Wohnungsbau kommt aus dem
tiefen Tal

Die Fertigstellungen werden 2011 signifikant zunehmen

Erstmal seit Mitte der neunziger Jahre wird der Wohnungsneubau in Deutschland in diesem Jahr deutlich zulegen. Die gute Konjunktur, die sinkende Arbeitslosigkeit, die günstigen Hypothekenzinsen und die steigenden Mietpreise ermutigen offenbar die jungen Familien ein Eigenheim zu bauen. Auch die Investoren setzen auf den Geschosswohnungsbau. Die Frage aber ist: Hält der Trend an? Erste Antwort: Ja!

Das Blatt hat sich gewendet. In 2010 hatten die Fertigstellungen noch stagniert: sie waren um ein halbes Prozent auf 159.800 gestiegen, knapp 1000 mehr als der historische Tiefststand von 159.000 in 2009. Auf den ersten Blick ist dieses Verharren auf äußerst niedrigem Niveau erstaunlich. Denn der Wohnungsbau war bereits im letzten Jahr die „wichtigste Stütze“ der Baukonjunktur, wie der Hauptverband der Bauindustrie hervorhebt. Der Umsatz der Wohnungsbauunternehmen im Bauhauptgewerbe stieg nämlich um satte 6,6 % gegenüber Vorjahr. Im Vergleich gingen die Umsätze im Öffentlichen Bau in 2010 um 2,2 % und im Wirtschaftsbau um 4,3 % zurück. Nur muss man berücksichtigen, dass in den Wohnungsbau auch die Aktivitäten der boomenden energetischen Gebäudesanierung im Bestand einfließen. Leider haben wir hier nicht die Möglichkeit, die Umsätze im Wohnungsneubau und für die Modernisierung im Bestand voneinander zu trennen. Allerdings gibt es Indizien, die zeigen, dass es beim Wohnungsneubau aufwärts geht. In 2010 stiegen die erteilten Baugenehmigungen um 5,5 % an. Zwar realisiert nicht jeder potentielle Bauherr, der eine Genehmigung in der Tasche hat, das Projekt. Diese Einschränkungen kann man trotzdem mal ignorieren, denn die Entwicklung in 2011 ist atemberaubend. In den fünf ersten Monaten des Jahres stieg die Zahl der genehmigten Neubauwohnungen im Einfamilienhausbau um imposante 37 %. Die Investoren verschmähten die Wohnungsimmobilien auch nicht, denn die Genehmigungen im Geschosswohnungsbau legten in Zeitraum Januar-Mai um 30 % zu.

 

Wachstumslokomotive

Wohnungsbau

Auch in diesem Jahr wird der Wohnungsbau die Wachstumslokomotive in der Baubranche bleiben. Prof. Thomas Bauer, der neue Präsident des Hauptverbands, sagte eine Zunahme der Wohnungsbauumsätze um 8 % voraus, gegenüber einem Plus von 7 % im Wirtschaftsbau und einem Minus von 2 % im Öffentlichen Bau. Er erwartet außerdem einen Anstieg der fertig gestellten Wohnungen auf 190.000. Gegenüber 2010 wäre dies eine deutliche Zunahme um fast 20 %. Trotzdem, so Bauer, „werden wir auch 2011 die von vielen Experten als bestandssichernde Untergrenze genannte Zahl von 200.000 fertig gestellten Wohnungen nicht erreichen“. Erst müssen wir uns vergegenwärtigen, was die für 2011 erwarteten 190.000 neuen Wohnungen bedeuten. Man bleibt im Vergleich zu früher ganz unten.

Der historische Vergleich macht es deutlich. Nach der Wiedervereinigung in 1990 stiegen die Fertigstellungen erst auf einen Rekord von 600.000 in 1995 und seitdem ging es stetig bergab. Unter der rot-grünen Bundesregierung, die die Eigenheimzulage abschaffte, setzte sich die Schrumpfkur fort, mit einer Halbierung von 470.000 in 1999 auf 240.000 in 2005. Von 2005 auf 2006 gab es zwar einen kurzzeitigen Anstieg, der aber nicht anhielt. Noch im Juni fragte sich die „Frankfurter Allgemeine“, ob die in 2010 zum Stillstand gekommene Abwärtsbewegung tatsächlich bereits die Trendwende einläutete. Heute sind wir klüger und können bestätigen, dass es sich beim prognostizierten Anstieg der Fertigstellungen für 2011 wohl nicht um ein kurzzeitiges Phänomen handelt.

 

Keine Eintagsfliege

Auch die Fertighausbauer konnten im letzten Jahr den Rückgang stoppen. Bei Weber Haus stieg der Umsatz um 10 % und bei Bien-Zenker stagnierte er. Die Zunahme des Wohnungsneubaus wird keine Eintagsfliege bleiben. Aus mehreren Gründen. Erstmal setzt sich der Aufschwung bis weit in 2012 fort. Für 2011 erwarten die meisten Konjunkturinstitute einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um starke 3,5 bis 4 %. Ein geringeres Wachstum von ca. 2 % nächstes Jahr wäre kein Beinbruch. Als Konjunkturnachzügler würden Bausektor und Arbeitsmarkt erst verspätet auf eine Eintrübung reagieren. Die Häuslebauer und Investoren haben wohl noch ein, zwei wolkenlose Jahre vor sich. Das Baugeld wird relativ billig bleiben. Die demographisch unterschiedlichen Trends zu mehr Wohnungen für Singles in den Städten und zu weniger Einzelhäuser für Familien in der Peripherie werden sich wohl neutralisieren und nicht zu einem Rückgang der Nachfrage führen. Überhaupt stellt sich seit über 10 Jahren die Frage nach Angebot und Nachfrage. Rot-Grün hatte die Eigenheimzulage mit der Behauptung gestrichen, der Wohnungsmarkt sei gesättigt. Manche Experten hatten dem zugestimmt. Reiner Braun, Vorstand von Empirica, sagte nun gegenüber der FAZ, die Fertigstellungen würden sich in den kommenden Jahren nachhaltig erhöhen. Für ihn ist „die aufgestaute Nachfrage mittlerweile so groß, dass es zu einer Trendwende kommen muss“. Dies zeige unter anderem der Anstieg der Mietpreise.

Marcel Linden,

Bonn

Auch in diesem Jahr wird der Wohnungsbau die Wachstumslokomotive sein

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