Modellbasiertes Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Maschinensteuerung
Den Straßenbau digitalisieren (Teil 3)Die papierlose Straßenbaustelle soll kommen. Alle relevanten Daten, Informationen sowie Unterlagen werden nur noch digital ausgetauscht. Die Grundlage bildet ein einheitliches und von allen Beteiligten benutztes 3D-Modell.
Die Digitalisierung ist natürlich auch im Straßenbau das bestimmende Thema. Ging es im ersten Teil des Artikels (THIS 1+2/2021) um eine aktuelle Grundlagen- und Standortbestimmung und in Teil 2 (THIS 3/2021) um „Modellbasiertes Arbeiten“, betrachtet der dritte und letzte Teil in dieser Ausgabe die Umsetzung des Themas in der Praxis.
3. Praxis
Die hier beschriebene sukzessive, kontinuierliche Mengenermittlung während der Bauausführung wird bereits in der Praxis angewendet. In Skandinavien, insbesondere in Finnland, wird auch die gemeinsame Plausibilisierung im Sinne einer volumenorientierten Baufortschrittkontrolle und -freigabe mittels einer gemeinsamen Plattform erfolgreich praktiziert. Dafür werden Aufmaß-Daten aus vernetzter Baumaschinensteuerung mit sogenannten Qualitätsmessungen des Vermessers verbunden und in einer gemeinsamen Plattform modellorientiert bereitgestellt. Dort erfolgt zunächst ein automatisierter Soll-Ist-Vergleich, der bei Überschreitung der vereinbarten Toleranzen die Bauausführenden informiert. Fällt dieser Vergleich positiv aus, prüft der Auftraggeber den Baufortschritt und gibt diesen für die Abrechnung frei.
3.1 Beispiele für Pilot- und Praxisprojekte
In Deutschland wurde dieses Jahr ein Pilotprojekt zur Erprobung dieser Arbeitsweise durchgeführt. Dabei wurde die in Abschnitt 2.1 beschriebene Codierung des Modells angewendet und die eingesetzten Baumaschinensteuerungen mit einer Cloud-Plattform vernetzt (Abb. 4+5).
Zentrale Erkenntnisse aus diesem Piloten waren, dass noch nicht alle verfügbaren Baumaschinensteuerungsanbieter diese Methode gleich gut bzw. gleich einfach unterstützen. Darüber hinaus wurde deutlich, dass genügend Augenmerk auf die Einweisung der Fahrer gelegt werden sollte. Je einfacher das System für den Maschinenführer anzuwenden ist, desto größer sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Umsetzung. Am besten erscheint eine Einweisung des Fahrers auf die Erstellung von Messpunkten zur regelmäßigen Eigenkontrolle. Eine Einweisung auf das Aufnehmen von Messpunkten als Ersatz für den Vermesser kann zu kontraproduktiver Verunsicherung führen.
In Finnland wurden die ersten Piloten mit dem Vorgehen im Jahr 2014 umgesetzt. Heute ist dort das modellbasierte Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Baumaschinensteuerung Standard auf allen größeren Infrastrukturmaßnahmen. So konnten bei einer rund 1,2 Kilometer langen Landstraße unter Einsatz dieser Methode rund 410 Stunden an Vermessungsaufwand und 7.600 Kilometer Fahrstrecke gegenüber der traditionellen Vorgehensweise eingespart werden. Bei einem 4,5 Kilometer langen Teilabschnitt einer insgesamt neun Kilometer langen Umgehungsstraße der finnischen Stadt Lahti konnte der Vermessungsaufwand mit Einsatz dieses modellbasierten Arbeitens rund halbiert werden. Bei dem 74 Kilometer langen Ausbau der Bahnstrecke Helsinki–Riihimäki wurden bisher 20 Prozent der veranschlagten Baukosten eingespart.
Wie Abb. 7 verdeutlicht, wurde bei diesem Projekt eine vollständige Modellierung nach der BIM-Methode vorgenommen. Das während der Bauphase sukzessive entstehende digitale Wie-gebaut-Modell wird später in der Betriebs- und Wartungsphase des Bauwerks weiterverwendet werden.
3.2 Konzept der Qualitätsmessungen
Während der ersten Pilotprojekte im Jahre 2014 und in der folgenden regelmäßigen Anwendung der Arbeitsweise hat sich ein Konzept von Qualitätsmessungen bewährt. Der Baumaschinenfahrer liefert im Rahmen seiner Eigenkontrolle automatisch die erforderlichen Messpunkte als Ist-Geometrie. Dafür prüft er die Querprofile in der Regel in 20 Meter-Abschnitten, insbesondere die Bruchkanten. Zur Sicherstellung der erforderlichen Messgenauigkeit prüft der Fahrer diese einmal am Tag an dafür vom Vermesser bereitgestellten Kontrollpunkten. Die Messgenauigkeit seines Arbeitswerkzeuges wird mittels der Vernetzung mit der Cloud-Plattform für alle Beteiligten einsehbar dokumentiert. Ergänzend führt der Baustellenvermesser einmal pro Woche eine eigene Kontrolle der Genauigkeit der Maschinen sowie der Basisstationen durch. Damit bleibt die wichtige Sicherstellung der Genauigkeit in seiner Hand. Nach Herstellung der Planumshöhen und ihrer anschließenden Verdichtung führt der Vermesser ggf. auch gemeinsam mit dem Auftraggeber alle 100 Meter oder 200 Meter Qualitätsmessungen durch. Auch diese werden in der Cloud-Plattform abgelegt. Nur wenn die Ist-Geometrie mehr als die zulässige Toleranz von der Soll-Geometrie abweicht, werden Kontrollmessungen zur Ursachenfeststellung durchgeführt. Dieses Vorgehen ist mit dem Konzept der Bohrkerne beim Deckeneinbau vergleichbar. Die Freigabe der Messpunkte und Ist-Geometrie kann mehrstufig erfolgen. Nach einer Eigenplausibilisierung durch z. B. den Vermesser oder Bauabrechner kann die Leistungserfassung zur Freigabe an den Bauüberwacher weitergeleitet werden.
4. Fazit
Bauen, erfassen, prüfen, abrechnen und dokumentieren ist ohne Papier schon jetzt rein digital möglich und wird in Skandinavien bereits erfolgreich eingesetzt. Die Vorteile für Auftragnehmer und -geber liegen auf der Hand. Eine schnelle Informationsverfügbarkeit in der Baufortschrittskontrolle wird ermöglicht – in Echtzeit. Dadurch lassen sich während der Bauausführung schneller Fehler erkennen und vermeiden. Nacharbeiten reduzieren sich. Durch die teilautomatisierte Leistungserfassung mittels Baumaschinensteuerung reduzieren sich Vermessungsaufwand und -kosten deutlich.
Das Qualitätskonzept stellt sicher, dass der Vermesser weiter die Genauigkeit sicherstellt und überwacht, ohne dabei seine Zeit für einfache Routineaufgaben zu verbrauchen. Durch die Zeiteinsparung beim Vermesser als auch bei der Bauausführung durch weniger Nacharbeiten wird dem Fachkräftemangel begegnet.
Im deutschsprachigen Raum steckt diese Arbeitsweise noch in den Anfängen. Eine weitere Erprobung und schrittweise Umsetzung stehen bevor, das Interesse besonders bei Bauunternehmen ist vorhanden. Parallel hat der Auftraggeber mit seinen BIM-Regelwerken die Voraussetzungen bis hin zur Plausibilisierung der Leistungserfassung und Prüfung der Abrechnungen geschaffen.
Moba Mobile Automation AG
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