Lebensdauer verlängern, Emissionen reduzieren

Schwingungen von Windkraftanlagen aktiv begrenzen

Bei der Energieausbeute wollen die Hersteller von Windkraftanlagen hoch hinaus, aber auch bei der Sicherheit der rotierenden Stromproduzenten ist noch Luft nach oben. Insbesondere Schwingungen aus dem Betrieb und durch das Wetter setzen den exponierten Energiemühlen zu. Mit Versuchen an einer Kleinwindanlage hat das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF am LOEWE-Zentrum AdRIA ein neues Projekt mit dem Ziel gestartet, die Konstruktion von Windkraftanlagen sicherer zu machen. Dazu werden die Schwingungen der Anlage analysiert, um zu klären, mit welchen Maßnahmen sich diese am wirksamsten reduzieren lassen.
 
Hersteller von Windkraftanlagen sind mit verschiedenen Schadensbildern konfrontiert, die auf schädliche Vibrationen zurückzuführen sind. Daher setzen sie bereits während der Entwicklung darauf, die Anlagen möglichst schwingungsarm zu konstruieren. Das Fraunhofer LBF bietet im Gegensatz dazu zusätzliche Schwingungsreduktionsmaßnahmen an. Aktive Maßnahmen leiten mit einer Aktorik zusätzliche Kräfte ein, um die in einer Struktur vorhandenen Schwingungen zu kompensieren. Diese Maßnahmen können die Lebensdauer verlängern und die an die Umgebung abgegebenen Emissionen gering halten.
Um die bereits in verschiedenen Projekten umgesetzten Technologien für den Einsatz in Windenergieanlagen weiterentwickeln zu können, hat das Fraunhofer LBF eine Kleinwindanlage auf einem der Institutsgebäude in Darmstadt installiert. Die Firma Gödecke Energie- und Antriebstechnik, ein Hersteller mit über 20 Jahren Marktpräsenz, stellte dem Institut das Modell AeroCraft 752 für die Versuche zur Verfügung. Im Rahmen des vom Land Hessen geförderten Projekts LOEWE Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz konnte das Fraunhofer LBF seine Expertise zur aktiven und passiven Schwingungsminderung am Zentrum AdRIA (Adaptronik – Research, Innovation, Application) stark erweitern und neue Technologien erproben, die jetzt auch für die Windkraft eingesetzt werden sollen.
 
Ziel: Aktor aufbauen und testen
In einem ersten Schritt führen die Wissenschaftler an der Windkraftanlage eine Experimentelle Modalanalyse (EMA) durch. Die Anlage wird dabei mit 20 Sensoren mit jeweils drei Raumrichtungen versehen und an verschiedenen Positionen mit einer definierten Kraft in Schwingungen versetzt. Aus den Ergebnissen generieren sie ein computergestütztes Simulationsmodell, das Aussagen über das dynamische Verhalten der Anlage bei vorgegebenen Belastungen zulässt.
Anhand des Modells lässt sich beispielsweise der Schwingweg des Mastes errechnen, wenn eine Windbelastung auf ein oder mehrere Rotorblätter wirkt. Umgekehrt kann auch die anregende Windlast errechnet werden, wenn die Schwingung des Mastes bekannt ist. In einem zweiten Schritt wird deshalb ein Beschleunigungssensor an der Spitze des Mastes platziert, um die Schwingungsamplituden des Mastes in Langzeitmessungen im Betrieb zu messen. Daraus wird die Windanregung bei verschiedenen Windgeschwindigkeiten und Rotordrehzahlen bestimmt. Anhand der Ergebnisse können die Forscher Aussagen darüber treffen, wie ein geeigneter Aktor zu dimensionieren ist, um ausreichend Gegenkräfte zur Schwingungsreduktion in die Struktur einleiten zu können. Das Ganze dient dem Ziel, einen solchen Aktor aufzubauen und zu testen.
 
Schadensanalyse erhöht Wartungsintervalle
Neben der Erprobung aktiver und passiver Maßnahmen zur Schwingungskontrolle bietet sich die Anlage als Plattform zur Demonstration von Structural Health Monitoring Systemen (SHM) an. Hierbei wird über Sensoren das strukturdynamische Verhalten der Anlage erfasst. Veränderungen der Schwingformen an einer oder mehreren Resonanzfrequenzen lassen dann Rückschlüsse auf die Position und das Ausmaß von Schäden innerhalb der Struktur zu. Erklärtes Ziel solcher Maßnahmen ist es, Inspektions- und Wartungsintervalle zu erhöhen, was insbesondere bei Offshore-Anlagen zu hohen Kosteneinsparungen führen kann.
Extreme Belastungen durch maximalen Wind und Fliehkräfte
Eine Windkraftanlage muss den Extrembelastungen durch heftige Stürme standhalten können. Zum anderen stellen die zyklischen Lasten enorme Anforderungen an die Ermüdungsfestigkeit, insbesondere der Rotorblätter und des Getriebes. Bereits durch die im Betrieb wirkenden Fliehkräfte sind die Rotorblätter einer hohen Belastung ausgesetzt. Zusätzlich werden sie durch äußere Anregungen in Schwingungen versetzt, die zu Materialermüdung führen.
Darüber hinaus wirken sich die in den Anlagen herrschenden Vibrationen in Form von Schall auch auf die Umwelt aus. Mit Hilfe von Zusatzsystem lassen sich diese unerwünschten Schwingungen deutlich reduzieren, so die Erwartung der Forscher. Langfristig könnten die an der Kleinwindanlage gewonnenen Erkenntnisse sogar hilfreiche Informationen für den Einsatz solcher Systeme an großen Windkraftanlagen liefern.
 
Fraunhofer LBF
www.lbf-fraunhofer.de

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 9/2024

Mit klimapositiven Baustoffen CO2-Emissionen reduzieren

Die Baubranche und der Betrieb von Gebäuden verantworten 36 Prozent des globalen Energieverbrauchs sowie 39 Prozent der energiebezogenen CO2-Emissionen. Gleichzeitig ist der Wohnungsmarkt...

mehr
Ausgabe 05/2018

Strom aus Wind und Beton

Windenergieanlagen mit Zement und Beton von Dyckerhoff

Die Betonage des aus der Vogelperspektive kreisrunden Fundaments erfolgt mit Transportbeton aus dem Fahrmischer direkt vor Ort. Die zur Verfügung stehende Zeit ist knapp: Üblicherweise wird für das...

mehr