Synergien optimal genutzt
Täglich verschwinden Unmengen an Energie ungenutzt durch deutsche
Abwasserkanäle. Doch diese Wärme lässt sich vielerorts effizient einsetzen.
So auch zukünftig in der Hansestadt Lüneburg, wo im Zuge einer Kanalsanierungsmaßnahme eine Abwasserwärmetauscheranlage installiert wurde.
Der Neubau des Museums Lüneburg ist ein großes Projekt für die Hansestadt. Am östlichen Rand der Innenstadt – zwischen Ilmenau und Lösegraben – entsteht hier ein innovatives interdisziplinäres Museum, das in einzigartiger Weise die Bereiche Natur- und Kulturgeschichte miteinander verknüpft. Damit ab Sommer 2014 der Museumsbetrieb reibungslos ablaufen kann, wird auch die Kanalisation in unmittelbarer Nachbarschaft des Museumsneubaus zeitgleich „in Schuss“ gebracht. Und auch hier hat sich die Hansestadt dazu entschlossen, innovative Wege zu beschreiten. Im Anschluss an die Kanalrenovierung wurde in dem renovierten Kanalabschnitt eine Abwasserwärmetauscheranlage zur heiz- und kühlenergetischen Versorgung des im Bau befindlichen Museumsneubaus installiert. Das Besondere der Baumaßnahme: sämtliche Synergieeffekte einer gemeinsamen Baustellen- und Verkehrssicherung und einer gemeinsamen Vorflutsicherung während der Bauphasen konnten optimal genutzt werden.
Kanalsanierung in höchster Qualität
Im Auftrag der Abwasser, Grün & Lüneburger Service GmbH, AGL, wurde im Bereich der „Willy-Brandt-Straße“ der vorhandene Schmutzwassersammler DN 900 im geschlossenen Sanierungsverfahren renoviert. Hierzu hat die Aarsleff Rohrsanierung GmbH als bauausführendes Unternehmen in den vorhandenen Betonrohrkanal auf einer Länge von ca. 105 m einen mit ungesättigten Polyesterharzen (UP-Harzen) getränkten Glasfasergewebeschlauch eingezogen, der per Druckluft aufgestellt wird und mittels einer UV-Lichtbestrahlung ausgehärtet wird.
In der grabenlosen Renovierung von Kanalsystemen hat sich das Schlauchlining-Verfahren mit UV-Härtung als sichere, schnelle und kostengünstige Sanierungsmethode etabliert. Die standardmäßig verwendeten UP-Harze sind für kommunale Abwässer bestens geeignet. Das durch UV-Härtung entstandene GFK-Rohr wird im CIPP-Verfahren (cured in place pipe) hergestellt und erfüllt die an ein Neurohr gestellten Anforderungen. Standardmäßig werden die Liner mit einem UP-Harz nach DIN EN 13 121 imprägniert. Auch in Lüneburg kamen die verfahrenseigenen Vorteile voll zum Zuge: Hohe Festigkeiten in Kombination mit einer schnellen Installationstechnik.
Ein neues Rohr im alten
Der flexible GFK-Schlauchliner wurde verlegefertig auf die Baustelle geliefert. Die werkseitige Herstellung des Liners gewährleistet eine gleichbleibend hohe Qualität. Nach der Reinigung der Haltung mit einem Hochdruckspülgerät und der abschließenden Inspektion mittels Kamera wurde eine Gleitfolie in das zu sanierende Rohr eingezogen. Die Gleitfolie im unteren Drittel des Rohres bewahrt den Liner vor Beschädigungen und verringert die Reibungskräfte beim Einzug.
Bei dem Einsatz in Lüneburg kam ein speziell von Aarsleff entwickeltes Einbaufahrzeug mit integrierter Fördertechnik zum Einsatz. Hiermit war es möglich, den Liner kontrolliert und materialschonend einzubauen. Der eingezogene Liner wurde anschließend mit Packern verschlossen und die zur Installationsüberwachung erforderlichen Verbindungen angeschlossen. Daraufhin erfolgte die Aufstellung des Liners mit definiertem Druck. Anschließend konnte damit begonnen werden, die Lichtquelle in den Startschacht zu ziehen. Dabei wird der Liner auf Falten und eventuelle Beschädigungen der Innenfolie kontrolliert. Mit dem Anschalten der UV-Lichtquelle beginnt die Härtung. Die Lichterkette wird in einer auf Wandstärke und Durchmesser abgestimmten Geschwindigkeit in Richtung Zielschacht durch den Liner gezogen und härtet diesen dabei aus.
Während der gesamten Härtungsphase werden Geschwindigkeit und gemessene Temperaturen über Sensoren kontinuierlich geprüft und dokumentiert. Die Aufzeichnung der Härteparameter ist ein wichtiger Bestandteil des Installationsprozesses. Nach erfolgreicher Härtung wird die Innenfolie aus dem GFK-Rohr entfernt und die Dichtheitsprüfung nach DIN EN 1610 durchgeführt. Als Resultat der Baumaßnahme ist ein dauerhaft
funktionstüchtiges neues Rohr im Rohr entstanden.
Vorhandene Wärme effizient nutzen
Im Anschluss an die Kanalrenovierung wurde in dem renovierten Kanalabschnitt eine Abwasserwärmetauscheranlage zur heiz- und kühlenergetischen Versorgung des im Bau befindlichen Museumsneubaus installiert. Der Standort in Lüneburg erwies sich für die Installation einer solchen Anlage als besonders vorteilhaft, denn die Rohre liegen hier nur etwa 2,5 m vom Gebäude entfernt. Als Faustformel für den sichern Betrieb einer Abwasserwärmetauscheranlage gilt: die maximale Entfernung zwischen Wärmeabnehmer und Kanal sollte in bebauten Gebieten 100 m und in unbebauten Gebieten 300 m nicht überschreiten. Weiterhin als vorteilhaft erwies sich der Umstand, dass die Rohre über einen ausreichend großen Querschnitt verfügen, so dass für die insgesamt 45 m langen Module ausreichen Platz zur Verfügung stand, um sie im renovierten Rohr zu installieren.
Zu dieser Baumaßnahme gehörte die Montage und Verankerung der Anlage vor Ort im Kanal und zudem die Herstellung der erforderlichen Leitungssysteme bis in das Museumsgebäude hinein. Über eine Wärmepumpe erfolgt dann die Bereitstellung der erforderlichen Heizenergie im Winter bzw. der benötigten Kühlenergie im Sommer für das neue Museum.
Ökonomisch und ökologisch
Das Einsparpotential für den Betrieb einer „Abwasserheizung“ ist hierbei enorm. Bis zu 50% Primärenergie können im Vergleich zu einer herkömmlichen Öl- oder Gasheizung eingespart werden. Darüber hinaus leistet der Betrieb einer solchen Anlage einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz, denn 25%-50% CO2-Emmissionen können vermieden werden.
Die Kosten für die Erstellung der gesamten Anlage in Lüneburg, inklusive der Kanalsanierungsarbeiten, liegen bei rund
190 000 Euro, so Dipl.-Ing. Klaus Niemann, der bei der AGL für den Kanalbau verantwortlich ist. Gemeinsam mit Tobias Bergmann von Blu Synergy, von dessen Firma die Technik für die Wärmetauschanlage stammt, geht er auch für die Anlage in der Hansestadt davon aus, dass sich rund 50 Prozent der Energie einsparen lassen und sich die Ausgabe nach rund sieben Jahren amortisiert hat.
Abschließend zeigten sich alle am Projekt Beteiligten begeistert vom reibungslosen Ablauf. „Die Synergien der einzelnen Baulose konnten optimal genutzt werden“, so der verantwortliche Bauleier Dipl.-Ing. Henrik Kruskop, Aarsleff Rohrsanierung GmbH. „Gleichzeitig haben wir zwei sehr wichtige Ziele erreicht. Zum Einen ist ein für die nächsten Jahrzehnte dauerhaft dichtes Kanalbauwerk erstellt worden. Zum Anderen wurde eine Wärmetauscheranlage installiert, die - in Abhängigkeit von der Jahreszeit - die Basis für die Abdeckung des gesamten Heizwärmebedarfs sowie des gesamten Kühlbedarfs des angrenzenden Museumsgebäudes bildet. Das war eine starke Teamleistung!“
Weitere Informationen
Abwasser, Grün & Lüneburger Sercice GmbH, AGL
Aarsleff Rohrsanierung GmbH
Blue Synergy GmbH
Wärmerückgewinnung aus Abwasser
Wird die bei einem Prozess freigesetzte thermische Energie für einen weiteren energetischen Vorgang wieder nutzbar gemacht, fällt dies unter den Oberbegriff Wärmerückgewinnung. Als nachhaltige Ressource zählt die Wärmerückgewinnung zu den regenerativen Energien und könnte im Rahmen einer zukunftsorientierten nachhaltigen Energiewende weltweit stark an Bedeutung gewinnen. Zur Nutzbarmachung wurden je nach Technologie verschiedene Verfahren entwickelt, um das „Abfallprodukt“ dem primären Energiekreislauf wieder zuzuführen. Ein gängiger Einsatzbereich der Wärmerückgewinnung, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser. Die Wärme kann dem Abwasser aus Abwassersammlern, also direkt bei den Abnehmern im Siedlungsgebiet, mittels moderner Wärmeübertrager- und Wärmepumpentechnologien entnommen und nutzbar gemacht werden. Da Abwasser das ganze Jahr über mit 10 bis 15°C relativ hohe Temperaturen aufweist, ist es für den effizienten Betrieb einer Wärmepumpe hervorragend geeignet.
Die Abwasserheizung besteht im Wesentlichen aus 2 Komponenten
1. Wärmetauscher
Im Abwasserkanal, in einer Kläranlage oder im Gebäude. Dieser entzieht dem Abwasser Wärme und führt diese über ein
Zwischenmedium der Wärmepumpe zu
2. Wärmepumpe
Im Gebäude: Bringt die gewonnene Wärme auf ein höheres Temperaturniveau und macht sie so für Heiz- bzw. Kühlzwecke sowie zur Warmwasserbereitung nutzbar.
Erzeugt aus 25% zugeführter Energie 100% Heizleistung!
Eckdaten der Baumaßnahme
Abwasserkanal als Betonrohrkanal (Linerauskleidung): D 900 mm
Abwassermengen zwischen ca. 25 und 120 l/s
Abwassertemperaturen: ca 11 °C (Winter) und ca. 17 °C (Sommer)
Abwasserkanaltiefe rund 5,50 m
Auslegung des Wärmetauschers: ca. 135 kW
Länge der Wärmetauscher: 33 Einzelelemente à 1,35 m Länge mit ca. 44,50 m Gesamtlänge
Tauscherkreislaufmedium: Wasser mit max. 25,8 m3/h
Energieeinsparung: ca. 50%
Amortisation: < 7 Jahre
Auftragnehmer für Gesamtauftrag: Aarsleff Rohrsanierung GmbH, NL Hamburg
Nachunternehmer Wärmetauscher: Blue Synergy GmbH
Auftraggeber: Abwasser, Grün & Lüneburger Service GmbH
Investitionsvolumen: rund 190.000 €