Mehr Abwärmenutzung durch Hybridnetze
Mit einer modernen Netzbewirtschaftung werden nicht nur die Abwasserströme bedarfsorientiert gesteuert, auch die darin enthaltene Energie lässt sich zurückgewinnen. Erfahrungen werden seit Jahrzehnten in Deutschland und der Schweiz gesammelt. Das Kosten/Nutzen - Verhältnis hängt vom Einzelfall ab.
Laut Ruedi Moser aus Winterthur/Schweiz, einem der Partner der Hunziker Betatech, wird Abwasserwärme von 80 Schweizer Kläranlagen seit geraumer Zeit genutzt. Drei dieser Systeme laufen sogar schon seit 30 Jahren und zeigen, dass die Technik erprobt ist.
Die Stadtentwässerung Mannheim heizt nach Angabe von Tanja Teichert seit 2011 das Pumpwerk Ochsenpferch mit einem Wärmeübertrager im Kanal und einer Wärmepumpe im Gebäude. Die Einsparung wurde mit 11.000 € pro Jahr und einer Amortisationszeit von 7-8 Jahren veranschlagt.
Mark Biesalski von Uhrig Kanaltechnik in Geisingen/Deutschland verweist beim Thema Nutzung der Abwärme großer Kanäle für Nahwärmenetze auf die Siedlung Seelberg Wohnen in Stuttgart-Bad Cannstatt. Dort werden seit 2010 ca. 50 % Primärenergie sowie CO2-Emissionen eingespart. In einer 2013 veröffentlichten und von der DBU geförderten Studie stellt Michael Guigas fest: „Die Betriebsergebnisse aus den ersten beiden Betriebsjahren sind positiv. Die Vorgaben aus dem Energiekonzept werden eingehalten bzw. übertroffen. Sorgfältige und detaillierte Planung vorausgesetzt, ist die Umsetzung von ähnlichen Anlagen ohne größere Probleme möglich.“
Kanalisation als Kühler und Wärme-Verteilnetz
Prof. Dr.-Ing. Karsten Körkemeyer von der TU Kaiserslautern beschäftigt sich seit einigen Jahren schon mit Hybridnetzen. Das sind Kanalnetze, die mit Abwärme aus Kraftwerken oder aus der Industrie bewusst „aufgeladen“ werden, um einerseits die klimaschädigenden Auswirkungen von Kühltürmen auf die Atmosphäre zu vermeiden und andererseits die Abwärme in Fließrichtung weiter unten im Kanal zurückzugewinnen.
Nach Körkemeyers Auffassung wäre eine dauerhafte Erhöhung der Temperatur bei häuslichem Abwasser auf 22°C unschädlich. Seiner Meinung nach ließen sich bei höherem Wärmepotential im Kanal wegen der höheren Vorlauftemperaturen Wärmepumpen effektiver betreiben. Körkemeyer plädiert dafür, die bauliche Sanierung von Kanälen zu kombinieren mit dem Einbau von Wärmetauschern und dadurch finanzielle Mittel besonders effizient zu verwenden. Dann wäre der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Art von Energiegewinnung enorm.
Körkemeyer verweist auf den 2011 veröffentlichten Arbeitsbericht „Nahwärmenetz Kanal“ von Fahl, U. et al., Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart. Dieser Bericht zeigt den Zusammenhang von Kläranlagen, geeigneten Abwasserkanälen, Industriegebieten und Gebieten mit hohem Wärmebedarf. Das Ergebnis offenbart, dass theoretisch mit der in unseren Kanälen vorhandenen Abwasserwärme bereits heute 8,9 % des deutschen Energiebedarfs für Raumwärme und Warmwasser gedeckt werden könnten. Zugleich würden damit 6,14 % der CO2-Emissionen privater Haushalte bzw. 0,76 % der gesamten deutschen CO2-Emissionen vermieden. Das sind immerhin 6,5 Mio. Tonnen.
Durch die zusätzliche Einspeisung von Abwärme ließe sich bei 35°C Abwassertemperatur das Potential für die Wärmeversorgung aus Abwasser um den Faktor 3 auf 28 % steigern. Es sei genügend Abwärme aus Kraftwerken und Industrieprozessen vorhanden, um das hierfür nötige Wärmepotenzial im Abwasser zu erzeugen. Die Studie schließt mit dem Hinweis, „durch Abwärmenutzung bleiben Wertschöpfung und Arbeitsplätze im eigenen Land“. Wahrscheinlich bleiben sie sogar in der eigenen Kommune.⇥■
VORHABEN ZUM MERKBLATT DWA-M 114
Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) wird das Merkblatt DWA-M 114 „Wärme- und Lageenergie aus Abwasser“ bis Mitte 2016 überarbeiten und in „Abwasserwärmenutzung“ umbenennen. Das Merkblatt, das sich mit Planung, Bau und Unterhalt von Anlagen zur Abwasserwärmenutzung befasst, wird in folgenden Punkten ergänzt bzw. aktualisiert:
– Aufnahme neuer Grundlagen zur Berechnung der freien Wärme
kapazitäten von Kläranlagen in Form eines Kontingentes, welches auf der Basis der Ammoniumelimination als temperaturabhängiger Reinigungswert errechnet wird. Bagatellgrenzen für die Entnahme von Wärme aus Abwasser werden präzisiert. – Aufnahme der neuesten Entwicklungen bei Wärmetauschern.
– Integration neuer Forschungsergebnisse und aktueller Studien zur Abwasserwärmenutzung.
– Darlegung der rechtlichen Schnittstellen im Bereich der Liegen-
schaftsentwässerung bzw. zwischen der Grundstückentwässerung und der öffentlichen Kanalisation.
– Integration des Themas Leistungsmessung und Garantieüber-
wachung.
– Streichung des Abschnitts „Lageenergie“ (Stromgewinnung durch Abwasserturbinierung), da diese Technik in Deutschland bisher kaum angewendet wird.
Quelle: DWA Pressemitteilung 25/2014