Sanierung des „Hartmann-Kanals“ in Duderstadt
Bachverrohrung saniert
Nicht nur Abwasserkanäle und -bauwerke machen ihren öffentlichen Betreibern häufig Sorgen. Wie ein aktuelles Beispiel aus Duderstadt zeigt, lauern im kommunalen Untergrund durchaus noch andere Infrastrukturprobleme. Dort sanierten Experten der SMG Kanalsanierung GmbH, Lage, im Herbst 2010 den ersten Bauabschnitt des sogenannten HartmannKanals, einer betonierten Bach-Verrohrung aus den 1920er Jahren.
Wenn sich irgendwo die Fahrbahn senkt, ist dies stets ein Alarmsignal. Spektakuläre Erdfälle und Löcher „quer durch die Republik“ haben gerade in letzter Zeit die breite Öffentlichkeit sensibilisiert für statische Probleme unter unseren Füßen und Rädern. Kommunale Infrastruktur-Betreiber sind sich ihrer Verkehrssicherungspflichten in der Regel sehr klar bewusst. So auch in Duderstadt, wo Dipl.-Ing. Johannes Böning in seiner Position als „Fachleiter Tiefbau und Umweltschutz“ Herr nicht nur über ein ca. 240 km langes Netz von Abwasserkanälen ist, sondern zusätzlich auch über einige verrohrte Oberflächengewässer.
Eins davon, der sogenannte „Hartmann-Kanal“, entwickelte sich 2010 zu einem Sanierungsfall höchster Dringlichkeit. Der Hartmann-Kanal wurde 1927 und 1928 gebaut, nachdem 1926 ein Extrem-Hochwasser den Duderstädter Ortskern bis zu einem Meter hoch überflutet hatte. Um ähnliches für die Zukunft auszuschließen, wurde damals ein Nebenarm des Flüsschens Sandwasser buchstäblich „tiefer gelegt“. Teils reichte dazu ein offener Geländeeinschnitt mit hoher Böschung; auf rund 350 m Länge jedoch verschwand das Gewässer ganz unter der Erde. Für rund 70 000 Reichsmark baute man -zeitgleich zur ersten Schwemmkanalisation Duderstadts- einen Stollen aus teilweise armiertem Ortbeton. Mit einer durchschnittlichen Breite von 1,50 m und einer Höhe bis zu 2,00 m war dieser Kanal auf einen Spitzenabfluss von 14 Kubikmeter pro Sekunde ausgelegt.
Seit 1928 ist nicht nur viel Zeit über den Hartmann-Kanal hinweg gegangen, sondern noch mehr Verkehr und die deutsche Geschichte. Als Duderstadt im Zuge der deutschen Teilung in extreme „Zonenrand“-Lage geriet, rissen schlagartig fast alle nach Osten gerichteten, durch die Stadt fließenden Verkehrsströme ab. Für Duderstadt ein Desaster, verhalf diese Entwicklung dem Hartmann-Kanal jedoch zu einer ansonsten wohl kaum zu erhoffenden Nutzungsdauer. Diese Schlussfolgerung liegt nahe, wenn man den weiteren Gang der Entwicklung verfolgt. Mit der Wiedervereinigung lebte der Verkehr durch Duderstadt in nie gekannter Stärke wieder auf. Der Hartmann-Kanal lag nun teilweise unter der Bundesstraße 247, die von Northeim nach Worbis führt. Und wenn auch der Beton-Stollen 1928 auf die Last einer Bemessungs-Dampfwalze von 23 Tonnen ausgelegt worden war – diesen Lastfall übertrifft heute jeder durchschnittliche Bierlaster.
Die Folgen der anschwellenden Verkehrsmengen ließen nicht allzu lange auf sich warten. 2010 wurde man auf alarmierende Senkungen der Fahrbahn aufmerksam, wo sich die B 247 mit der historischen Hauptstraße durch den Duderstädter Ortskern kreuzt: exakt über dem ersten Abschnitt des Hartmann-Kanals. Eine postwendend veranlasste Begehung des unterirdischen Bauwerks deckte praktisch auf gesamter Länge gravierende statische Schäden und Undichtheiten auf. Streckenweise klafften armdicke Risse, durch die man die historische Außenschalung des Bauwerks sehen konnte. Umgehend wurde die SMG Kanalsanierung GmbH, Lage mit der Entwicklung und Durchführung eines Sanierungskonzepts mit Vorrang für den akut einsturzgefährdeten Streckenabschnitt unter der abgesackten Kreuzung beauftragt. Die Beauftragung von SMG in freier Vergabe erfolgte maßgeblich auf Grund einschlägiger Referenzen bei der Sanierung vergleichbar anspruchsvoller Problembauwerke und war aufgrund des Tatbestands von „Gefahr im Vollzug“ auch vergaberechtlich gerechtfertigt.
Nach Ausarbeitung des Konzeptes demonstrierten die SMG-Experten auf einem kurzen Testabschnitt dessen Praktikabilität und Wirksamkeit, bevor sie es schließlich in Oktober und November 2010 im ersten, ca. 90 m langen Bauschnitt realisierten. Die Sanierung verfolgte drei Ziele: Zum einen die sofortige Wiederherstellung einer den aktuellen Lastfällen angemessenen Standsicherheit, zum zweiten die Verfüllung von Kavernen in der Trasse des Kanals und schließlich die nachhaltige Dichtheit des Bauwerks, um neuerliche Bettungsschäden als Folge von In- und Exfiltrationen langfristig auszuschließen. Im ersten Arbeitsschritt wurde das Bauwerk trockengelegt, indem man den Norm-Abfluss des Bachs in zwei PVC-Rohrstränge DN 400 abführte, die in der Sohle des Stollens verlegt wurden. Dann perforierte man die Wände des Hartmann-Kanals in dichten Abständen mit bis zur Bettung durchgehenden Bohrungen. Durch Injektionslanzen in diesen Bohrungen verpressten die SMG-Fachleute insgesamt über 15 Kubikmeter schnell härtenden Flüssigzement, der die Hohlräume um den Kanal herum füllte und die Standsicherheit der Trasse und die Verkehrssicherheit der darüber liegenden Kreuzung kurzfristig wiederherstellte.
Danach wandte man sich den Rissen in Betonwänden und Decken zu: Während gröbere Risse in Trockenspritztechnik nach DIN 18551 mit Beton verfüllt wurden, schloss man feinere Risse kraftschlüssig durch ein mineralisches Injektionsgut mit Hilfe von Packer-Systemen. Im letzten Durchgang schließlich bekam der Hartmann-Kanal eine statisch tragende Innenschale aus Stahlbeton. Dazu bohrte man Stahlanker in die Wände, an denen vollflächig stählerne Armierungsmatten aufgehängt wurden. Letztlich bildeten diese dann den Kern einer 10 Zentimeter stark aufgetragenen Spritzbeton-Schicht.
Auf diese Art und Weise konnte der erste Bauabschnitt des Hartmann-Kanals innerhalb von 17 Arbeitstagen ohne nennenswerte Beeinträchtigungen des Betriebs grundsaniert werden. Somit steht einem jahrzehntelangen sicheren Weiterbetrieb eines Bauwerks nichts mehr im Wege, das vor kurzem noch als akut sanierungsbedürftig wurde.n