Keine Immobilienblase
Ein Gespenst geht um in Deutschland: manche Experten verkünden die Gefahr einer Überhitzung im Wohnungsbau. Sogar die seriöse Bundesbank bekommt ein mulmiges Gefühl angesichts der seit 2010 wieder ansteigenden Wohnungspreise. Tatsächlich ist die Angst vor einer Immobilienblase hierzulande lächerlich.
Die trostlosen Bilder kennt man aus den USA, Spanien und Großbritannien: leer stehende Häuser, mit baumelnden „To Sale“-Schildern vor dem Eingang, oder, wie in Spanien, bezugsfertige Luxuswohnzitadellen, die man eigentlich wieder abreißen könnte. Die „Subprime“-Krise mit den faulen Hypothekenkrediten in den Vereinigten Staaten hatte die schwere Finanz-und Wirtschaftskrise von 2008-2009 ausgelöst. Leichtsinnige Banken hatten noch leichtsinnigeren Kunden, die über gar kein Eigenkapital verfügten, in großem Umfang Hypotheken angedreht. Aus deutscher Warte war dies ein widerliches Spiel, das einfach schief gehen musste. Wünsch dir was-Kapitalismus auf Klein-Erna-Ebene. Die Spanier glaubten, sie könnten mit Immobilienspekulationen- die Häuserpreise stiegen ja unaufhörlich- innerhalb kürzester Zeit reich werden. Diese bekannten Tatsachen muss man sich in Erinnerung rufen, um das aktuelle Geschehen auf dem deutschen Wohnungsmarkt richtig einzuschätzen.
Ein elastisches Angebot
Die stets vor Inflation warnende Bundesbank befasste sich im Monatsbericht März mit dem Thema. Die Wohnimmobilien hätten sich in 2011 „kräftig verteuert“, um 5,5 % gegenüber 2010, wo die Preise bereits um 2,6 % zugelegt hätten. Die Notenbank erwähnt nicht, dass vorher 10 Jahre lang die Wohnungspreise stagniert hatten. Sie erklärt den Preisanstieg der letzten beiden Jahren mit dem Umstand, dass sich das „marktfähige Angebot aufgrund des sehr schwachen Wohnungsbaus im letzten Jahrzehnt verringert hat“. Tatsächlich gingen die Fertigstellungen von Wohnungen von 600.000 in 1995 auf einen Negativrekord von 159.000 in 2009 zurück. In 2010 stagnierte die Zahl bei 160.000. Erst 2011 gab es eine deutliche Erholung um 16 % auf 185.000 und für das laufende Jahr sagt Ifo einen weiteren Anstieg um 11 % auf 211.000 Fertigstellungen voraus. Erst in diesem Jahr wird also die bestandssichernde Untergrenze von 200.000 fertig gestellten Wohnungen erreicht. Ifo rechnet in den Folgejahren mit einem kontinuierlichen Wachstum bis auf 307.000 im Jahr 2021. Die Bundesbank lobt das „elastische Angebot“, die Baugenehmigungen seien in 2011 um ein Fünftel gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt nahmen sie genau um 22 % auf 228.000 zu. Will sagen: wenn das Angebot an Neuwohnungen in 2011 nicht deutlich zugenommen hätte, wären die Preise wegen der Knappheit viel stärker gestiegen.
Vom hintersten Keller ins Souterrain
Die Preise gehen in Deutschland also nach oben, weil es nicht genügend Wohnungen gibt. Immobilienblasen gibt es aber nur, wenn wie in Spanien ein Überangebot auf eine fehlende Nachfrage trifft: der Markt bricht dann zusammen, die Blase platzt. Hierzulande ist man meilenweit davon entfernt. Deutschland kommt aus dem tiefsten Keller und richtet sich eben im Souterrain ein; ein Aufstieg in die Beletage ist möglich, aber ein krachendes Wachstum bis unter die Dachbalken scheint unvorstellbar. Die Immobilienexperten nennen eine Fülle von Einflussfaktoren für den derzeitigen Aufschwung im Wohnungsbau: das starke Wachstum der Volkswirtschaft in 2010 und 2011, die gute Stimmung der Verbraucher angesichts eines Rückgangs der Arbeitslosigkeit, die historisch niedrigen Bauzinsen. Neben diesen fundamentalen Faktoren gibt es allerdings auch die Spekulation, sowie die Flucht ins „Betongold“ angesichts der Euro-Krise. Da sich seit Jahresbeginn die Finanzmärkte wieder beruhigt haben und die Aktien steigen, ist es möglich, dass das spekulative Kapital wieder abfließt.
Rückschlagpotential überschaubar
Laut Bundesbank ist es „nicht gesichert, dass steigende Kaufpreise jederzeit durch zukünftige Mieteinnahmen gedeckt werden können“. Sie gibt zu: „ Noch erscheint das Rückschlagspotential für die Preise überschaubar“, aber „gerade bei Investitionen in Wohnimmobilien mit dem Ziel der Realwertsicherung ist dieses Risiko ins Auge zu fassen“. Die Vorsicht der Bundesbank in Ehren, aber Makler sagen, dass bei zu stark steigenden Preisen auf einzelnen regionalen Märkten die Investoren sich einfach zurückziehen. Die Notenbank gibt selbst zu, dass die von ihr angegebene Preissteigerung der Wohnimmobilien „etwas überzeichnet“ ist, da die ermittelten Daten vor allem städtische Regionen erfasse. Die Grundtendenz steigender Preise stimme aber. Tatsächlich ist der deutsche Wohnungsmarkt eher aufgesplittert. Die „Frankfurter Allgemeine“ zitierte neulich den Chefanalysten von Immobilienscout, Michael Kiefer. Er meinte, der Münchner Wohnimmobilienmarkt würde überhaupt nicht aus dem Ruder laufen, obwohl dort die Preise gegenüber den Mieten viel stärker gestiegen sind. Allerdings stehe in der bayerischen Metropole einer hohen Nachfrage ein geringes Angebot gegenüber. Mit anderen Worten, die angebotenen Objekte werden sofort vom Markt absorbiert. Von Preisblase könne also keine Rede sein.