Mieter haben die Wahl, ob sie gebührenpflichtiges Trinkwasser oder kostenloses Betriebswasser für die Waschmaschine nutzen“, klärt Wilms auf.

 

Grauwassertechnik

Nur für etwa die Hälfte des Wasserbedarfs im Haushalt benötigen wir Trinkwasser. Der zur Körperreinigung genutzte Anteil kann nach Aufbereitung als Betriebswasser nahezu den restlichen Bedarf abdecken. Ohne Komfortverlust halbiert sich so die Wasserrechnung.

Jede Grauwasseranlage benötigt ein separates Leitungsnetz. Das für die Körperreinigung genutzte Trinkwasser kann als so genanntes Grauwasser beim Abfluss aus Badewanne, Dusche und Handwaschbecken gesammelt, aufbereitet und als Betriebswasser ein zweites Mal gebührenfrei in der Wohnung genutzt werden. Es eignet sich der Qualität und Menge nach für Toilettenspülung und Waschmaschine. Die Auffang- und Vorrats-Behälter für das Grauwasser der Kirche befinden sich im unterirdischen Technikraum, für die hochwertigen Wohnungen, die neben der Kirche zusätzlich gebaut werden, im Keller des Neubaus.

 

Funktionsweise

Wie sieht eine solche Anlage aus? In der Regel stehen mehrere gleich große 2000-Liter-Tanks nebeneinander. Für die umgebaute Kirche wurden drei zu einer Anlage verbunden und in einem unterirdischen Technikraum neben dem Kirchenschiff untergebracht. In den ersten fließt das Grauwasser per Sammelleitung im freien Fall. Das benötigt keine Energie. „Herzstück“ der Grauwasseranlage ist die Membranfiltertechnik. Als Ultrafiltration hält sie zurück, was größer als 0,00005 mm ist. Diese Aufbereitung findet im mittleren Behälter statt, unterstützt durch einen Belüfter, welcher von außen eingeblasene Luft in den unteren Teil des mit Grauwasser gefüllten Behälters drückt. Die Filtermembranen stehen, zu einem Block gebündelt, mitten drin. Die Luft blubbert am hauchdünnen Membrangewebe entlang und reinigt es von Ablagerungen der gefilterten Stoffe.

Vom ersten in den zweiten und nach Reinigung aus dem Inneren der Membranen in den 3. Tank wird das Wasser periodisch durch kleine, automatisch laufende Pumpen gefördert. Ist der 3. Behälter leer, weil der Bedarf an Betriebswasser größer war als der Zulauf von Grauwasser, so fließt automatisch Trinkwasser ins System. Im letzten Tank, dem Reinwasser- oder Vorratsbehälter, wird nach Bedarf Wasser entnommen durch eine weitere Pumpe, die das Betriebswassernetz bis zu den Verbrauchsstellen unter dem voreingestellten Leitungsdruck hält. Das dafür verantwortliche Bauteil ist ein frequenzgesteuerter Druckwächter. Er übermittelt die nötige Drehzahl bzw. Frequenz an die Pumpe und sorgt so für gleichmäßige Druckverhältnisse an den Verbrauchsstellen. In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zu einem Anschluss ans Trinkwassernetz.

 

Effizienz und Sicherheit

Die Entwicklung des Grauwasser-Recyclings beim Hersteller iWater Wassertechnik hat mehrere Ziele. Natürlich sollen die Anlagen störungsfrei und wartungsarm funktionieren. „Zusätzlich optimieren wir die ökologische und ökonomische Effizienz, indem wir die Überwachung und Steuerung sowie den Pumpenbetrieb so Strom sparend wie möglich konzipieren“, sagt Geschäftsführer Axel Pungs. Vorrangiges Ziel ist und bleibt die Wasserqualität. Es darf laut Trinkwasserverordnung keine Beeinträchtigung des öffentlichen Trinkwassernetzes geben. Das könnte theoretisch bei der Nachspeisung von Trinkwasser in den leeren Reinwasserbehälter passieren. Doch hier gibt eine nach DIN genormte Übergabeeinrichtung die vom Gesetzgeber geforderte Sicherheit. Sie ist Teil der im Werk vorgefertigten Anlage. Damit ist gewährleistet, dass diese bei der Montage nicht vergessen oder falsch eingebaut wird.

Laut Pungs ist die Aufbereitung bei diesem Projekt für die Behandlung von Grauwasser aus Duschen und Handwaschbecken ausgelegt. Der Küchenablauf sollte aufgrund der im Abwasser enthaltenen Fette nicht angeschlossen werden. „Unsere Technologie garantiert durch die Barrierewirkung der Ultrafiltrationsmembran einen nahezu vollständigen Bakterienrückhalt“ bestätigt er und ergänzt: „Selbst die hygienischen Vorgaben der europäischen Richtlinie für Badegewässer werden eingehalten“.

 

Akzeptanz

Dass vor Fertigstellung bereits alle 23 Wohnungen im Kirchenschiff vermietet waren, zeigt das große Interesse an dieser Immobilie. Wie viele der Bewohner sich für das Grauwasser zum Wäschewaschen entscheiden, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall gilt diese wie jede andere Form des Wasser- und Energiesparens in Kirchenkreisen als eine der Maßnahmen zur Bewahrung der Schöpfung. Und das dürfte diejenigen versöhnen, die unter der Entwidmung und Nutzungsänderung der Kirche gelitten haben.

Nach wie vor hat die Kirchengemeinde Anteil am Geschehen auf dem Grundstück. Sie erhält ein neues Gemeindezentrum. Um die Pflege des weitläufigen Areals muss sie sich aber nicht kümmern. Die Erdgeschosswohnungen haben Terrassen. Die restliche das Kirchenschiff umgebende Fläche wird parzelliert und als Garten unter den Mietern aufgeteilt. Von der Pescher Straße aus bleibt der Blick auf die ehemalige Pfarrkirche mit ihren über den Seitenschiffen markant gespannten Strebebögen sichtbar, denn die Fläche bis zur Kirche wird freigehalten. Seitlich, zwischen Straße und neuem Gemeindezentrum, entsteht auf dem Kirchengelände ein Mehrfamilienhaus mit 11 exklusiv ausgestatteten Wohnungen. Es erhält, wie das umgebaute Kirchenschiff, eine Haustechnik, die Erdwärme und Grauwasser nutzt. Im Februar 2012 wird das Ensemble komplett sein.

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