WLAN mit „Tunnelblick“
Baustellenkommunikation über Voice-over-WLANIn Israel baut das Joint Venture Züblin - Jäger einen Tunnel zur Wasserversorgung Jerusalems. Für die lückenlose Kommunikation in 350 Meter Tiefe sorgt ein
ausfallsicheres WLAN.
Unter lautem Gedröhne „frisst“ sich die Tunnelbohrmaschine (TBM) „Isabel“ durch die Gesteinsmassen. Die Vibrationen, die Isabel erzeugt, gehen durch Mark und Bein und zeigen, welche enormen Kräfte wirken. Langsam kommt der Bohrkopf zum Stillstand. Sofort beginnt im Tunnel ein eifriges Treiben von Technikern und Ingenieuren. Es wird diskutiert, Messungen werden vorgenommen, Wartungsarbeiten am Bohrer erledigt, die Funkgeräte laufen auf Hochtouren. Ganz im Stillen verrichtet ein Drahtlosnetzwerk seinen Dienst und sorgt dafür, dass das Funksystem sowie weitere Dienste auch tief unter der Erde zuverlässig funktionieren.
Baustellenkommunikation über Voice-over-WLAN
Fast 13 Kilometer lang wird der Tunnel für die Wasserversorgung Jerusalems nach der Fertigstellung im November 2020 sein. Im April 2016 haben Mekorot, der nationale Wasserversorger Israels, und das deutsch-österreichische Joint Venture Züblin-Jäger mit den Vorbereitungen für das Tunnelbauprojekt begonnen. Zwischen Eshtaol und En Karem, 350 Meter unter den Gemeinschaften von Kesalon und Ramat Raziel, soll der Tunnel entstehen.
„Für die Tunnelbauphasen musste ein stabiles und
zuverlässiges Funksystem her, um die Kommunikation der Arbeiter im Tunnel zu garantieren“, sagt Andreas Ratzke, IT-Koordinator Tunneling Division 2I bei der Ed. Züblin AG. „Aufgrund regulatorischer Vorgaben in Israel entschied sich unser betreuender Kommunikationsspezialist, die Tunnelkom aus dem baden-württembergischen Göppingen,
für eine Voice-over-WLAN Lösung.“ Für das WLAN wurden Komponenten des deutsche Netzwerkherstellers Lancom Systems ausgewählt.
Höchste Ausfallsicherheit
Die Anforderungen an das WLAN im Tunnel sind hoch: Während Ausfallsicherheit höchste Priorität hat, wurde bei der Auswahl bewusst auf die einfache Erweiterbarkeit geachtet. Schließlich gilt es, das Netz gemäß Baufortschritt kontinuierlich zu erweitern, um die ganze Baustelle durchgängig zu vernetzen. Hierzu wird im Tunnel alle 500 Meter ein Access Point installiert. „Wir rechnen damit, dass insgesamt 40 Access Points zum Einsatz kommen werden“, so Ratzke. „Wir nutzen Geräte mit zwei Funkmodulen. Das erste Modul setzen wir zur WLAN-Anbindung der mobilen Clients ein, zum Beispiel für Funkgeräte, Smartphones, Laptops oder Tablets. Das zweite Funkmodul dient der Ausfallsicherheit“, erklärt Ratzke. Alle Access Points werden über robuste Glasfaserkabel miteinander und mit dem Internet verbunden. Kommt es dabei zu Unterbrechungen, z. B. durch einen Kabelbruch, wird die Lücke per Funk über Auto WDS (Automatic Wireless Distribution System) geschlossen. Damit die Funkversorgung im Tunnel reibungslos funktioniert, kommen verschiedene Antennentypen zum Einsatz: Während Rundstrahlantennen den Clients einen drahtlosen Netzwerkzugang zur Verfügung stellen, sorgen Richtfunkantennen für das Backup über Auto WDS. Auch das Management über einen WLAN Controller spielt eine zentrale Rolle: ohne ihn wäre das Fallback-Szenario über die Auto WDS-Funktion nicht möglich.
„Alle Access Points wurden vorab im Controller angelegt sowie vordefinierte Skripte hinterlegt“, sagt Ratzke. „Die schnelle und reibungslose Einbindung neuer Access Points lässt sich so einfach realisieren.“
Ein Netz für viele Anwendungen
Neben VoWLAN werden im Tunnel auch kabelgebundene
Voice-over-IP-Telefone eingesetzt. Für die IP-Telefonie und die TBM-Steuerung steht das WLAN als Backup bereit, falls es zu Ausfällen der Kabelanbindung kommt. Die Techniker und
Ingenieure im Tunnel gehen mit ihren Smartphones über das WLAN ins Internet und könne so von überall ihre E-Mails abrufen Hinzu kommen Dienste wie das Vorauserkundungssystem der TBM , das Alarmsystem, die IP-Kameras sowie die Mischanlagensteuerung. Die Anwendungen, die das WLAN nutzen, werden über unterschiedliche SSIDs und logisch voneinander getrennte Teilnetze, sogenannte Virtual Local Area Networks, separiert.
Einfache Erweiterung
„Unser größter Nutzen ist die hohe Ausfallsicherheit des ganzen Drahtlosnetzwerks“, erklärt Ratzke. „Durch das Auto-WDS und den Einsatz der beiden Radio-Module bleibt das WLAN im Tunnel nahezu immer verfügbar.“ Damit sind neben der Funk-Kommunikation auch andere Dienste stets erreichbar – unabhängig davon, ob diese direkt über das WLAN laufen oder die drahtlose Anbindung als Fallback-Lösung nutzen. Die einfache Erweiterung des Netzwerks dank „Zero-touch Deployment“ sowie das zentrale Management über den WLAN-Controller sorgen für eine schnelle Erweiterung des Netzwerks. „Das ist für uns sehr wichtig, da das WLAN mit fortlaufendem Vortrieb des Tunnels mitwachsen muss“, so Ratzke.
Ed. Züblin AG
Bauzeit: 50 Monate
Vortriebsbeginn: Ende 2016
Tunnelbohrmaschine: TBM Atlas Copco DN 3900 – Hartgestein-Doppelgripper-Tunnelbohrmaschine
Haupttunnel (TBM): 13,0 km Länge
Konventionell aufgefahrener Tunnel: 1,3 km
Die Tunnel-Bohrmaschine Isabel wird rund 13.000 m kreidehaltigen Kalkstein durchfahren und ca. 500.000 Tonnen Hartgestein entfernen.
Infos zum Projekt:
Auto WDS erlaubt es, die Erweiterung eines WLANs auf Basis von Funkstrecken (P2P) vorzunehmen und dadurch kostengünstig und schnell sehr skalierbare Netze zu errichten. „AutoWDS“ steht für „Automatic Wireless Distribution System“. Die Funktion ermöglicht es, ein Funknetz aus mehreren Access Points herzustellen, die ausschließlich drahtlos untereinander verbunden sind. Die möglichen Einsatzgebiete erstrecken sich z. B. auf die flächendeckende Anbindung kleiner Areale oder ganzer Gebiete an das Internet oder ein Unternehmensnetz, in denen eine Verbindung über LAN nicht sinnvoll oder schwer realisierbar ist.