Zweierlei Regenwasser im Industriebetrieb

Sauberen Dachabfluss versickern, verschmutztes Oberflächenwasser nutzen?

Wisch Engineering aus Berlin setzt bei der Betriebserweiterung zwei unterschiedliche Verfahren zur Regenwasserbewirtschaftung ein. Trotz hohem Grundwasserstand und Wasserschutzgebiet gelingt eine Kombination, die naturverträglich und für den Betreiber finanziell interessant ist.

Staaken ist der westliche Zipfel des Landes Berlin und Unternehmenssitz von Wisch Engineering. Vor mehr als 100 Jahren begann die Firma unter dem Namen „Georg Wisch Maschinenfabrik“ auf dem Gelände der AEG als deren Zulieferer. Bis zum 2. Weltkrieg waren neue Technologien in der Metallverarbeitung ihr Spezialgebiet. Die hier gefertigten Bauteile fanden in der Verkehrstechnik, im Schiffsbau und im Flugzeugwesen Verwendung. „Ob Sie mit Bahn oder Bus, zu Wasser oder in der Luft unterwegs waren, ein Teil von Wisch war meistens dabei“, sagt der heutige Inhaber und Geschäftsführer Klaus Ertel. Unter seiner Leitung gab es 2005/2006 einen Neubeginn am jetzigen Standort. Mit ca. 100 Mitarbeitern und 8000 m² Produktionsfläche werden Blech- und andere Metallteile zu hochwertigen Schweißverbindungen verarbeitet. Das sind z. B. Karosseriestücke und Tanksysteme für MAN und Bombardier. Zu den Kunden gehören auch Siemens und Rigips. Medizintechnik und Apparatebau sind neue Anwendungsfelder hier hergestellter Produkte; ebenso die Solartechnik mit Hochleistungskollektoren, in denen durch Luft-Wasser-Hybridbauweise gleichzeitig Strom und Heißwasser für Gebäude erzeugt wird.

Besonderer Verfahren im Umgang mit Regenwasser

So erstaunt es nicht, dass Wisch Engineering als Bauherr bei der Betriebserweiterung besondere Verfahren im Umgang mit dem Regenwasser einsetzt. 500 m vom bisherigen Standort entfernt entstand im Jahr 2010 eine weitere Betriebsstätte mit ca. 10 500 m² Produktionsfläche und 1650 m² Sozialbereich. An die Bewirtschaftung des anfallenden Regenwassers von Gebäude und Gelände stellte die Wasserbehörde besondere Anforderungen. Ein Regenkanal der Kommune ist vorhanden, die Einleitung ist allerdings begrenzt. Ein hoher Grundwasserstand und Wasserschutzzone III A erlauben auch die sonst erwünschte dezentrale Versickerung nicht ohne weiteres. Die wasserrechtliche Erlaubnis für die Betriebserweiterung bei Wisch Engineering verlangt, einem raffinierten Kochrezept ähnlich, ein „Gericht mit zweierlei Regenwasser“. Die für dieses Projekt zuständigen Fachingenieure haben die Herausforderung angenommen und wie Meisterköche mit besonderen Zutaten etwas kreiert, das für „die Natur schmackhaft und für den Industriebetrieb finanziell bekömmlich“ ist – so Stefan Gehring, Projektingenieur bei Mall, dem Lieferant von „Zutaten“ für Regenwasserbehandlung und -nutzung.

Dachabfluss für die Natur, die eine Sorte Regenwasser

Das gemäß amtlichem Sprachgebrauch „nicht schadhaft verunreinigte“ Regenwasser von ca. 12 000 m² Dachfläche wird dem Grundwasser zugeführt. Es versickert in Geländemulden. Schadstoffe aus der Luft, Ablagerungen vom Flachdach und Metallionen aus dem Material der Fallrohre werden durch die Bestandteile des humushaltigen belebten Oberbodens zurückgehalten. Dies erfolgt abschnittsweise über Fallrohre und weiter, oberflächennah querab vom Gebäude, in offenen Rinnen. Diese Rinnen münden nach wenigen Metern in eine bewachsene Sickermulde. Linienförmig verläuft die Mulde parallel zum lang gestreckten Hallengebäude, auf beiden Längsseiten. Alle 15 m mündet ein Zulauf vom Dach. Die Böschung der Mulde ist an diesen Stellen durch Steinpflaster gegen Erosion geschützt.

Raum und Zeit

Eine der technischen Regeln zur Versickerung, DWA-A 138, enthält zwei wesentliche Aspekte. Sie bereiten in der Praxis regelmäßig Schwierigkeiten, sind bei diesem Projekt jedoch hervorragend gelungen. Der erste Aspekt betrifft den Raum bzw. die Topografie, der zweite die Zeit bzw. den Bauablauf.

n Ist das Gelände eben und die Sickermulde aus Sicherheitsgründen nur leicht vertieft (bei Einstau sollte der Wasserstand nicht mehr als 30 cm betragen), so erfordert dies oberflächennahe Zuleitungen, mit wenig Gefälle ab Fallrohrende. Es gelingt am besten mit offenen Rinnen bei 0,5 % Gefälle, eine Empfehlung aus DWA-A 138 Abschnitt 3.4.3. Rohre, die laut DIN-Normen in frostfreier Tiefe verlegt werden, führen das Wasser mindestens 60 cm weiter unten. Allerdings muss, was bei Rohren kein Problem ist, die Last von oben berücksichtigt werden: Kreuzen die offenen Rinnen wie hier einen befahrbaren Weg, so müssen sie gemäß DIN EN 124 der maximal zu erwartenden Belastung durch Fahrzeuge standhalten, und dementsprechend bestellt und eingebaut werden.

n Ist das Dach des Gebäudes gedeckt und die Entwässerung funktionsbereit, so muss auch die Sickermulde in betriebsfähigem Zustand sein. Das bedeutet, dass dieser Teil der Außenanlagen rechtzeitig fertig gestellt wird, damit auch der Bewuchs tatsächlich vorhanden ist. Trotz knappen Terminen konnte dieser Notwendigkeit durch kurzfristig aufgebrachten Rollrasen entsprochen werden. Der Bewuchs ist entscheidend, er sichert durch seine Wurzelaktivität die Durchlässigkeit des Oberbodens; siehe dazu DWA-A 138, Abschnitt 4.

Oberflächenabfluss für den Industriebetrieb, die andere Sorte

Die zweite Sorte Regenwasser stammt von ca. 1650 m² asphaltierten Oberflächen, den Zufahrten zu den Produktionshallen. Laut wasserrechtlicher Erlaubnis wird das hiervon abfließende Regenwasser in Zisternen gesammelt und genutzt. Der Überlauf, der bei vollen Regenspeichern und weiter anhaltendem Niederschlag entstehen kann, wird versickert. Dazu gibt es jedoch Auflagen hinsichtlich Menge und Qualität:

n Auf dem gesamten Erweiterungsgelände dürfen pro Jahr maximal 50 m³ aus dem Abfluss der asphaltierten Flächen versickert werden. Diese Einschränkung der Behörde hat mit dem Wasserschutzgebiet zu tun. Darüber hinaus gehende Mengen werden dem Schmutzwasserkanal der Kommune zeitlich verzögert zugeleitet.

n Um die Qualität des Oberflächenabflusses Richtung Grundwasser vor Passage des bewachsenen Oberbodens zu verbessern, sind den Überlaufflächen zwei technische Reinigungsstufen vorgeschaltet – eine Sedimentationsanlage und ein Filterschacht – so die Auflage der Behörde. Damit soll sichergestellt werden, dass bei einer hier im Industriegebiet möglichen schadhaften Verunreinigung durch Fahrzeuge oder Warenumschlag keine Beeinträchtigung des darunter befindlichen Wasserschutzgebietes III A „zu besorgen ist“, wie es im Amtsdeutsch heißt.

Behandlung und Nutzung

Ohne fremde Energie durch Pumpen durchströmt das von den Asphaltflächen in Gullys abfließende Regenwasser beide unterirdischen Reinigungsstufen. In der Sedimentationsanlage wird der Zufluss durch Prall-/Leitbleche in Rotation versetzt. Dabei sondern sich leichte Stoffe (auch Öl oder Benzin) nach oben, schwere Partikel nach unten ab. Aus der sauberen mittleren Zone kann das so gereinigte Wasser zum Filterschacht geschützt abströmen. Dort werden Schwebstoffe größer als 0,6 mm durch eine Tauchwand aus Edelstahlsieben vom Wasser getrennt. So bleibt die Zisterne und – was der unteren Wasserbehörde wichtig ist – auch der gelegentliche Speicherüberlauf Richtung Grundwasser frei von unerwünschten Stoffen. Sedimentationsanlage und Filterschacht werden von Zeit zu Zeit gereinigt. Das Intervall dazu hat Haustechnik-Fachingenieur Klaus Lange in der Wartungsanleitung festgelegt. „Die Dimensionierung der Anlage, die Anordnung ihrer Bauteile und die Computersimulation mit den zu erwartenden Starkniederschlägen ist eine Gemeinschaftsleistung meines Büros und der Firma Mall, die die hier erforderlichen Komponenten geliefert hat, “ stellt Lange fest. Er hatte zunächst alle Optionen geprüft, die gemäß wasserrechtlicher Erlaubnis für die Bewirtschaftung des Oberflächenwassers zulässig sind. Ein Anschluss an den Regenwasserkanal der Kommune ist nur zulässig mit gedrosselter Ableitung. Die dafür notwendigen Bauwerke eines Stauraumkanals oder eines Regenrückhaltebeckens sind aufwendig, vor allem bei den Herstellungskosten. Schließlich wären für die Kanalnutzung laufend Betriebskosten in Form des Niederschlagswasserentgelts angefallen, während die realisierte Variante durch Nutzen des Oberflächenwassers diese Kosten und zusätzlich einen Teil der Trinkwassergebühren spart.

Solange in den Zisternen vorrätig, können mit dem gesammelten und gereinigten Oberflächenwasser die WC’s im Betrieb gespült werden. Das Ingenieurbüro Lange hat die dafür notwendige Zisternengröße mit 108 m³ ermittelt. Lange ist stolz auf die preiswerte Herstellung dieses Speichervolumens und stellt fest: „Wir haben 2 der 4 unterirdischen Löschwasserspeicher, die mit 96 m³ Regenwasser gefüllt sind, um jeweils 54 m³ vergrößert. Die Mehrkosten waren verhältnismäßig gering.“ Um eine funktionierende Regenwassernutzungsanlage zu erhalten, musste nur noch die Pumpentechnik und ein Verteilnetz zu den Toiletten installiert werden. „Die WC-Spülung hilft, regelmäßig freies Speichervolumen zu erhalten, da sie das ganze Jahr über gleichmäßigen Wasserbedarf hat.“ Sollte der Vorrat dafür einmal aufgebraucht sein, erhält das System automatisch Trinkwasser zugeführt, bis wieder Regenwasser vorhanden ist. Die Steuerung übernimmt das Mall-Regencenter Tano XL. Es steht im Gebäude und enthält Microprozessor-Steuerung, Doppelpumpendruckerhöhung und Vorlagebehälter. Unter Wasser in der großen unterirdischen Zisterne steht die Zubringerpumpe und fördert nach Bedarf, von der Regenwasser-Zentrale gesteuert. Wasserstandssonden mit Drucksensoren in der Zisterne stellen sicher, dass der Feuerlöschvorrat nicht genutzt wird und schalten das Regencenter in Trockenperioden rechtzeitig auf Trinkwasserbetrieb um. Die Druckerhöhungsanlage ist zweistufig, sitzt im kompakten Regencenter unter dem Zwischenbehälter und erhält so das Wasser im Zulaufbetrieb mit leichtem Vordruck. Bei Spitzenbedarf laufen beide Pumpen gleichzeitig, ansonsten alternierend einzeln. Sie verfügen über einen integrierten Trockenlaufschutz. Mit einem optischen und akustischen Signal weist die Steuerung auf Fehlfunktionen hin und reagiert darauf. Der potenzialfreie Störmelder ermöglicht eine Fernanzeige der Störung. Zudem verfügt die Steuerung über eine Anschlussmöglichkeit für RS 232-Schnittstellen zur externen Datenübermittlung.

Im Regencenter werden auch die Wassermengen registriert:

n die Speichergröße zur Versickerung, um die zulässigen 50 m³ per anno nicht zu überschreiten

n die daraufhin zum Kanal gepumpten Überläufe wegen Abwassergebühr

n die zu den WC’s gepumpte Spülwassermenge, ebenfalls wegen Abwassergebühr.


Auftriebssicherheit

Bei hohem Grundwasserstand wie hier unterirdische Behälter zu bauen, erfordert Maßnahmen gegen Auftrieb. Insbeson-
dere leere Behälter können im Grundwasser so viel Auftrieb erhalten, dass sie aus dem Erdreich herausgedrückt werden. Zisternen, Sedimentations- und Filterschächte können jedoch als Betonfertigteile einfach und preiswert mit einem entsprechend breiten Überstand der Bodenfläche hergestellt werden, so dass nach Einbau die umgebende Erde als Auflast wirkt.n

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