Modellbasiertes Aufmaß und
Abrechnung mit vernetzter
Maschinensteuerung (Teil 1)

Den Straßenbau digitalisieren

Die papierlose Straßenbaustelle soll kommen. Alle relevanten Daten, Informationen sowie Unterlagen werden nur noch digital ausgetauscht. Die Grundlage bildet ein einheitliches und von allen Beteiligten benutzten 3D-Modell.

Der  Zeit und Geld sparende Arbeitsansatz „papierloses Büro“ kann auch auf die Baustelle, auch auf die Ausführungsphase übertragen werden. Dadurch vereinfacht und beschleunigt sich neben der Bauüberwachung auch die Baufortschrittskontrolle, die Zwischen- sowie Endabrechnung und die Datenbereitstellung für den digitalen Zwilling.

Grundsätzlich ist dies auch mit konventioneller Vermessungstechnik, Laserscannern und/oder Vermessungsdrohnen möglich. Hier wird die modellbasierte Arbeitsweise für Aufmaß, Abrechnung und Dokumentation auf Basis von vernetzter Maschinensteuerung betrachtet.

Mit diesem technologischen Ansatz ist eine Echtzeitdatenübertragung unmittelbar nach Arbeitsfortschritt möglich. Damit ist immer eine zeitnahe Eigenüberwachung durch das Bauunternehmen als auch die abrechnungsrelevante Überwachung und Freigabe durch den Auftraggeber möglich.

Gleichzeitig reduziert sich der Aufwand für Vermessungsarbeiten auf der Baustelle und damit die Kosten erheblich. Bedeutend ist hierbei für Bauunternehmen, dass sie diese Vermessungsarbeiten in der Regel nicht als eigene Leistungsposition vergütet bekommen.

1.Digitalisierung im Straßenbau

Sowohl in der gesamten Bauindustrie als auch im Straßenbau im Speziellen besteht bei der Digitalisierung - im Vergleich zu anderen Branchen wie dem Einzelhandel oder der Automobilindustrie - noch erheblicher Nachholbedarf (vgl. u.a. Top500 Digitaler Index Deutschland, Accenture 2016). Markant verdeutlicht dieses der Arbeitsproduktivitätsindex des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe. Danach stagnierte die Arbeitsproduktivität binnen rund 30 Jahren im Baugewerbe, während diese im produzierenden Gewerbe um über 70 % anstieg.

Ein Grund könnte sein, dass wir in der Baubranche als konservativer gelten als andere Industrien. Sehr viel wahrscheinlicher liegt das jedoch in der ortsgebundenen Baustellenfertigung im Sinne einer wandernden Fabrik [10] begründet. In stationären Fabriken und Gewerben waren die Voraussetzungen für eine digitale Arbeitsweise deutlich früher gegeben. Hohe Bandbreiten zur Datenübertragung waren zunächst nur stationär verfügbar.

1.1 Aktueller Stand

Trotz einiger Pilotprojekte für digitale Arbeitsweisen nach der BIM-Methode ist heute die lageorientierte Trassenplanung mit Längs- und Querprofil im Sinne eines 2D-Planes als Status quo im Straßenbau zu sehen [23], [18]. Dabei entstehen die bekannten, oft ausgedruckten und z. T. sehr großen 2D-Pläne mit Höhenangaben, ergänzt um die erforderlichen Profile.
Auf dieser noch üblichen Grundlage erfolgt Ausschreibung, Vergabe und Ausführung einer Infrastrukturmaßnahme.

Die schon seit sehr langer Zeit angewandte statische Absteckung und damit manuelle Übertragung der Planvorgaben in die Örtlichkeit wird immer mehr von einer kinematischen Absteckung mittels Baumaschinensteuerung verdrängt [28], [26]. Dabei wird in der Baustellenpraxis die Baumaschinensteuerung noch nicht für alle Arbeiten der Erdbaumaschinen eingesetzt, so dass die statische Absteckung noch auf den meisten Baustellen weiterhin zum Einsatz kommt.
Beim Deckeneinbau ist der Einsatz von Baumaschinensteuerungen besonders auf dem Asphaltfertiger allenfalls für die Ebenheits- oder Höhensteuerung üblich. Die Lage wird überwiegend noch manuell markiert.

Sowohl im Erdbau bzw. Unterbau als auch bei Deckeneinbau erfolgt das lagenweise Aufmaß für Abrechnungs- und Dokumentationszwecke mit konventioneller Vermessungstechnik.

1.2 Baumaschinensteuerungen im Erdbau

Im Straßenbau sind Baumaschinensteuerungen heute besonders im Erdbau sowie Unterbau auf größeren Maßnahmen fester Bestandteil der Bauausführung [21]. Es gibt unterschiedliche Varianten für die verschiedenen Baumaschinenarten.

Zum einen wird nach Führungssystemen, semi- und voll-automatischen Systemen unterschieden [29]. Bei Führungssystemen erhält der Bediener visuelle Informationen zum manuellen Betrieb des Werkzeuges (Baggerschaufel, Schild, Schar usw.). Bei semi-automatischen übernimmt das System bereits die Steuerung des Werkzeuges, die Bewegung der Maschine wird noch manuell vorgenommen. Voll-automatische Systeme sind noch die Ausnahme, hier wird die Steuerung von Werkzeug und Maschine vom System übernommen [29].

Zusätzlich wird nach Systemen für Positionsbestimmung nur von der Höhe (1D), von Höhe und Neigung (2D) sowie von Höhe, Neigung und Lage (3D) des Werkzeuges bzw. der Maschine unterschieden.

Für die modellbasierte Arbeitsweise kommen nur 3D-Systeme, d. h. die auch die exakte Lage der Maschine bzw. des Werkzeuges bestimmen, in Frage. Verbreitet sind dabei semi-automatische Raupen- bzw. Gradersteuerungen und Führungssysteme für Bagger. Die Verbreitung von semi-automatischen Baggersystemen steckt noch in den Anfängen. Für den Einsatz von 3D-Baumaschinensteuerungen wird die Bauausführungsplanung in Form von drei-dimensionalen Planungsdaten benötigt [24]. Damit übernimmt das System die kinematische Absteckung und Fertigung in einem Schritt [26]. Die drei-dimensionale Planung wird dafür in Punkten, sprich Koordinaten, beschrieben, die als digitale Geländemodelle (DGM) mit geradlinigen Verbindungen vermascht werden. Mit den dabei entstehenden Dreiecksnetzen wird die Geländeoberfläche beschrieben [15], [17]. Bei dieser Erstellung der Bauausführungsplanung als DGM ist darauf zu achten, dass Bruch- und Böschungskanten, Zwangslinien oder Ähnliches festgehalten werden [15].

1.3 Reduzierung von Nebenleistungen

Die Bauausführung ist ohne Vermessungsarbeiten für die Absteckung des Bausolls, das Kontrollieren während der Herstellung und das Aufmaß für die Abrechnung bzw. Dokumentation nicht möglich. Diese Vermessungsarbeiten gelten gemäß VOB als Nebenleistungen. Das bedeutet, sie sind für die Leistungserstellung auf der Baustelle zu erbringen, stellen in der Regel jedoch keine eigene Leistungsposition dar. Der Auftragnehmer erhält für diese Arbeiten keine gesonderte Vergütung [2].
Es liegt auf der Hand, dass eine Reduzierung von Nebenleistungen bei der Bauausführung auch zu einem Kosten- und Zeitvorteil führt.

Bereits im Einsatz von 3D-Baumaschinensteuerungen zur Reduzierung von statischen Absteckungen sowie Vermeidung von kontinuierlichen Höhenkontrollen während der Ausführung sieht Stempfhuber [28] eine Optimierung der Absteck- und Vermessungsarbeiten von rund 50 %. Dieses ist nicht nur für die Reduzierung von Nebenleistungen von Bedeutung, sondern in Zeiten des Fachkräftemangels eine wichtige Aufwandsreduzierung für die „knappen“ Geodäten.

1.4 BIM im Rahmen der Digitalisierung im Straßenbau

„Erst digital, dann real bauen“ ist der Grundsatz bei der Einführung der Methodik Building Information Modeling (BIM) im Bundesverkehrswegebau [5]. Abgeleitet ist dieser von der in der Industrie schon länger üblichen Vorgehensweise, herzustellende Maschinen, Fahrzeuge oder Ähnliches zunächst digital zu konstruieren und zu simulieren, bevor der erste Prototyp entsteht.

Als Definition wird hier in Anlehnung an Bormann [7] sowie Blankenbach und Lehmkühler [4] die Erschaffung und Verwaltung eines bauteilorientierten, digitalen Bauwerksmodells sowie dessen Nutzung über den gesamten Lebenszyklus in einer kollaborativen Arbeitsweise mittels Softwareeinsatz zu Grunde gelegt. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) formuliert dabei die

– Erhöhung von Planungsgenauigkeit und Kostensicherheit,

– die Optimierung der Kosten im Lebenszyklus, sowie

– die Umsetzung der Kernempfehlungen der Reformkommission

als die wesentlichen Themen bei der Einführung von BIM [5].
Ein endscheidender Fortschritt durch die Einführung von BIM ist der Wandel von den heute noch üblichen zweidimensionalen Methoden bei der Planung von Bundesverkehrswegen hin zur ausschließlichen Planung in bauteil-orientierten 3D-Modellen. Diese enthalten dann alle geometrischen sowie semantischen Informationen eines Bauteils, einer Schicht bzw. eines Erdkörpers [27], [3].

Die herrschende Meinung sowohl in der Literatur als auch in der Praxis ist, dass die Digitalisierung der Bauausführung als auch die Einführung von BIM, zunächst für den Bundesverkehrswegebau, nur mit offenen Schnittstellen und herstellerunabhängigen, standardisierten Formaten gelingen kann. So wird ein verlustfreier Datenaustausch ohne Informationsbrüche sichergestellt und gleichzeitig die heute noch häufigen Neuerstellungen von Plänen, manuellen Neueingaben und besonders dabei mögliche Fehler vermieden [1].

Die internationale Organisation buildingSMART hat mit den Industry Foundation Classes (IFC) ein solches standardisiertes Datenmodell geschaffen. Im Hochbau wird der IFC-Standard bereits regelmäßig eingesetzt, in der Regel bei Projekten, bei denen die BIM-Methode gefordert ist. Im Straßenbau wird dieses Datenmodell mit dem IFC Release 5 eingeführt [1].

Bisher scheinen damit weiter erst einmal nur die erprobten zweidimensionalen Methoden auf Basis eines Lage- und Höhenplans für den Entwurf einer Straße zur Verfügung zu stehen. Auf deren Grundlage werden die dreidimensionalen digitalen Geländemodelle mit Dreiecksnetzen als eine Geländeoberfläche für die Baumaschinensteuerung erstellt.

MOBA Mobile Automation AG

www.moba-automation.de

Der zweite Teil des Artikels mit dem Themenschwerpunkt „Modellbasiertes Arbeiten“ folgt in THIS Ausgabe 3/2021.

Quellenangaben

[1] Amann, J., Borrmann, A., 2015. Open BIM for Infrastructure – mit OKSTRA und IFC Alignment zur internationalen Standardisierung des

Datenaustausches, Internetabruf von publications.cms.bgu.tum.de am 26.11.2020, TU München

[2] Berner, F. et al., 2020. Grundlagen der Baubetriebslehre 1, 3. Auflage, Leitfaden des Baubetriebs und der Bauwirtschaft, Springer

[3]  Blankenbach, J., Becker, R., 2020. BIM und die Digitalisierung im Bauwesen, Handbuch Industrie 4.0: Recht, Technik, Gesellschaft, S. 777-797, Springer

[4] Blankenbach, J., Lehmkühler, H., 2017. Building Information Modeling – Einführung und Grundlagen, 161. DVW-Seminar, Hamburg

[5] BMVI. Stufenplan Digitales Planen und Bauen. Internetabruf www.bmvi.de 22.11.2020

[6] Bornemann, G., Codiertes Aufmaß, eine Alternative zur klassischen Aufnahme mit Feldbuch, VDVmagazin 2/07

[7] Borrmann, A. et al., 2015. Building Information Modeling – Technologische Grundlagen und industrielle Praxis, Springer

[8] Borrmann, A. et al., 2019. Steckbriefe der wichtigsten BIM-Anwendungsfälle – Handreichungen und Leitfäden Teil 6, BMVI Berlin

[9] Brandt, T., 2017. Aufmaß und Abrechnung in Würfele, F. et al.. Bauobjektüberwachung, Springer

[10] BWI-Bau, 2013. Besonderheiten der Bauproduktion in Ökonomie des Baumarktes, Springer

[11] Common InfraBIM Requirements YIV 2019, Internetabruf buildingsmart.fi 19.11.2020

[12] DEGES, 2020. BIM-Anwendungsfälle – Version 2.3, Internetabruf auf www.deges.de 24.11.2020

[13] Deutsche Bahn, 2020. Anwendungsfälle Ausführen, BIM Lebenszyklus, Internetabruf www.deutschebahn.com/db-netz-bim/ 11.08.2020

[14] DIN 18710, 2010, Beuth Berlin

[15] Ferger, M., 2013. Implementierung von digitalen Geländemodellen und Baumaschinendaten in die modellorientierte Projektorganisation

im Infrastrukturbau, 24. Assistententreffen der Bereiche Bauwirtschaft, Bautechnik und Bauverfahren S. 31-38, Weimar

[16] Ferger, M., 2014. Verfahren zur IT-gestützten Ermittlung von Prozess- und Abrechnungsmengen des Erdbaus unter Einsatz von

Baumaschinensteuerungen, Dissertation Universität Siegen, Cuvillier

[17]  Funke, F. et al., 2006. Elektronische Bauabrechnung unter Verwendung digitaler Geländemodelle, Geschäftsbericht Bayrischer Kommunaler

Prüfungsverband, München

[18] Günther, W., Bormann, A., 2011. Digitale Baustelle – innovativer Planen, effizienter Ausführen in Werkzeuge und Methoden für das Bauen

im 21. Jahrhundert, Springer

[19] InfraBIM Classification, Internetabruf buildingsmart.fi 19.11.2020

[20] Kivimäki, T., Heikkilä, R., 2015. Infra BIM based Real-time Quality Controll of Infrastructure Construction Projects, University of Oulu,

Internetabruf www.researchgate.net 22.11.2020

[21] Meyer, H.J., 2003. Anwendung von geodätischen Positionsmesssystemen in Straßenbaumaschinen. Fachtagung Baumaschinentechnik 2003, Dresden

[22] Morte, R. et al., 2019. Geotechnische Messverfahren in Handbuch Geotechnik, Springer

[23] Obergießer, M., 2017. Konventioneller und modellgestützter Planungsansatz im Infrastrukturbau in Digitale Werkzeuge zur integrierten

Infrastrukturbauwerksplanung, Springer

[24] Petschek, P., 2014. Geländemodellierung, 2. Auflage, Birkhäuser

[25] Roullier, G., 2013. Baumaschinensteuerung – Einsatz von intelligenten Vermessungssystemen bei Tief- und Straßenbauarbeiten. Geomatik Schweiz Geoinformation und Landmanagement 111, 3, S. 96-98

[26] Schweiger, V., Beetz, A.: Baumaschinensteuerung – der ingenieurgeodätische Beitrag, Ingenieurgeodäsie S. 283-318, 2017

[27] Stange, M., 2020. Theoretische Grundlagen in Building Information Modelling im Planungs- und Bauprozess, Springer

[28]  Stempfhuber, W., 2010. Echtzeitdokumentation bei 3D-Baggeranwendungen in Wunderlich, T.. Ingenieurvermessung 2010, Herbert Wichmann

[29] Stempfhuber, W., Ingensand, H., 2008. Baumaschinenführung und -steuerung – Von der statischen zur kinematischen Absteckung,

Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement, 133(1), S. 36-44

[30] Taina, H., 2019. Gespräch mit Harri Taina Vermessungsingenieur Destia Oy über die Anwendung der Methode, Lahti Finnland

[31] Tiemann, I., 2019. Prozessorientierung im Außendienst mit dem grafischen Feldbuch, 20. Internationale Geodätische Woche Obergurgl 2019,

Internetabruf IUBH School of Business and Management, 27.11.2020

[32] Wiesner, A. et al., 2017. Ingenieurgeodäsie – eine Einführung in Ingenieurgeodäsie, Springer

x

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