Regenwassernutzung
in Hamburg
Die halbtägige Exkursion mit Christian Rusche zu 8 Anlagen mit Zisternen in Hamburg ist wie ein Streifzug durch 20 Jahre Historie der Regenwassernutzung. Rusche, seit kurzem im Ruhestand, gehört zum Urgestein der Wassersparszene.
2013 erhielt Christian Rusche die fbr-Ehrennadel für sein Engagement in Sachen Regenwasser. Seine Erfahrung bestätigt, dass Anlagen nur mit Inspektion und Wartung über viele Jahre zuverlässig funktionieren. Auf der Fahrt ins Karolinenviertel erinnert sich Rusche an die Zeit Anfang der 90er Jahre, als er sich selbstständig machte. Er installierte selbst Anlagen, beriet aber auch Planer und Hersteller von Komponenten. Im Auftrag der fbr half er, so genannte Expertenschulungen durchzuführen. Dabei wurde in Tagesseminaren Fachwissen vermittelt, aus der Praxis für die Praxis. Die Themen waren vor allem Planung, Installation, Betrieb und Wartung.
Karolinenviertel (6 Anlagen)
Zwischen den Haltestellen Feldstraße und Sternschanze der U-Bahn Linie 3 liegt das Karolinenviertel. Behutsam instandgesetzte, mehrgeschossige Wohnhäuser, im Erdgeschoss jeweils eine bunte Mischung alternativer Läden und Lokale, dazwischen Baulücken und Hinterhöfe mit Gewerbe oder öffentlichen Durchgängen als spontan begrünte Passagen. Bei der Renovierung Mitte der 90er Jahre wurden mit Beratung durch die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) der Hansestadt Hamburg Regenwassernutzungsanlagen in vielen Gebäuden installiert. Trinkwasser sparen mit Hilfe von Regenwassernutzung war damals in Hamburg ein Thema mit politischer Priorität, daher auch mit öffentlichen Mitteln bezuschusst. 1998 begann die BSU unter Leitung von Dr. Hinrich Hartung stichprobenartig 50 geförderte Anlagen auf mögliche Fehler zu untersuchen. Rusche erhielt den Auftrag. Dabei gewonnene Erkenntnisse wurden von der BSU in Fachzeitschriften publiziert und finden sich heute in der DIN 1989-1 wieder, die seit April 2002 als allgemein anerkannte Regel der Technik in unveränderter Form gilt.
Die Stadtentwicklungs-Gesellschaft Hamburg (STEG) ist verantwortlich für die 6 Häuser im Karolinenviertel, in denen Regenwasser verwendet wird. Zwischen 1998 und 2001 wurden die Anlagen auf Rusches Empfehlung dem heutigen Stand der Technik angepasst. Bis heute ist er zuständig für die regelmäßige Wartung. Er protokolliert die Zählerstände und kann so auch Angaben machen über die jährlichen Betriebskosten und Einsparungen. Alle 6 Anlagen des Karolinenviertels zusammen haben ein Einzugsgebiet von 4.700 m² Dachflächen, einen durchschnittlichen Nutzungsgrad von ca. 50 % und sparen nach Abzug von Strom- und Wartungskosten etwa. 6.000 € pro Jahr ein. In Hamburg musste für genutztes Regenwasser, das via Toilette oder Waschmaschine zu Abwasser wird, bis zum 01.05.2012 die dafür fällige Abwassergebühr nicht bezahlt werden, so dass der gesamte Wasserpreis von 4,28 € (Stand 2012) pro genutztem Kubikmeter gespart wurde.
Das Regenwasser im Karolinenviertel wird überwiegend für WC-Spülung verwendet, was laut Rusche sehr sinnvoll ist, denn „im Norden Deutschlands regnet es ziemlich gleichmäßig übers Jahr verteilt. Da diese Gleichmäßigkeit für die Spülung von Toiletten ebenfalls gilt, müssen keine großen Wasservorräte vorhanden sein, d. h., es können preiswerte kleine Speicher installiert werden.“ Nach heute üblicher Auslegung der Tanks mit exakteren Wetterdaten und Verbrauchssimulation per Software würde der Nutzungsgrad deutlich besser sein und vermutlich bei 80-90 % liegen. „Wir sollten nicht vergessen“, so Rusche, „es handelt sich bei den 6 Anlagen im Karolinenviertel um Pilotanlagen. Sie amortisieren sich langsam, da ihre Planer wenig Erfahrung mit Effizienz hatten. Umso wichtiger ist es, durch regelmäßige fachkundige Wartung die Ausfälle auf ein absolutes Minimum zu reduzieren und die bestmögliche Nutzungsdauer zu erreichen.“
Universität Hamburg (1 Anlage)
Das Institut für Lasertechnik entstand 2002 als Erweiterung des Fachbereichs Physik im Stadtteil Bahrenfeld. Die städtische Kanalisation in der Luruper Chaussee und das auf dem Gelände vorhandene Regenrückhaltebecken waren bereits am Limit, als durch die Fachingenieure des Neubaus Dachbegrünung in Kombination mit Regenwassernutzung vorgeschlagen wurde. Rusche ermittelte im Auftrag der BSU mit Hilfe der mittlerweile verfügbaren Bemessungsprogramme die Größe der heute vorhandenen Zisterne mit 18 m³. Der Nutzungsgrad beträgt dabei 97 %, d. h., es reicht für den Bedarf bis auf wenige Tage im Jahr. Das Verhältnis von Wasserertrag zu Wasserbedarf ist ideal. Die Belegschaft von 100 Mitarbeitern und zeitweise zusätzlich Praktikanten nutzen in der Regel 1 m³, in Ausnahmen auch mal bis zu 2 m³ pro Tag. Fällt die Zisterne am Ende einer regenarmen Periode für kurze Zeit trocken, wird automatisch Trinkwasser nachgespeist. „Die Anlage ist seit mehr als 10 Jahren im störungsfreien Dauerbetrieb“, sagt der für Gebäudetechnik auf dem Campus zuständige Reinhard Mielck, „dank der halbjährlichen Inspektion und Wartung durch unseren externen Experten.“ Dieser wertet Betriebszeiten und Füllstandsanzeige elektronisch aus und stellt fest, dass pro Jahr hier 300-350 m³ Regenwasser genutzt werden.“ Das zusätzlich nachgespeiste Trinkwasser wird auf ca. 3 %, also 10 m³ pro Jahr beziffert. Neben den Kosten für Wartung und Pumpenstrom entstehen Betriebskosten lediglich für periodisches Reinigen des unterirdischen Filterschachtes. Dies wird durch externe Dienstleister erledigt und ist mit entsprechend ausgerüstetem Fahrzeug ähnlich unkompliziert wie das Reinigen eines Straßeneinlaufs.
Regenrückhaltung bei diesem Universitätsinstitut war eine Voraussetzung für die Baugenehmigung und muss deshalb den Baukosten zugerechnet werden. Damit entfällt die Frage nach der Amortisation. Eine entsprechende Investition war Voraussetzung für Bau und Betrieb der Immobilie. Die Einsparung nach Abzug der Betriebskosten für die jährliche Inspektion der extensiven Dachbegrünung und für die Wartung der Regenwassernutzungsanlage ist demnach seit Betriebsbeginn ein tatsächlicher Gewinn, der sich bei diesem Projekt innerhalb der letzten 10 Jahre auf ca. 5.000 € summiert haben dürfte.
Handelskammer Hamburg (1 Anlage)
Die Handelskammer ist Gesamtvertretung der Hamburger Wirtschaft und der Hamburger Börsen, errichtet 1839-41 durch die Architekten C. Wimmel und F. Forsmann. Nach starken Kriegszerstörungen erfolgte der Wiederaufbau 1949-61 durch die Kaufmannschaft. Unterhalb des Tiefgeschosses befinden sich große Kavernen, die seit Jahrzehnten bereits als Regenrückhaltebecken und Regenspeicher genutzt werden. Der Vorrat reicht nahezu vollständig für die WC-Spülung im ganzen Haus.
Aufzeichnungen, die erst seit 2008 erfolgen, belegen dies eindrucksvoll: Im Durchschnitt aus den Jahren 2008 – 2010 und 2012 – 2013 laufen 97,6 % des Spülwassers über den Regenwasserzähler. Nur 2,4 % stammen aus dem Trinkwassernetz, automatisch zugespeist bei leerem Regenspeicher. Dies geschieht vermutlich in den letzten Tagen von Trockenperioden. Im Jahr 2011 wurden länger andauernde Instandhaltungsarbeiten ausgeführt. Während dieser Zeit konnte Regenwasser ausnahmsweise nicht genutzt werden. Durch regelmäßige Inspektion und Wartung, insbesondere Rückspülen des Filters und Kontrolle des Druckausgleichsbehälters, funktioniert die Anlage zuverlässig und problemlos.
Ausblick
Auf die Frage, wie zukünftig in Hamburg und im Rest von Deutschland mit Regenwasser umgegangen werden sollte, antwortet Experte Rusche: „In Zeiten zunehmender Starkregenereignisse halte ich die Regenrückhaltung kombiniert mit der Regenwassernutzung – Stichwort Kombizisterne mit verzögert entleertem Teilvolumen – für hoch interessant. Hierbei sind große professionelle Anlagen mit vielen Nutzern die richtige Lösung. Leider scheint diese Technik für kommunale Entscheidungsträger immer noch zu wenig bekannt zu sein.“⇥■
Klaus W. König, Überlingen
Dipl.-Ing. Klaus W. König ist Fachjournalist sowie von der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser. Klaus W. König ist Vorstandsmitglied der Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung „fbr“ in Darmstadt und Mitarbeiter im DIN-Ausschuss NA 119-05-08 AA Wasserrecycling/Regenwasser- und Grauwassernutzung.
www.klauswkoenig.com
FÜR RESSOURCENSCHUTZ“ VOM 01.11.2013
Die Freie und Hansestadt Hamburg fördert durch die Hamburgische Investitions- und Förderbank IFB u. a. Maßnahmen zur Einsparung von Wasser oder zur Substitution von Trinkwasser sowie zur Verringerung der Abwassermenge (z. B.: Kreislaufführung oder Mehrfachnutzung von Wasser).
– Die Förderung erfolgt als Festbetrag pro jähr-
lich … eingespartem Kubikmeter [m³] Wasser:
– bis 3.000 m³/a: 10,00 € pro m³
– über 3.000 m³/a: 0,40 € pro m³ + 28.800 €
einmalig
– Vorhaben mit einer Amortisationszeit von bis zu drei Jahren werden grundsätzlich nicht
gefördert. Die bewilligende Stelle behält sich
vor, bei geringen Amortisationszeiten
rückzahlbare Zuschüsse zu gewähren.
– Die Zuschüsse sollen eine Bagatellgrenze von
1.000,- Euro nicht unterschreiten und 100.000,-
Euro für Einzelvorhaben nicht überschreiten.
– Die Richtlinie tritt am 01. Januar 2014 in Kraft
und ist zunächst bis zum 31. Dezember 2020
befristet.
Auszüge ohne Gewähr.
Quelle: http://www.hamburg.de/contentblob/ 1077484/data/foerderrichtlinie-antrag-2014.pdf
In den Toiletten des Terminal 1 ersetzt Regenwasser das Spülwasser der WC-Anlagen. Der Speicher besitzt ein Fassungsvermögen von 350 m³, um die vom Terminaldach abfließenden Niederschläge zu sammeln. Sollte aufgrund von Trockenheit kein Regenwasser mehr vorhanden sein, sorgt eine nachgeschaltete Einspeisung von Trinkwasser dafür, dass die angeschlossenen Toiletten weiterhin benutzbar bleiben.
Quelle: http://www.airport.de/de/u_umwelt_wasser.html