Risiken beim Einsatz von Fremdpersonal
Die mit einer Scheinselbstständigkeit oder illegalen Arbeitnehmerüberlassung einhergehenden Herausforderungen beschäftigen Politik, Medien und Gerichte. Im Baugewerbe ist das Thema seit vielen Jahren aktuell.
Subunternehmer im Baugewerbe
Im Baugewerbe werden die Risiken dadurch verschärft, dass aufgrund der Arbeitsteiligkeit der Einsatz von Subunternehmern zwingend ist. Dabei lässt sich nicht vermeiden, dass der Subunternehmer selbst Teile des eigenen Auftrags an einen Vertragspartner weitergibt.
Gegebenenfalls erst im zweiten oder dritten Auftragsglied tauchen dann – zumeist mit erheblichem Lohngefälle – vermeintlich selbständige Subunternehmer auf. Zum Teil agieren diese als einzelne Selbständige, zum Teil erbringen sie ihre Leistungen – formal in der Rechtsform der GbR – als Gesellschafter ohne eigene Arbeitnehmer. Mitunter agieren sie auch als Subunternehmer, bringen aber nichts weiter mit als die Arbeitskraft ihrer Mitarbeiter.
Indizien für abhängige Beschäftigung
Die Abgrenzung zwischen rechtlich zulässigem und kritischem Fremdpersonaleinsatz wird für den Auftraggeber ohne eigene Kontrolle unmöglich. Wie weit die Kontrollpflichten gehen, ist umstritten. Die Haftung entfällt jedenfalls nicht allein wegen mangelnder Kenntnis: Für den Vorwurf der Ordnungswidrigkeit reicht bereits fahrlässige Unkenntnis. Für die Abgrenzung geht es im Wesentlichen um diese beiden Fragen: Erfolgt eine Eingliederung des Fremdpersonals in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers? Und: Ist das Fremdpersonal den Weisungen des Auftraggebers unterworfen? Um eine abhängige Beschäftigung festzustellen, hat die Rechtsprechung deshalb Indizien entwickelt. Hierzu gehören:
– Vorgabe von Arbeitszeiten / Arbeitsort,
– Verpflichtung, den Weisungen des Auftraggebers Folge zu leisten,
– kein eigenes unternehmerisches Risiko, Fehlen eines „Marktauftritts“, Know-hows, Betriebsmittel, Material, Betriebsorganisation,
– Pflicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung bei „Ein-Mann-Subunternehmern“,
– Übernahme von weiteren, nicht mit der vertraglich geschuldeten Leistung in Zusammenhang stehender Aufgaben,
– enge, arbeitsteilige Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern des Auftraggebers,
– regelmäßige und detaillierte Berichtspflicht,
– Tätigkeit des Fremdpersonals entspricht der der eigenen Arbeitnehmer des Auftraggebers.
Pflichten des Auftraggebers bei abhängiger
Beschäftigung
Maßgeblich ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände. Sind die Indizien überwiegend erfüllt, ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Für diese sind die Mindestarbeitsbedingungen einzuhalten und im Baugewerbe Beiträge zur Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA) zu leisten. Hierfür haftet der Auftraggeber. Stellt sich erst später heraus, dass bei der Zusammenarbeit tatsächlich eine abhängige Beschäftigung vorlag, hat der Auftraggeber (= Arbeitgeber) die Sozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten – und zwar den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil. Zudem drohen strafrechtliche Ermittlungen und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.
Arbeitnehmerüberlassung
Erfolgt eine solche Eingliederung von Arbeitnehmern eines Subunternehmers, liegt rechtlich eine Arbeitnehmerüberlassung vor. Denn bei dieser stellt der Verleiher seine Arbeitnehmer bzw. Leiharbeitnehmer einem Vertragspartner, dem Entleiher, so zur Verfügung, dass dieser sie wie eigene Arbeitnehmer im Betrieb einsetzen kann. Für die rechtliche Einordnung kommt es nicht auf die Vertragsbezeichnung an: Entscheidend ist die tatsächliche Handhabung. Die Abgrenzung richtet sich wiederum nach den aufgeführten Kriterien.
Gerade im Baugewerbe ist dies kritisch, denn die Überlassung gewerblicher Arbeitnehmer in Betriebe des Baugewerbes ist gemäß § 1b AÜG grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen gelten, wenn der beauftragte Subunternehmer selbst Bauunternehmer ist, d.h. selbst überwiegend Bauleistungen erbringt. Der Verleih von Bauarbeitern ist keine Bauleistung.
Wann ist eine Arbeitnehmerüberlassung zulässig?
Eine Arbeitnehmerüberlassung ist in der Baubranche möglich,
– wenn die überlassenen Personen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zum „Verleiher“ stehen,
– der „Verleiher“ Bauunternehmen ist und somit selbst beitragspflichtig zur SOKA ist und
– der Verleiher über eine wirksame Arbeitnehmerüberlassungs-erlaubnis verfügt.
Nur dann ist es unkritisch, wenn ein Vertrag als „Werkvertrag“ bezeichnet wird, die Mitarbeiter des Subunternehmers aber in die Betriebsorganisation des Auftraggebers eingeordnet sind. Insoweit gilt derzeit die sogenannte „Fallschirmlösung“. Danach greift die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis auch dann, wenn der Vertrag zwischen „Verleiher“ und Auftraggeber als Werk- oder Dienstvertrag bezeichnet ist, tatsächlich aber eine Arbeitnehmerüberlassung „gelebt“ wird.
Reform des Fremdpersonaleinsatzes
Die Große Koalition hat im Koalitionsvertrag festgehalten, dem „Wildwuchs“ von Werk- und Dienstverträgen ein Ende setzen zu wollen. Nachdem der erste Referentenentwurf im November 2015 für Unverständnis und Ärger bei Unternehmen und Arbeitgeberverbänden sowie allgemein für weitere Verunsicherung gesorgt hatte, liegt nun seit dem 17.02.2016 der überarbeitete Gesetzesentwurf vor. Dieser sieht – anders als der erste Entwurf – keinen gesetzlichen Kriterienkatalog für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern mehr vor. Dafür nimmt der neue § 611a BGB die vom BAG entwickelte Rechtsprechung auf und gibt quasi „1:1“ die „Formel“ wieder, mit der das BAG das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses definiert. Für Unternehmen ist dies weder hilfreich noch praktikabel, da die bisher bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten dadurch nicht geklärt werden.
Der Gesetzesentwurf sieht zudem weitere Regelungen für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung vor. Dies betrifft etwa die Höchstüberlassungsdauer, den equal pay-Grundsatz sowie die Beteiligungsrechte des Betriebsrates. Zudem wird die Fallschirmlösung durch den Gesetzesentwurf „gekippt“. Die Rechtsprechung hatte diese bisher grundsätzlich anerkannt – mit Ausnahme des LAG Baden-Württemberg, das sie zuletzt abgelehnt hatte (Urteil des LAG Baden-Württemberg, 4 Sa 41/14).
Online-Tool als Hilfe
Auftraggeber stehen damit vor einer Vielzahl rechtlicher Fragen. Um Unternehmen bei der Überprüfung des Fremdpersonaleinsatzes zu unterstützen, hat CMS Hasche Sigle ein onlinebasiertes Tool entwickelt, das den Unternehmen eine erste eigene Bewertung der Beauftragungen ermöglicht. Auf dieser Basis können sich Unternehmen intern, aber auch gegenüber Behörden absichern. Informationen zum Tool erhalten Interessierte unter: www.cms-hs.com/onlineservices/fremdpersonaleinsatz.