HOCHWERTIG UND NACHHALTIG

Osnabrück: Den Wert des Netzes langfristig sichern

Im Juli begrüßte die Gütegemeinschaft Kanalbau die Stadtwerke Osnabrück AG als 1.000. Mitglied der Gruppe 2 (öffentliche Auftraggeber). Ingo Hannemann, Prokurist Geschäftsbereich Technik Energie-Wasser-Abwasser, und Daniela Fiege, Leiterin Bauüberwachung Entwässerungsnetze/-anlagen der Stadtwerke Osnabrück AG, beschreiben ihre Strategien für die Bewirtschaftung des Kanalnetzes in Osnabrück.

Frau Fiege, Herr Hannemann, welches sind die wesentlichen Herausforderungen, die beim Betrieb von Abwassernetzen – auch speziell in Osnabrück – zu bewältigen sind?

Ingo Hannemann: Wir stehen als kommunaler Infrastrukturdienstleister gleich vor mehreren großen Herausforderungen. Der Umbau der Energiesysteme, das sich rasant ändernde Mobilitäts-, Freizeit- und Konsumverhalten, der demografische Wandel, die Stadtentwicklung, die Digitalisierung und vieles mehr – all diese grundlegenden Veränderungen wirken sich direkt auf unsere Infrastrukturen aus. Die Auswirkungen der Klimaveränderung, zum Beispiel in Form von häufiger auftretenden Starkregenereignissen, aber auch Änderungen im Verbrauchsverhalten führen zu ganz anderen Belastungen in unseren Abwassernetzen. Außerdem haben unsere Kundinnen und Kunden berechtigte Komfortansprüche, zum Beispiel in Bezug auf möglichst geringe Geruchsbelästigungen. Dazu müssen wir Lösungen und Strategien für ein zukunftssicheres Entwässerungssystem entwickeln, gerade auch im Kanal.

Daniela Fiege: Im Planungs- und Bauprozess stehen wir vor der Herausforderung, die Investitionsmittel nachhaltig einzusetzen und die anstehenden Projekte zielgerichtet umzusetzen, um durch eine qualitativ hochwertige Ausführung langlebige Abwassernetze zu schaffen. Somit wird der Wert des Osnabrücker Kanalnetzes auch für nachfolgende Generationen gesichert und die Gebührenentwicklung gedämpft.

Ingo Hannemann: Und bei der Abwasserbehandlung geht es gleich weiter. Wir müssen davon ausgehen, dass eine vierte Reinigungsstufe früher oder später verpflichtend wird, und das bei noch unklarem Aufwand-/Nutzen-Verhältnis. Auch ist die Zukunft der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung derzeit ungewiss. Insgesamt bleibt es für die Stadtentwässerung also spannend.

Frau Fiege, welche Punkte sind für Sie als Leiterin
Bauüberwachung in der Organisationseinheit Entwässerungsnetze/-anlagen wichtig, um eine effiziente und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Ingenieurbüros bzw. ausführenden Unternehmen sicher-
zustellen?

Daniela Fiege: Drei Parameter sollten dafür auf beiden Seiten gegeben sein: Vertrauen bzw. Verlässlichkeit, denn diese Eigenschaften sind für mich die Grundvoraussetzung für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Fairness im Umgang miteinander, indem beide Seiten sich als Partner sehen und einen offenen und ehrlichen Austausch untereinander pflegen. Hierzu zählt meiner Meinung nach insbesondere eine gute Fehler-/Chancen-Kultur. Und zu guter Letzt natürlich Kompetenz, denn das Know-how ist unerlässlich, um eine hohe Qualität bei der Durchführung der Arbeiten sicherzustellen und garantieren zu können.

Werden Ihre Ansprüche an die Qualität von den beteiligten Baupartnern – Ingenieurbüro und ausführendes Unternehmen – geteilt?

Daniela Fiege: Grundsätzlich ja, zumal die von uns beauftragten Ingenieurbüros an der Erstellung der Checklisten mitgewirkt und dabei viele praktische Aspekte eingebracht haben. Im regelmäßigen Austausch mit den Baufirmen erläutern wir unsere Zielsetzungen und unsere qualitativen Anforderungen als Auftraggeber. Unsere Erfahrungen sind positiv – ein Großteil der Firmen setzt unsere Anforderungen gemeinsam mit den Ingenieurbüros und uns als Auftraggeber zielgerichtet um.

Ingo Hannemann: Mit den anderen sind wir in intensivem Dialog.

Im vergangenen Jahr sind Sie für die Entwicklung des „Osnabrücker Modells zur Qualitätssicherung der am Bau Beteiligten“ mit dem „Goldenen Kanaldeckel“ ausgezeichnet worden. Was führte zur Entwicklung des Modells?

Daniela Fiege: Projekte laufen auch bei uns nicht immer reibungslos ab. Aus diesem Grund habe ich gezielt zunächst unsere internen Prozessabläufe und Vorgehensweisen geprüft, teilweise neu strukturiert und optimiert, um mögliche Probleme bereits frühzeitig zu erkennen oder überhaupt nicht entstehen zu lassen. Nach der internen Implementierung haben wir das Modell unseren Partnern erläutert, diese verpflichtend miteinbezogen und dabei großen Wert auf Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Zusammenarbeit gelegt – mit Erfolg. Zusammenfassend hat die Entwicklung des „Osnabrücker Modells“ nur Positives bewirkt.

Welche Ziele und Erwartungen knüpfen Sie an das Osnabrücker Modell, und welche Schnittmengen sehen Sie zur Arbeit der Gütegemeinschaft?

Ingo Hannemann: Wir investieren jährlich mehr als 10 Mio. Euro in die Entwässerungsnetze und -anlagen, um die Funktionsfähigkeit des Entwässerungssystems sicherzustellen und weiterzuentwickeln. Unser Anspruch ist es, verantwortungsvoll mit dem uns anvertrauten Vermögen umzugehen. Das stellt uns vor die Herausforderung, ein hohes Qualitätsniveau zu fordern bzw. zu erreichen und dabei gleichzeitig wirtschaftlich zu arbeiten.

Daniela Fiege: Im Ergebnis entstehen funktionstüchtige, mangelfreie und somit langlebige Entwässerungsnetze und -anlagen. Als größter Infrastrukturdienstleister der Region Osnabrück ist es die Aufgabe des Unternehmens Stadtwerke, die Daseinsvorsorge als Basis für Lebensqualität langfristig sicherzustellen.

Ingo Hannemann: Auch die Gütegemeinschaft Kanalbau hat sich ja zur Aufgabe gemacht, zusammen mit Auftraggebern und Auftragnehmern das Themenfeld rund um die Qualität zu schärfen und somit langlebige Anlagen zu schaffen. Hier sehen wir eine Schnittmenge zu der Arbeit der Gütegemeinschaft Kanalbau und möchten diese gerne mit unserer Erfahrung unterstützen.

Wann und wie sind Sie zum ersten Mal auf die Arbeit der Gütegemeinschaft Kanalbau aufmerksam geworden?

Daniela Fiege: Bereits 2008 mit Beginn meiner beruflichen Laufbahn bei den Stadtwerken Osnabrück wurde ich auf den Güteschutz Kanalbau aufmerksam. Zu diesem Zeitpunkt wurde in unserem Hause gerade darüber diskutiert, inwieweit die Anforderung der Gütesicherung RAL-GZ 961 in öffentlichen Ausschreibungen sinnvoll ist. Seit 2009 gibt es keine Ausschreibung mehr ohne Benennung eines entsprechenden Anforderungsniveaus im Hause der Stadtwerke Osnabrück – mit gutem Erfolg.

Welche konkrete Unterstützung bietet Ihnen die RAL-Gütesicherung der ausführenden Unternehmen und das Angebot der Gütegemeinschaft Kanalbau bei Ihrer Arbeit?

Daniela Fiege: Dadurch, dass im Güteschutz Kanalbau Auftragnehmer und Auftraggeber beteiligt sind, gelingt es, ein gleiches Verständnis für Themen wie z. B. Qualität/Nachhaltigkeit zu schaffen. Durch die Anforderung der RAL-Gütesicherung in den Ausschreibungen entsteht unserer Meinung nach ein fairer Wettbewerb für die Unternehmen und für uns als Auftraggeber die Sicherheit, einen für unsere Anforderungen geeigneten Auftragnehmer für das jeweilige Projekt zu bekommen. Des Weiteren werden die angebotenen Auftraggeber-Fachgespräche bei Mitarbeitern und Ingenieurbüros stark nachgefragt. Die Veranstaltungen zeichnen sich durch eine hohe Qualität in den Themen Kanalbau, Ausschreibung und Vergabe aus.

Was versprechen Sie sich von der Mitgliedschaft –
welche Erwartungen stellen Sie an die Gütegemeinschaft Kanalbau?

Daniela Fiege: Wie eingangs betont, befürworten wir die Zusammenarbeit von Auftraggebern und Auftragnehmern im Güteschutz. Nur so kann ein gegenseitiges Verständnis für die tägliche Arbeit und die damit verbundenen Herausforderungen auf beiden Seiten geschaffen werden. Mit unserer Mitgliedschaft möchten wir ebenso wie andere Auftraggeber dazu beitragen, das Thema Qualität und die damit verbunden Anforderungen weiter zu fokussieren bzw. voranzutreiben und die damit verbundenen Auswirkungen zu kommunizieren. Die Gütesicherung spielt hier eine wichtige Rolle: ein Höchstmaß an Qualität erzielen und das bei möglichst geringen Kosten – erreicht durch ein Miteinander des Auftraggebers und des Auftragnehmers, die ihre Zeit für das Projekt einsetzen und nicht zur Vorbereitung von Gerichtsterminen. Es profitiert der Bürger, für den die Maßnahme durchgeführt wird: das ist doch eine klassische Win-Win-Situation!

Von Ihnen, Frau Fiege, stammt die Aussage: „Von Kanalbauarbeiten sollen die Bürger möglichst wenig beein-
trächtigt werden und trotzdem möglichst von unserer
Arbeit profitieren.“ Was ist Ihr Eindruck: Gibt es beim Bürger ein Bewusstsein für den Stellenwert der geleisteten Arbeit – oder ist ein funktionierendes Kanalnetz die
stillschweigend zur Kenntnis genommene Selbstverständlichkeit?

Daniela Fiege: Diese Frage lässt sich nicht mit einem eindeutigen Ja oder Nein beantworten. Solange das Abwasser ohne Probleme abfließt und keine Störungen auftauchen, ist dem Bürger nicht präsent, wie die unter der Erde verborgene komplexe Infrastruktur funktioniert und wo das Abwasser bleibt und wie es gereinigt wird. Treten allerdings Probleme auf oder entsteht eine Baustelle vor seiner Tür, sieht der Bürger zuallererst seine persönlichen Nachteile.

Ingo Hannemann: Genau hier müssen wir ansetzen und dem Bürger anhand einer nachhaltigen und zielgerichteten Kommunikation vermitteln, dass die gut funktionierende und verlässliche Infrastruktur – Energie, Wasser, Entwässerung aber auch Mobilität und Freizeit durch den Betrieb der Bäder – in der Hand der Stadtwerke die Basis für die Lebensqualität eines jeden Einzelnen darstellt.

Qualität kommt nicht von ungefähr, Qualität hat auch ihren Preis. Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass der Einfluss einer qualitativ hochwertigen Ausführung auf einen langfristig wirtschaftlichen Betrieb der Netze von Politik und Gebührenzahler erkannt wird?

Daniela Fiege: Da wir mit der Weiterentwicklung unserer Qualitätsanforderungen noch relativ am Anfang stehen, können wir noch nicht mit ausreichender Erfahrung hierüber sprechen. Grundsätzlich müssen wir als Stadtwerke unsere proaktive Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit weiter stärken und den verschiedenen Anspruchsgruppen – wie der Politik und dem Osnabrücker Bürger – bewusst machen, was hinter dem Begriff „qualitativ hochwertige Bauausführung“ steht und welche Auswirkungen damit verbunden sind.

Wenn Stichworte wie „Infrastruktur“ und „demographischer Wandel“ fallen, denkt der Bürger im Zweifelsfalle schnell an oberirdische Verkehrswege – das Thema Kanalbau spielt in der öffentlichen Diskussion allzu oft eine untergeordnete Rolle. Welche Erfahrungen haben Sie in Osnabrück gemacht?

Daniela Fiege: Die Erfahrung machen wir natürlich auch, denn die sichtbare und fühlbare Infrastruktur ist stärker im öffentlichen Bewusstsein und wird auch stärker von den Medien betrachtet. Genau deshalb ist es – wie bereits aufgeführt – unsere Aufgabe, den Kanalbau als weniger sichtbare Infrastruktur stärker in den öffentlichen Fokus zu rücken. Dies erreichen wir durch eine integrierte und zeitlich sowie inhaltlich aufeinander abgestimmte Kommunikation. Hier müssen Kommunikationskonzepte erstellt werden, die für alle Beteiligten gelten. Denn Kommunikation machen wir alle – der Kanalbauer im Graben, der Bauleiter, der Bauüberwacher und der Planer. Für uns alle gilt es umso mehr, die Zusammenhänge zu erläutern, Ansprechpartner zu sein und somit unsere tägliche Arbeit für den Bürger erlebbar zu machen.

Stichwort Wandel: Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen – wie werden die Arbeit und die Aufgabenbereiche der Stadtwerke Osnabrück in 10 oder 20 Jahren aussehen? Wo, glauben Sie, werden Unterschiede zu heute liegen?

Daniela Fiege: Die Funktionsfähigkeit und Werterhaltung unserer Entwässerungsnetze und -anlagen wird bei den Stadtwerken Osnabrück als Generationenaufgabe verstanden. Deshalb ist es wichtig, vorausschauend Strategien zu entwickeln und Zukunftsperspektiven im Auge zu behalten. Auch in 10 oder 20 Jahren werden wir Entwässerungsnetze benötigen und diese auch betreiben. Womöglich wird sich aufgrund der höheren Akzeptanz und der geringeren Abwassermengen in unseren Kanälen der Anteil an geschlossenen Sanierungen noch weiter erhöhen.

Ingo Hannemann: Die Stadt wird sich aber ganz sicher in ihrem Erscheinungsbild und ihren Infrastrukturen weiterentwickeln, und mit ihr wir als Stadtwerke Osnabrück. Die verschiedenen Infrastrukturen werden enger zusammenwachsen. Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Mobilität: wir können noch nicht absehen, welche Auswirkungen eine „Mobilitätswende“ – gemeint sind damit insbesondere der Umstieg auf innovative Verkehrsmittel, die Reduktion des mobilisierten Individualverkehrs sowie neue Konzepte im Car Sharing – auf die Verkehrswege und damit auf Planung, Bau und Betrieb der Abwasserableitung haben wird. Aber schon heute ist sicher, dass z. B. Elektromobilität und Stromversorgung nur gemeinsam betrachtet werden können. Insgesamt sind wir sicher, dass die Menschen in Osnabrück auch in Zukunft schätzen werden, welche zentrale Rolle wir als kommunales Unternehmen für ihre Lebensqualität haben.

Frau Fiege, Herr Hannemann, vielen Dank für das Interview.

RAL-Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau

www.kanalbau.com

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